Standard hier Alexander Hahn, Benedikt Narodoslawsky, Günther Strobl 6. Dezember 2024
Erderwärmung lässt sich leugnen, aber nicht die Vorteile von KlimaschutzNachhaltig aus purem Eigennutz: Egal ob man die menschengemachte Erderwärmung anerkennt oder nicht – Klimaschutz macht auch sonst auf vielen Ebenen Sinn. Wirtschaft, Geldbörse und Gesundheit profitieren
Eigentlich ist es in der Wissenschaft längst weitgehend unbestritten, dass es auf der Erde immer wärmer wird und dass die Menschheit durch das Verbrennen fossiler Rohstoffe das ihre dazu beiträgt. Obwohl diese Erkenntnis keineswegs neu ist, scheint sie in der Politik, der Gesellschaft und auch der Wirtschaft Mitte der 2020er-Jahre immer seltener auf fruchtbaren Boden zu fallen. Das legen zumindest die jüngsten Entwicklungen nahe: Immer mehr Menschen weisen die Idee des menschengemachten Klimawandels von sich und wählen klimaskeptische Politiker wie Donald Trump im fernen Amerika oder hierzulande Herbert Kickl.
Die Folgen dieser Entwicklung lassen sich bisher nur erahnen. Trump hatte sich etwa während seiner ersten Amtszeit als US-Präsident aus dem Pariser Klimaabkommen zurückgezogen, bevor sein Nachfolger Joe Biden diesen Schritt 2021 rückgängig machte. Die deutsche Klimaökonomin Claudia Kemfert erwartet, dass Trump dem Abkommen neuerlich den Rücken kehrt und womöglich auch aus der UN-Klimarahmenkonvention aussteigt. Stattdessen spornt der angehende Präsident unter dem Motto "Drill, Baby, Drill" bereits jetzt die fossile Förderindustrie des Landes zu künftigen Höchstleistungen an. Macht es dann überhaupt noch Sinn, als kleines Land wie Österreich weiterhin auf Maßnahmen für den Klimaschutz zu setzen?
Sinnvoll für Land und Bewohner
Durchaus. Diese können nämlich auf mehreren Ebenen sinnvoll für das Land und seine Bewohner sein. Selbst wenn man sich selbst nicht dazu berufen fühlt, die Erderwärmung zu bremsen, sollte man sich dennoch einige Aspekte vor Augen halten: Weniger Ausgaben für Importe von teuren fossilen Brennstoffen bedeuten, dass Jahr für Jahr weniger Kapital ins Ausland fließt, das dann der Binnenwirtschaft fehlt. Stattdessen können die erneuerbaren Alternativen hier im Land erzeugt werden, was die Versorgungssicherheit erhöht.
Aber auch auf persönlicher Ebene können sich klimarelevante Investitionen auszahlen für die eigene Geldbörse. Ebenso für die Gesundheit, wenn Menschen ihre fossile Komfortzone verlassen und ihre Mobilität dahingehend umstellen, dass sie sich im Alltag etwas mehr bewegen.
Investitionen statt Kapitalexporte
Warum Erdöl auch als schwarzes Gold bezeichnet wird, zeigt die erstaunliche Entwicklung Saudi-Arabiens. Seit 1960 ist die Bevölkerung von 4,1 auf 37,5 Millionen Menschen angewachsen, die Wirtschaftsleistung explodierte im selben Zeitraum geradezu von 1,75 Milliarden auf nunmehr 1,1 Billionen US-Dollar. Nährboden dieses Wohlstands, der sich inzwischen in dekadent anmutenden Auswüchsen wie Skihallen in der Wüste manifestiert, waren Exporteinnahmen mit fossilen Brennstoffen. Wer mag diesen raketenhaften Aufstieg bezahlt haben? Ein Blick in Österreichs Handelsbilanz gibt erste Hinweise: Allein im Vorjahr flossen fast 9,3 Milliarden Euro für den Import von Rohöl und Ölprodukten ins Ausland, dazu kommen weitere fünf Milliarden für Erdgas und eine weitere Milliarde für Kohle.
Auch wenn diese Gleichung etwas vereinfacht ist, gibt Wifo-Ökonomin Claudia Kettner doch zu bedenken: "Wenn man nicht für Importe bezahlen muss, kann man das Geld für etwas anderes verwenden." Sprich, alles, was an fossilen Energieträgern durch hier in Österreich erzeugte erneuerbare Energien ersetzt werden kann, schafft hierzulande Wohlstand statt in fossilen Exportländern wie Saudi-Arabien. Wobei Kettner darauf hinweist, dass dieser Effekt etwa bei Solarstrom geringer ausfällt als bei Wasserkraft, da zuvor die Photovoltaikanlagen importiert werden müssen. Allerdings gibt es bei Wasserkraft in Österreich nicht mehr viel Spielraum für den weiteren Ausbau – anders als bei Energiegewinnung aus Wind, Sonne oder Biomasse.
Auf die Energiepreise könnten Erneuerbare dämpfend wirken, was auch die Industrie hierzulande unterstützen würde. "In der Betriebsphase sind Photovoltaik und Wind die billigsten Technologien. Auch Wasserkraft ist sehr günstig", sagt Kettner. Allerdings gilt auch hier das sogenannte Merit-Order-Prinzip, wonach die teuerste Form der Stromerzeugung den Marktpreis vorgibt. Und das ist jene aus fossilen Rohstoffen, was nach Beginn des Ukrainekriegs den Inflationsschub in Österreich enorm angeheizt hat.
Energieeffizienz, Photovoltaik und Öffis helfen sparen
Die günstigste Kilowattstunde Strom ist die nicht konsumierte. Das trifft im Übrigen auch auf Gas und andere Energieträger zu, deren Verbrauch in Kubikmeter oder anderen Maßeinheiten angegeben wird. Auch wenn man nichts mit Klimaschutz am Hut hat, können Investitionen in energiesparende Maßnahmen sinnvoll und lohnend sein, weil sie mittel- bis langfristig sparen helfen. Das treffe insbesondere auf energieeffiziente Haushaltsgeräte zu, sagt Wifo-Expertin Kettner, die sich mit Klima-, Umwelt- und Ressourcenökonomie beschäftigt.
Insbesondere jetzt, wo die Strompreise vergleichsweise hoch sind, zahle sich die Anschaffung eines Kühlschranks, Elektroherds oder Geschirrspülers der höchsten Effizienzklasse aus. Dabei gelte es, Preise zu vergleichen. Die Anschaffungskosten würden sich nicht mehr so stark nach der Energieeffizienz unterscheiden, sagt die Ökonomin. Von einem frühzeitigen Austausch eines stromfressenden Geräts gegen ein energieeffizientes rät Kettner aber ab. Das sei meist mit zusätzlichen Kosten verbunden und auch nicht umweltfreundlich.
Wer die Chance habe, eine Solaranlage auf dem Dach zu installieren, sollte auch das tun. Am meisten sparten Personen über den Lebenszyklus hinweg, die einen großen Eigenbedarf an Strom hätten – sprich: Elektroautos zu Hause laden, eine Wärmepumpe installiert haben oder eine Heimsauna betreiben. In all diesen Fällen amortisiere sich eine Photovoltaikanlage in vergleichsweise kurzer Zeit. Eine Großinvestition zur nachträglichen Isolierung einer Wohnung oder eines Hauses mache aus umweltpolitischen Gesichtspunkten jedenfalls Sinn. Ob sich das aber auch rein ökonomisch rechne, müsse man sich von Fall zu Fall anschauen.
Sparen könne auch, wer sein Auto stehen lasse oder sich erst gar keines anschaffe. Durch Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel und Kauf einer Jahreskarte seien riesige Kosteneinsparungen möglich. Das gehe freilich nur dort, wo die entsprechende Infrastruktur vorhanden sei – sprich in der Stadt, weniger auf dem Land.
Weniger Lärm und Schadstoffe
Hitzekollaps, Ausbreitung von Allergien, Verletzungen durch Wetterextreme: Höhere Temperaturen setzen Menschen auf vielfältige Weise zu, schreiben die österreichischen Umweltmediziner Hans-Peter Hutter, Hanns Moshammer und Peter Wallner in ihrem Buch Klimawandel und Gesundheit. Die Hitzewelle im Jahr 2003 kostete einer Studie zufolge mehr als 70.000 Europäer das Leben. 2018 starben in Österreich laut der Gesundheitsagentur Ages 550 Menschen aufgrund der Hitze – deutlich mehr als im Verkehr (409).
Maßnahmen für Klimaschutz verringern nicht nur das Risiko für die Bevölkerung, sondern fördern auch die Gesundheit. Ein starker Hebel ist dabei die Ernährung. Weniger Fleisch, dafür mehr Gemüse und Obst nützen der Welt und einem selbst. Dadurch können in Österreich "bis zu 19 Prozent der vorzeitigen Sterbefälle verhindert werden", erklärt Österreichs Klimaforschernetzwerk CCCA.
Ein ähnliches Bild zeigt sich beim Sorgenkind der heimischen Klimapolitik, dem Verkehr. In keinem Bereich sind die Emissionen in den vergangenen Jahrzehnten so stark gestiegen. Eine alte Faustregel in der Verkehrspolitik besagt: Wer Straßen sät, wird Autos ernten. Wer stattdessen Fahrradwege errichtet, bekommt Radlerinnen und Radler. Genau diese aktive Mobilität empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation (WHO). Ihr zufolge sollen sich Menschen mindestens 150 Minuten in der Woche bei mittlerer Intensität körperlich betätigen. Deshalb fordert die WHO Länder und Gemeinden auf, Möglichkeiten zu schaffen, damit Menschen sich regelmäßig bewegen können: "Beispiele für diese Empfehlungen sind Maßnahmen, die den Zugang zu Fuß, mit dem Fahrrad und mit nicht motorisierten Verkehrsmitteln sicherstellen."
Selbst die umstrittenen Tempolimits dienen der Gesundheit. Sie drosseln den Lärmpegel, die Menge an Luftschadstoffen und die Zahl der Verkehrsopfer. Ein Beispiel dafür: Frankreich senkte 2018 das Tempolimit auf Landstraßen auf 80 km/h. Laut einer Studie sank die Zahl der Verkehrstoten daraufhin um zehn Prozent. (Alexander Hahn, Benedikt Narodoslawsky, Günther Strobl, 6.12.2024)
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