Mittwoch, 11. Dezember 2024

Elektroautos sind keine Nischenprodukte mehr – zumindest nicht in den Produktionshallen

 hier  Berliner Zeitung  Artikel von Chiara Maria Leister •10.12.24

Elektroautos: Produktion boomt plötzlich – doch in Deutschland will sie keiner

Es ist das erste Elektroauto von Ford aus Europa. In den Kölner Produktionsstandort wurden rund zwei Milliarden Euro investiert.

Elektroautos sind keine Nischenprodukte mehr – zumindest nicht in den Produktionshallen. Aktuelle Zahlen unterstreichen den Fortschritt der deutschen Automobilindustrie: Im Oktober 2024 wurde ein historischer Rekord aufgestellt. Mit über 143.000 gefertigten Elektrofahrzeugen legte die Produktion im Vergleich zum Vorjahresmonat um beeindruckende 38 Prozent zu.

Besonders bemerkenswert: Von diesen Fahrzeugen waren 109.400 rein batterieelektrisch – ein Zuwachs von satten 54 Prozent. Noch nie zuvor liefen in einem Monat so viele Elektroautos von den Bändern deutscher Werke. Während die Produktionszahlen steigen, bricht die Nachfrage auf dem heimischen Markt weiter ein. Was ist da los?

Auch der Elektroanteil an der Gesamtproduktion lag im Oktober bei 38 Prozent und damit ebenfalls so hoch wie nie zuvor. Insgesamt wurden in den ersten elf Monaten des Jahres mit 1,1 Millionen Einheiten fünf Prozent mehr Elektrofahrzeuge als im Vorjahr produziert. Doch diese Erfolgsmeldung hat einen Haken.

Während die Produktionszahlen von Elektroautos in Deutschland Rekordhöhen erreichen, zeigt sich auf dem heimischen Markt ein gegensätzliches Bild: Die Nachfrage nach Elektrofahrzeugen ist im November 2024 erneut deutlich zurückgegangen. Laut Daten des Kraftfahrt-Bundesamts (KBA) wurden knapp 35.200 batterieelektrische Pkw neu zugelassen, was einem Rückgang von fast 22 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat entspricht. Der Anteil von E-Autos an den gesamten Neuzulassungen betrug nur 14,4 Prozent.

Käufer wollen keine Extras mehr: Das wird für deutsche Autobauer zum Problem

Die Ursachen liegen auf der Hand. Die Streichung des Umweltbonus Ende 2023 hat viele potenzielle Käufer verunsichert. „Das war ein folgenreicher Fehler“, sagt eine Sprecherin des Verbands der Automobilindustrie (VDA) auf Anfrage der Berliner Zeitung. Die Entscheidung habe die Verbraucher verunsichert. Hinzu komme „eine schwierige allgemeine konjunkturelle Lage“.

Ein weiterer Grund ist, dass die Ladeinfrastruktur in Deutschland immer noch hinter den Erwartungen zurückbleibt. Zum Vergleich: Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2030 eine Million öffentlich zugängliche Ladepunkte für Elektrofahrzeuge zu installieren. Derzeit sind rund 140.000 solcher Ladepunkte in Betrieb. Besonders im ländlichen Raum fehlen Schnellladestationen, was die Alltagstauglichkeit von Elektroautos einschränkt. Die Entwicklung steht im Kontrast zur steigenden Produktion und wirft Fragen zur zukünftigen Marktentwicklung auf.

Ein Blick auf die Exportzahlen schafft Aufklärung. Der Anteil batterieelektrischer Fahrzeuge an der inländischen Produktion hat sich laut der VDA-Sprecherin von zwei Prozent im Jahr 2019 auf 23 Prozent im Jahr 2024 erhöht, in diesem Jahr werden hierzulande etwa 1,3 Millionen E-Pkw produziert. „Deutschland ist weltweit hinter China der zweitwichtigste E-Produktionsstandort der Welt und der wichtigste in Europa“, sagt sie. Die Exportquote Deutschlands lag im Monat Oktober bei 79 Prozent – das heißt, fast acht von zehn E-Autos wurden exportiert. Die Top-3-Destinationen waren laut der Sprecherin in den ersten zehn Monaten dieses Jahres Großbritannien mit 117.000 Einheiten (+ neun Prozent), die USA mit 86.000 Einheiten (+ 18 Prozent) und Frankreich mit 78.000 Einheiten (+ 25 Prozent).

Während der deutsche Markt schwächelt, boomt der Verkauf deutscher Elektroautos im Ausland. Auch Länder wie Norwegen und die Niederlande treiben den Absatz an. Allein im November wurden 300.900 Fahrzeuge exportiert – ein Plus von zwei Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. Damit kompensiert der Export teilweise die schwache Inlandsnachfrage.

„Wir bauen in unseren Werken in Deutschland die Fahrzeuge also sowohl für den lokalen Markt als auch für den Export“, sagt eine Sprecherin der BMW Group auf Anfrage. Daher seien die Volumen von in Deutschland produzierten und verkauften batteriebetriebenen Elektrofahrzeugen auch unterschiedlich. Aussagen zu monatlichen Produktionsvolumen kommentiert sie nicht. Genauso sieht es bei Volkswagen aus. „Produktionszahlen schlagen sich in der Regel erst mit zeitlichem Verzug in den Zulassungszahlen nieder“, sagt ein Sprecher zudem. Vom deutschen Autobauer Mercedes-Benz gab es bisher noch keine Rückmeldung.

Warum fragen andere Länder deutsche E-Autos besonders nach? Norwegen und die Niederlande profitieren beispielsweise von ambitionierten Förderprogrammen und einem systematischen Ausbau der Ladeinfrastruktur. Norwegen hat mit großzügigen steuerlichen Anreizen, wie der Befreiung von der Mehrwertsteuer und geringeren Mautgebühren, den Kauf von Elektroautos stark gefördert. Gleichzeitig wurden Schnellladestationen gezielt entlang der Hauptverkehrsrouten und in abgelegenen Regionen errichtet, um eine flächendeckende Versorgung zu gewährleisten.

Auch die Niederlande setzen auf staatliche Kaufanreize und haben eines der dichtesten Netze an Ladestationen in Europa geschaffen. Diese Kombination aus finanziellen Vorteilen und einfacher Nutzung hat die Elektromobilität in beiden Ländern stark vorangetrieben. Deutschland profitiert davon, da ein signifikanter Anteil der dort zugelassenen Elektrofahrzeuge aus deutschen Produktionsstätten stammt.

Trotz der Rekordproduktion steht die deutsche Elektroauto-Industrie vor einem Paradoxon: Während die Produktionshallen auf Hochtouren laufen, bleibt die Nachfrage in Deutschland verhalten. Der VDA mahnt, dass ohne gezielte Maßnahmen und verlässliche Strategien die Elektromobilität im Inland stagnieren könnte. Gleichzeitig ist unklar, wie lange der internationale Markt das Wachstum tragen kann.

Hier entgegnet die VDA-Sprecherin aber, dass die deutsche Automobilindustrie große Summen in die Transformation und die klimaneutrale Mobilität von morgen investiert. „Etwa 280 Milliarden Euro fließen in den Jahren 2024 bis 2028 allein in den Bereich Forschung und Entwicklung, weitere rund 130 Milliarden Euro in den Umbau und Neubau von Werken sowie deren Ausstattung“, sagt sie.

Es zeigt sich: Der Weg zur Elektromobilität ist kein Sprint, sondern ein Marathon. Und die Herausforderung liegt nicht nur in der Produktion, sondern vor allem darin, die Verbraucher auf die Reise mitzunehmen – auch die inländischen. Fraglich bleibt, ob Deutschland dieser Kurs gelingt.

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