Faktencheck Euronews hier von
Ist Deutschland tatsächlich von Kernkraftwerken umgeben?
Im Internet ist eine alte, irreführende Karte aufgetaucht, die die Grenzen Deutschlands mit 30 Kernkraftwerken gesäumt zeigt.links: Diese Karte wurde auf verschiedenen Social-Media-Plattformen geteilt. Euronews
Laut der Karte verteilen sich die Kernkraftwerke auf Deutschlands Nachbarländer: die Niederlande, Belgien, Luxemburg, Frankreich, die Schweiz, Österreich, die Tschechische Republik, Polen und Dänemark.
Die Karte wurde in den sozialen Medien geteilt und mit dem Hinweis versehen, dass sie zeige, wie das deutsche Stromnetz in den kommenden Jahren aussehen werde.
Zum Beispiel suggeriert ein TikTok-Beitrag, dass Deutschland im Jahr 2025 so aussehen werde. Und in einem weiteren Facebook-Beitrag wird behauptet, dass dies das Schicksal des Landes in den kommenden 30 Jahren sein werde.
Die Kommentare zu den Beiträgen scheinen die Vorstellung zu schüren, dass Deutschlands Nachbarn bei der Kernenergieproduktion weit voraus sein werden, während Berlin ins Hintertreffen gerät.
Zwar können wir die Zukunft nicht vorhersagen, aber wir können uns den aktuellen Zustand der Kernkraftwerke in Europa ansehen, und der sieht ganz anders aus als auf der Karte dargestellt.
Diese Karte von Nucleareurope, einem in Brüssel ansässigen Handelsverband für die Kernenergiebranche, zeigt, dass es zwar einige Anlagen in Deutschlands Nachbarländern gibt, diese aber nicht entlang der Grenzen stehen. In vielen dieser Länder gibt es sogar überhaupt keine Kernkraftwerke.
Eine Karte der Kernkraftwerke in Europa. Nucleareurope
Es sei darauf hingewiesen, dass diese Karte nur in Betrieb befindliche Anlagen zeigt.
Laut den jüngsten Zahlen der World Nuclear Association verfügt Frankreich mit 56 Reaktoren über die meisten betriebsbereiten Kernreaktoren in Europa.
Es folgen Russland mit 36, die Ukraine mit 15, Großbritannien mit 9 und Spanien mit 7 Reaktoren.
Einige Nachbarländer Deutschlands verfügen über betriebsbereite Kernreaktoren, wie Belgien und die Schweiz, aber nicht so viele, wie die irreführende Karte vermuten lässt.
In Deutschland wurden die letzten Kernkraftwerke im April 2023 im Rahmen des 2011 beschlossenen Atomausstiegs abgeschaltet.
Noch mehr Infos zur Atomkraft:
hier Spiegel 31.12.24
RWE-Chef lehnt Rückkehr zu Atomkraft ab
»Schnellstmöglich« möchten CDU und CSU prüfen, ob und wenn ja wie Deutschland wieder Atomstrom produzieren könnte. Den Ausstieg nannte die Union Anfang November in einem Fünf-Punkte-Papier zur Energiepolitik eine »ideologisch motivierte Fehlentscheidung«. Wenn es »unter vertretbarem technischem und finanziellem Aufwand noch möglich ist«, heißt es in dem Papier, sollten die verbliebenen AKW wieder in Betrieb gehen.
Von RWE-Chef Markus Krebber kommt nun eine deutliche Antwort: Er lehnt die von der Union in Spiel gebrachte Rückkehr zur Atomkraft in Deutschland ab. »Die Zeit für die drei Kraftwerke, die für sechs Prozent der deutschen Stromproduktion standen, ist abgelaufen«, sagte Krebber der »Rheinischen Post« vom Dienstag.
»Das RWE-Kernkraftwerk Emsland ist seit dem 15. April 2023 abgeschaltet und wird zurückgebaut. Derzeit sind hier noch 480 Mitarbeiter, die den Rückbau vorantreiben«, sagte Krebber. Zur Frage nach dem technischen und finanziellen Aufwand sagte er zudem: »Wollte man die drei Meiler wieder hochfahren, bräuchte es langwierige Genehmigungsprozesse, massive Investitionen in die Nachrüstung und den Aufbau einer qualifizierten Betriebsmannschaft. Will die Gesellschaft das?«
»Aktuelle Kernkraftprojekte in anderen Ländern zeigen,
sie sind oft doppelt so teuer wie geplant und
kosten zweistellige Milliardenbeträge.«
RWE-Chef Markus Krebber
Auch einen Neubau hält Krebber für aussichtslos: »Ein Neubau dauert bis zu zehn Jahre oder mehr, Atomkraft hilft nicht bei den aktuellen Engpässen. Aktuelle Kernkraftprojekte in anderen Ländern zeigen, sie sind oft doppelt so teuer wie geplant und kosten zweistellige Milliardenbeträge.« Der RWE-Chef betonte: »Daher müsste der Staat das wirtschaftliche Risiko übernehmen, wenn er will, dass neue Anlagen gebaut werden.«
Krebber sieht kein Problem darin, dass Deutschland französischen Atomstrom importiert: »Es stimmt, dass Deutschland immer wieder mal französischen Atomstrom importiert. Zuletzt waren es zwei Gigawatt. Doch das ist in Europa normal. In der Energiekrise hat Deutschland Frankreich mit Exporten unterstützt.«
Populismus und Energiepolitik: Warum Stromimporte kein Beweis für das Versagen der deutschen Energiewende sind. Der SPIEGEL-Leitartikel von Susanne Götze hier
Deutschland hängt beim Strom angeblich »am Tropf der Nachbarländer«. Schuld seien Energiewende und Atomausstieg. Diese Mythen haben mit Fakten wenig zu tun. ....
Übrigens haben die Länder des Strommarktes eine Lieferverpflichtung, die nicht einseitig aufgekündigt werden kann. Eine Regierung muss bei einer anderen also gar nicht »betteln« gehen. Und auch ein Bundesland wie Bayern (auch Söder weiß das) kann deshalb nicht einfach politische Absprachen zur Lieferung von Atomstrom treffen. Es geht nicht nach Ländern oder Regionen, sondern nach Angebot und Nachfrage in einem grenzüberschreitenden Binnenmarkt. Die Tschechien-Aktion des bayerischen Ministerpräsidenten war also purer Populismus....
Statt auf die Ablenkungsversuche der Atom- und Kohlelobby sollte man auf die deutschen Erfolge blicken: Denn EU-weit wächst der Anteil von Erneuerbaren ungebremst weiter, im dritten Herbst in Folge produzieren Wind und Sonne mehr Strom als Atomkraftwerke. Zudem verbrannten Kraftwerke in Europa weniger Stein- und Braunkohle als im Vorjahr. Es geht also alles in die richtige Richtung – auch wenn niemand bezweifelt, dass die deutschen Netze für die Energiewende noch ausgebaut und etwa Stromspeicher installiert werden müssen. Das ist aber machbar.
Forscherstreit über sind Energiewende: Hat der Atomausstieg Deutschland wirklich 600 Milliarden Euro gekostet? Von Benedikt Müller-Arnold hier
Laut einer viel beachteten Studie hätte Deutschland immense Summen sparen können, wenn es weiter auf Kernkraft statt auf erneuerbare Energien gesetzt hätte. Doch nun wird dem Autor ein grundlegender Fehler vorgeworfen......
Doch nun kritisieren vier Wissenschaftler und eine Wissenschaftlerin vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung in Karlsruhe, von der Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geothermie in Cottbus sowie vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme in Freiburg die Rechnung scharf. Sie fuße »auf einem grundlegenden methodischen Fehler«: Emblemsvåg habe den »Großteil der Ausgaben erneuerbarer Energien doppelt gezählt«, monieren die Fraunhofer-Fachleute Barbara Breitschopf, Hans-Martin Henning, Benjamin Pfluger, Mario Ragwitz und Martin Wietschel in ihrer Stellungnahme. »Die durchgeführte Analyse ist somit wissenschaftlich nicht haltbar.«
.... Die Fraunhofer-Fachleute verdeutlichen das anhand eines Beispiels: Ein Student, der ein Auto auf Kredit kauft und dafür Raten von 300 Euro pro Monat zahlt. »Die Eltern unterstützen den Autokauf des Studenten mit 200 Euro im Monat«, schreiben sie. »Emblemsvågs Logik folgend kostet das Auto nun monatlich 500 Euro.« Tatsächlich aber sind die Zahlungen der Eltern nur ein Zuschuss zur Finanzierung des Autos.
Die »Doppelzählung«, die das Fraunhofer-Team moniert, hat massive Auswirkungen auf Emblemsvågs Hauptaussage: Zieht man nur die Ausgaben für Investitionen, Betrieb und Wartung aller neuen Erneuerbaren-Anlagen seit 2002 heran – und nicht deren Gegenfinanzierung –, kommt der Professor aus Ålesund auf 387 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Die Kosten für einen theoretischen Weiterbetrieb der Atomkraftwerke und den Bau zusätzlicher Meiler beziffert Emblemsvåg auf 364 Milliarden Euro. Plötzlich lägen die Zahlen also gar nicht mehr so weit auseinander. Staatliche Förderungen für den Bau von Kernkraftwerken, der viel Kapital und Zeit benötigt, hat Emblemsvåg gar nicht erst eingerechnet.
Auch die EnBW will kein Comeback des Atomstroms
Anfang Dezember hatte sich bereits der Energiekonzern EnBW deutlich gegen die Vorstöße der Union ausgesprochen. »Der Rückbau-Status unserer fünf Kernkraftwerke ist praktisch gesehen irreversibel«, sagte EnBW-Kernkraftchef Jörg Michels. »Eine Diskussion über die weitere Nutzung der Kernkraft hat sich für uns vor diesem Hintergrund erledigt.« Das deutsche Atomgesetz sehe eindeutig vor, dass in den Reaktoren kein Strom mehr produziert werden dürfe, betonte Michels.
Der Ausstieg aus der Atomkraft war in Deutschland 1998 von der rot-grünen Bundesregierung beschlossen worden. 2009 verlängerte die schwarz-gelbe Koalition unter Angela Merkel dann die Laufzeiten der Kraftwerke deutlich. Als es 2011 zur Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima kam, folgte die Kehrtwende und der Ausstieg wurde deutlich beschleunigt.
Die letzten Kraftwerke wurden schließlich im Frühjahr 2023 abgeschaltet, nachdem die Ampelkoalition ihre Laufzeiten nochmal um einen kurzen Zeitraum verlängert hatte.
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