Freitag, 6. Dezember 2024

Dieser Herbst erinnert uns daran: Schlimmer als jeder dürftige Kompromiss ist der Unwillen, ihn zu schließen

Ich kenne beide Seiten der Medaille: Manchmal nervt es ganz gewaltig, wenn man ein klares Ziel vor Augen hat. Und dann muss man auch noch einen Kompromiss schließen, der alles verwässert.....Politik ist auf jeder Ebene nervtötend.
Aktivismus ist genauso nervig: man kann protestieren so viel man will und wird dann einfach durch die bestehende Macht ausgebremst. Solange wir keine besseren Mittel an der Hand haben, müssen wir versuchen das Beste aus Beidem heraus zu ziehen und zu verbinden!

Zeit hier  Ein Kommentar von Stefan Schmitt  Aus der ZEIT Nr. 52/2024  4. Dezember 2024 

Umweltkonferenzen: Das ist der Gipfel

Artensterben, Klimakrise, Plastikmüll – eine Umweltkonferenz nach der anderen scheitert. Was gibt Hoffnung? 

Umweltkonferenzen: Bei Umweltkonferenzen muss der maximale globale Kompromiss erreicht werden, dem alle am Ende zustimmen. Kann ja nicht gehen? Ging aber bisher!

Kunststoff, also Plastik, wird vor allem aus Erdöl hergestellt. Dabei entstehen Emissionen und später weitere, wenn das Plastik, oft nach nur einmaligem Einsatz, verbrannt wird. Oder es müllt die Landschaft, den Planeten, zu. Bis zur Jahrhundertmitte könnte die Plastikproduktion sich verdoppeln, haben Forscher berechnet. Das Aufkommen an Plastikmüll könnte sich bis 2060 gar verdreifachen, warnen wiederum Ökonomen der OECD.

Natürlich sind das Extrapolationen über drei Jahrzehnte, und sie basieren auf der Annahme, dass die Welt nichts tut. Bloß: Die Welt tut ja tatsächlich nichts. Um der Kunststoff-Eskalation Einhalt zu gebieten, verhandeln die Staaten der Welt über eine UN-Plastikkonvention. Vergangene Woche hätte sie im südkoreanischen Busan fertig formuliert werden sollen. Stattdessen aber konnte man sich am Sonntag nur auf eines verständigen: sich zu vertagen. Auf der Zielgeraden der Verhandlung hatte eine Gruppe von Ölstaaten um Saudi-Arabien und Russland den Kompromiss blockiert, für den sich hundert andere Länder eingesetzt hatten.

Kann ja nicht gehen? Ging aber bisher!
So leben wir nun in einem Herbst ohne Einigung. Erst im Oktober endete der UN-Gipfel zum Artenschutz ohne den erhofften Durchbruch. Im November brachte der Klimagipfel von Baku vor allem Ernüchterung. Auch dort waren übrigens die Saudis durch Obstruktion aufgefallen, während die amerikanische Delegation infolge der US-Präsidentschaftswahl praktisch paralysiert war, die argentinischen Verhandler gar mittendrin abreisten und Gastgeber Aserbaidschan dabei erwischt wurde, wie er nebenbei Gasdeals einfädelte, uff. 

Nun die Plastikkonferenz ohne Plastikabkommen. Wie deprimierend! Dabei sind Natur, Klima, Müll eigentlich Bereiche, die nicht unmittelbar ideologisch oder geopolitisch markiert sind – oder es zumindest bisher nicht waren. Schon bevor Donald Trump, die Ikone des schamlosen Eigennutzes, wieder das Weiße Haus übernimmt, scheint der Weltgemeinschaft ihre Fähigkeit verloren zu gehen, einen Konsens zu finden.

Und der wäre nun einmal nötig. Denn bei Verhandlungen dieser Art genügt ein Mehrheitsbeschluss nicht. Stattdessen muss der maximale globale Kompromiss erreicht werden, dem alle am Ende zustimmen.

Kann ja nicht gehen? Ging aber bisher! Trotz aller Konflikte zwischen Einzelinteressen hat man sich auf früheren Gipfeln durchaus einigen können, ob nun über den Klimaschutz (Paris 2015), auf die Rettung der Artenvielfalt (Montreal 2022) oder die dringende Notwendigkeit einer Plastikkonvention (Nairobi 2022).

Die düstere Ahnung, die schon die schleppenden Verhandlungen von Baku genährt hat, wird jetzt vom Scheitern in Busan weiter verstärkt: dass die Zeit globaler Übereinkünfte einstweilen vorüber ist.

Was an deren Stelle treten soll? Spätestens seit Baku ruhen viele Hoffnungen auf Koalitionen williger Staaten, die sich ambitioniertere Ziele setzen, als im Konsensverfahren erreicht werden können. Vorzupreschen steht ja jedem frei, und sei es zum eigenen Vorteil. In bestimmten Bereichen verspricht das Erfolg, etwa um auch künftig konkurrenzfähige Energie-, Mobilitäts- und Umwelttechnik verkaufen zu können. Solche Ambition wäre dann weniger moralisches Vorbildgehabe in einer Welt, die sich davon eh nicht beeindrucken lässt, es wäre Innovationspolitik. Ist ja auch nicht schlecht.

Aber bei der Vermüllung der Welt, dem Schwund von Wildnis und natürlicher Vielfalt? Da muss man großer Ingenieursoptimist sein, um an tolle Erfindungen zu glauben, die bald solarboommäßig und elektroautoeffizient das Problem wegrollen werden. – Nein, einen Schutz für die globalen Gemeingüter verspricht nur eine mühevolle, allzu schlecht beleumundete Kulturtechnik. Sie heißt: Kompromiss. Dieser Herbst erinnert uns daran: Schlimmer als jeder dürftige Kompromiss ist der Unwillen, ihn zu schließen.

Die Saudis richten bis Mitte Dezember die UN-Konferenz zur Bekämpfung der Wüstenbildung aus. Auf einmal Gipfel-Gastgeber, den man an den Ergebnissen messen wird: Das nennt man wohl Karma.

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