Auszug aus dem Newsletter von Rico Grimm December 24th, 2024 | Online lesen
Das waren die wichtigsten Cleantech-Trends des JahresWir schauen auf Solar, Batterien, Wasserstoff, Geoengineering und Europas Cleantech-Jahr.
1. Solar everywhere and all at once
Es kündigte sich seit 2021 in Form immer schneller fallender Preise für Solarzellen bereits an: in diesem Jahr erreichte Solarkraft Fluchtgeschwindigkeit. Die Technologie ist in ihre exponentielle Phase getreten.
Die britische Wirtschaftszeitschrift Economist sprach deswegen vom beginnenden „Solarzeitalter“ und das ist in meinen Augen keine Übertreibung.
Auch wenn es auf die alten Hasen der Energiewende etwas skurill wirken mag: Erst jetzt wird vielen Menschen klar, welches Potenzial in dieser Technologie schlummert.
... Den rasanten Rollout der herkömmlichen Solarmodule begleiteten technologische und kommerzielle Durchbrüche in der nächsten Modul-Generation, in Perowskit-Solarzellen. Zunehmend stellen die Betreiber ihre Solarmodule auch vertikal in Ost-West-Richtung auf und mehr und mehr Geschäftsmodelle versuchen sich in der Peripherie zu etablieren. Das ist ein gutes Zeichen, weil es zeigt, dass sich das Solarökosystem ausdifferenziert und anpasst.
Der Solarboom hat dabei speziell Deutschland vor Augen geführt, dass viel Solarerzeugung andere Denkweisen erzwingt. Im Stromnetz gibt es im Sommer Überschüsse und am Strommarkt deswegen auch immer wieder negative Preise. Diese lassen sich nicht anders denn als Achtungssignal interpretieren.
Wir stehen am Anfang des Solarzeitalters. Das bedeutet aber eben auch: Wir stehen am Anfang der ganzen Arbeit. Marktdesign, Speicherintegration, Netzbetrieb – das sind die größten Baustellen, wie dieses Jahr gezeigt hat.
2. Der Batteriemarkt vibriert und löst in Europa ein Beben aus
Nicht nur das Solarzeitalter hat begonnen, sondern auch das Batteriezeitalter. Die beiden Technologien bilden im heutigen Strommarkt eine Symbiose. Sie ergänzen einander so, dass jede ihre Stärken ausspielen kann.
Batterien treiben immer größere, immer kräftigere Maschinen an, vom LKW bis zum Bagger. Sie sind immer öfter Teil der öffentlichen Stromversorgung als Großspeicher im Netz. 161 Gigawatt Speicherleistung wollen Unternehmen allein in Deutschland anschließen. Das macht knapp ein Fünftel des Bedarfs Mitte des Jahrhunderts aus. Der Markt boomt. Ein „Batterie-Tsunami“ rollt heran. ...
3. WASSERSTOFF! Wasserstoff! Wasserstoff!
2024 hörten wir nur noch das ferne Echo des Wasserstoff-Hypes, der vor fünf Jahren die Regierungen der Welt ergriffen hatte. Zwar wird Deutschland ein Kernnetz bekommen, um das Gas durchs Land zu transportieren.
Aber noch immer ist nicht wirklich klar, ob es jemals genug bezahlbaren grünen Wasserstoff geben wird, um ihn überall dort einzusetzen, wofür er mal vorgesehen war. Grundsätzlich gäbe es vor allem in Europa genug Elektrolyseure, um Wasserstoff herzustellen. Aber der Markt sitzt auf Überkapazitäten. Es fehlen die Abnehmer für das Endprodukt, den grünen Wasserstoff.
Das ließe sich pessimistisch interpretieren oder konstruktiv: Wasserstoff erhält jetzt endlich den Realitätscheck, nachdem zwei Jahrzehnte lang in der Ausprobier- und Konzeptphase alles ging. Das Wasserstoff-Auto ist auf dem Weg ins Technikmuseum, im LKW-Bereich setzen sich die 100%-Stromer durch, H2-Züge sind theoretisch interessant, aber praktisch problematisch.
Es werden all jene Anwendungen bleiben, bei denen Wasserstoff wirklich unschlagbar ist. Das sind vor allem Langzeitspeicherung und als Grundstoff in der chemischen Industrie.
4. CO₂-Abscheidung und Geoengineering – es wird Ernst
Wer aus dem Aktivismus kommt, musste in den vergangenen zwölf Monaten hellwach sein. Denn wir haben eine Diskursverschiebung beobachtet bei jenen Technologien, die gemeinhin als Notnagel des Klimaschutzes galten.
...Der Markt entfaltet sich dabei entlang zweier Achsen: CO₂ ist unabdingbarer Rohstoff, um synthetische Kraftstoffe herzustellen, aber dafür muss es der Atmosphäre entnommen werden. Außerdem merken immer mehr Unternehmen, dass sie derzeit nicht ihre kompletten Produktionsketten dekarbonisieren können und wollen deswegen CO₂-Zertifikate kaufen. Ein Sonderfall hier stellen die Tech-Riesen dar, die eigentlich allesamt auf guten Dekarbonisierungspfaden waren, aber durch den Stromhunger von KIs händeringend nach Lösungen suchen.
Parallel dazu wird Geoengineering allgemein (CO₂-Abscheidung ist eine spezielle Form davon) immer öfter Thema in Branchenforen, großen Medien und Regierungsinstitutionen.
Ich kann dir dafür nicht den einen großen Beleg geben, sondern viele kleine Indizien. Hier wird der UN-Generalsekretär aufgefordert, eine Debatte darüber zu starten, dieses windige Start-Up sieht da einen Markt und auch die Klimawissenschaft selbst hat die Debatte, wenn auch ungewollt, befeuert.
Denn die wahrscheinlich wichtigste Diskussion des Jahres drehte sich dort um die Rolle von Aerosolen bei der Erderwärmung. Weil Kohlekraftwerke und Schiffe sauberer geworden sind, ist der Partikelteppich aus der Luft verschwunden, der Sonnenenergie zurück ins All geschickt hat.
Nun stellen sich viele die Frage: Sollten wir diesen Teppich vielleicht wieder gezielt ausrollen?
5. Europa ist im Cleantech-Bereich ein Hans Dampf in allen Gassen – der betrunken ist
Die Europäische Union war 2019 der erste große Machtblock, der mit seinem Green Deal, die grüne Transformation einleitete. Heute ist er hinter China und die USA zurückgefallen.
China produziert in einigen Bereichen wie E-Autos und Lithium-Ionen-Batterien die besseren Produkte und die USA können mit der vollen Wucht ihres Kapitalmarkts das Problem angehen.
Europa fehlte es nicht an Ambition. Auf allen wichtigen Feldern drückten Regierungen und Kommission aufs Gaspedal. In Forschung und Entwicklung können wir Europäer oft mithalten, grundsätzlich gibt es im EU-Binnenmarkt auch die Nachfrage, aber ein paar Jahre später bei der Markteinführung wird die Luft oft dünn.
Das ist keine originelle Beobachtung, hat aber im Cleantech-Bereich besondere Relevanz, weil die Markteinführung dort oft sehr teuer ist.
Grüne Software-Startups beiseite gelassen, müssen Cleantech-Firmen sehr oft hohe Investitionen mit unklarem Ertrag stemmen. In diesem Jahr wiesen vor allem die Risikokapitalgeber in Europa darauf hin, dass es nur wenige Firmen, Institutionen, Banken oder Fonds gibt, die solche Investitionen überhaupt finanzieren können. Sie nennen es die FOAK-Lücke.
Gleichzeitig schüren Politiker und Politikerinnen die Angst vor den neuen Technologien, säen Zweifel an eigentlich bereits fest verankerten Beschlüssen und schrecken so auch jene Kapitalgeber an, die grundsätzlich bereit sind, das Risiko zu schultern. ....
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