Ich kann die Radio-Reportage vom Bayrischen Rundfunk (Link ganz unten) nur jedem ans Herz legen - da geht einem im wahrsten Sinne des Wortes das Herz auf!
Auch bei uns werden die Biber geärgert, aber nicht mit der Kartoffelhacke. Die Biberdämme werden überwacht, und wenn eine bestimmte Höhenmarke überschritten wird, dann kommt der Bagger und räumt den oberen Aufbau weg. Der Biberdamm bleibt jedoch grundsätzlich stehen.
André Holzinger ärgert den Biber. Aber das ist für alle Seiten gut: für den Bach, für die Bauern und unterm Strich auch für den Biber. Es gibt keine Überschwemmungen mehr, die Artenvielfalt steigt – und der Naturschutz sagt: ein Vorzeigeprojekt.
Am Retzenbach bei Nördlingen gibt es keine Überschwemmungen mehr und gleichzeitig viel mehr Leben im Bach. Das liegt daran, dass Fischer André Holzinger den Bach gepachtet hat und jetzt den Biber in Schach hält – mit seiner Kartoffelhacke.
Überschwemmungen durch den Biber vermeiden
Der Gegenspieler arbeitet im Dunkeln. Da macht der Biber seinen Damm höher und dichter. In der Mittagspause oder am Feierabend kommt André Holzinger und reißt mit seiner Kartoffelhacke einen schmalen tiefen Durchgang in den Damm. "Ich mach quasi die Tagschicht und er macht die Nachtschicht." Das Ergebnis: Der Bach kann wieder fließen, der Wasserstand sinkt innerhalb von ein paar Minuten ab. Das Rohr, das die angrenzenden Felder entwässert, ist wieder frei; keine Beeinträchtigungen für die Landwirtschaft.
Das funktioniert allerdings nur, weil André Holzinger hartnäckiger ist als der Biber. Er kommt mit seiner Hacke, "bis der Biber einsieht, es hat keinen Sinn, hier ständig wieder höher einzustauen, weil's einfach nicht funktioniert".
Den Biber ärgern – darf man das?
Der Biber steht unter Naturschutz – einen Biberdamm auf eigene Faust herauszureißen, ist eine Straftat. Doch André Holzinger reißt keinen Damm ganz raus. Und – genauso wichtig – er spricht alle seine Aktionen gegen den Biber mit Maximilian Gebhardt ab, dem Biberbeauftragten des Landkreises Donau-Ries. Deswegen hat Maximilian Gebhardt nichts dagegen: "Der Herr Holzinger darf mit Rücksprache von uns den Biber ärgern, wenn er einfach sagt, er muss einen Damm auf ein gewisses Maß absenken."
Damm ist nicht gleich Damm
Die einen schützen den Eingang zur Burg, dem Zuhause des Bibers, andere Dämme dienen nur zur Verbesserung der Verkehrswege: Biberdämme haben unterschiedliche Funktionen. Der erste Damm nach der Burg ist existenziell. Er staut das Wasser an, damit der Eingang der Burg unter Wasser liegt. Liegt er an der Luft, zieht es hinein. Das könnte im Winter dazu führen, "dass er in seinem Bau erfriert", so der Biberbeauftragte Gebhardt. Legt man an den sogenannten "Baudamm" Hand an, muss man besonders umsichtig vorgehen. Die sogenannten "Schwimmdämme" baut der Biber, um sich die Futterbeschaffung zu erleichtern.
Bevor man einen Biberdamm manipulieren darf,
muss man jedoch in jedem Fall Kontakt aufnehmen
mit dem Biberbeauftragten.
muss man jedoch in jedem Fall Kontakt aufnehmen
mit dem Biberbeauftragten.
Was haben die Bauern davon?
Biber fressen auch gern Kulturpflanzen wie Mais und Rüben. Doch, so die Erfahrung von Landwirt Johannes Diethei aus Reimlingen: "Das Wegfressen ist marginal, eigentlich ist das Hauptproblem einfach die Überschwemmung."
Er hat einen Acker am Grosselfinger Bach bei Nördlingen – den hat der Biber im Sommer aufgestaut. Er konnte ihn schlecht bewirtschaften und am Ende ist der Dinkel auf den überschwemmten Flächen nicht richtig reif geworden. Der Ertrag hat gelitten. Für die Landwirte ist es also am wichtigsten, dass der Biber keine Überschwemmungen verursacht.
Biber ärgern ist gut für die Artenvielfalt
André Holzinger geht es in erster Linie darum, seinen Bach vor dem Biber zu schützen. Der Retzenbach soll ein frei fließender Bach sein. Mit unterschiedlichen Strömungsgeschwindigkeiten, unterschiedlichen Tiefen und kiesigen Bodenbereichen, zum Beispiel für den Fischnachwuchs. Damit die Artenvielfalt immer weiter steigt. "Und wenn ich den Biber bauen lassen würde, wie er möchte, würde er den in eine Stauseekette verwandeln, das heißt, wir hätten keine freifließende Strecke mehr." Und am Ende womöglich massive Überschwemmungen.
In solchen Fällen hat in früheren Jahren die Stadt Nördlingen einen Bagger beauftragt, den Biberdamm herauszureißen. Dabei entsteht eine plötzliche Flutwelle, die zum Beispiel Fischeier, Insektenlarven und Krebse mit sich reißt. Die Artenvielfalt im Bach sinkt gegen null. Um den Bagger zu verhindern, greift André Holzinger deshalb immer wieder zur Kartoffelhacke.
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