Wer hätte das gedacht, dass wir so eine Aussage noch jemals mit Minister Wissing in Verbindung bringen würden? War er für uns nicht lange der unbelehrbare Autominister, der für die Bahn nur wenig Interesse zeigte? Was war da los, während der Ampel-Koalition?
Die Ampel-Zeit hat letztendlich doch noch unerwartet schöne Blüten hervorgebracht, das haben wir auch bei der Biodiversität erlebt. Freuen wir uns darüber, dass nach dem offiziellen Ampel-Bruch so Einiges und Unerwartetes umgesetzt werden konnte. Und auch darüber, dass in Minister Wissing offenbar mehr steckt als lange gedacht. Welche Bilanz hätte die Koalition unter diesen Bedingungen schaffen können!
Zeit hier 30. Dezember 2024 Quelle: ZEIT ONLINE, dpa, isd
17 Milliarden Euro sind in diesem Jahr in die Bahn-Infrastruktur geflossen. Für die Kunden bedeutet das laut einem Manager: "Erst mal wird es nicht schlechter."
Die Deutsche Bahn hat seit Jahresbeginn knapp 17 Milliarden Euro in Schienen, Bahnhöfe und andere Teile der Infrastruktur investiert – und damit nach eigenen Angaben einen entscheidenden Sanierungsschritt erreicht. "In dieser Größenordnung ist seit vielen Jahren nicht ins Schienennetz investiert worden", sagte der Chef der Bahn-Infrastrukturgesellschaft InfraGo, Philipp Nagl, der Nachrichtenagentur dpa. "Das ist einfach der Wendepunkt, den es braucht."
Erstmals steige der seit Jahren wachsende Investitionsrückstau nicht weiter an, sagte Nagl. "Wir werden den Wendepunkt erreichen, nämlich, dass wir die Infrastruktur nicht weiter überaltern lassen." Zugleich machte Nagl deutlich, dass die bundeseigene DB für eine Trendwende in den kommenden Jahren ähnlich viel Geld für eine bessere Infrastruktur brauche.
"Wenn wir jetzt die nächsten zwei, drei Jahre auf diesem Niveau weiter investieren, dann wird man im ganzen Netz in der Breite spüren, dass die Störanfälligkeit der Infrastruktur sinkt und die Qualität des Zugverkehrs zunimmt", sagte Nagl. Man sei jedoch am Anfang. "Erst mal wird es nicht weiter schlechter, und das ist schon ein Erfolg." Nach so vielen Jahren, "die es auf der Treppe in den Keller hinabging", müsse es jetzt wieder hinaufgehen.
Investitionen des Bundes nach Ampel-Aus unklar
Insgesamt hat der Bund der DB in diesem Jahr rund 16,9 Milliarden Euro für die Infrastruktur zur Verfügung gestellt. In den Vorjahren waren es fast immer weniger als zehn Milliarden Euro gewesen. Wie viel Geld die Bahn 2025 vom Bund bekommen wird, ist unklar, da der Haushalt für das nächste Jahr nach dem Ampel-Aus nicht steht. Ebenso offen ist, wie die DB nach der Neuwahl des Bundestags im Februar von einer neuen Bundesregierung ausgestattet wird.
Nach Bahn-Angaben wurden in diesem Jahr unter anderem 1.851 Weichen erneuert – ein Plus von gut 30 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Außerdem seien 1.940 Kilometer Gleise verlegt, und es sei an 872 Bahnhöfen gebaut worden. Die Arbeiten reichten von neuen Aufzügen und Bänken über Wetterschutzhäuschen bis zu barrierefreien Bahnsteigen. 113 Bahnhöfe seien nach neuesten Standards zu sogenannten Zukunftsbahnhöfen ausgebaut worden.
Monatelange Sperrung auf Stammstrecke
Zu den bekanntesten Baustellen gehört die Generalsanierung der Riedbahn zwischen Frankfurt und Mannheim. Um die überalterte und überlastete Bahnstrecke rundum zu erneuern, wurde sie rund fünf Monate komplett gesperrt. Bis 2030 sollen 40 weitere wichtige Korridore generalsaniert werden.
Die DB-Tochter InfraGo wurde zu Beginn des Jahres gegründet und soll neben wirtschaftlichen auch gemeinwohlorientierte Ziele verfolgen. Dies soll sie zumindest ein Stück weit vom Gewinndruck befreien.
Die Bahn am Wendepunkt
Seit Heiligabend rollt auf der Riedbahn wieder alles. Die letzten S-Bahnen haben ihren Dienst wieder aufgenommen, umgekehrt haben die rosa Busse des Schienenersatzverkehrs ihre Arbeit eingestellt.
Erstaunlicherweise sorgt das für viel Wehmut: Etliche Bahnkunden, die in den vergangenen fünf Monaten deutlich länger für ihren Weg brauchten, weinen ihm einige Tränen nach. Neu und komfortabel waren die Ersatzbusse, sie fuhren häufiger und erwiesen sich als zuverlässiger als die Alternative auf der Schiene.
Komfortabel und verlässlich muss es jetzt weitergehen. In den ersten Tagen nach dem Abschluss der Arbeiten lief nicht alles glatt, das sorgte für Enttäuschung und Häme. Aber weder Kurzschluss noch temporäre Weichenstörung ändern das Gesamtbild: Die erste Etappe der großen Schienensanierung, die die Deutsche Bahn und ihre Kunden noch bis ins nächste Jahrzehnt beschäftigen wird, ist erfolgreich abgeschlossen.
Symbol des neuen „Deutschlandtempos“
Das ist keine Kleinigkeit, sondern ein Kraftakt ohnegleichen. Er ist nur gelungen, weil Bahn, Bauwirtschaft und Politik an einem Strang gezogen haben. Die Riedbahn-Sanierung hätte für die zerbrochene Ampelregierung noch einmal zum Symbol des neuen „Deutschlandtempos“ werden können. Doch davon sprach selbst Monate vor dem Ampel-Aus niemand mehr. Stattdessen stand FDP-Aussteiger und Bundesverkehrsminister Volker Wissing Mitte Dezember allein mit dem Bahnvorstand und Hunderten stolzer Mitarbeiter im Festzelt, um die Strecke wieder freizugeben.
Der Abschluss dieses Großprojektes dürfte ein Grund dafür sein, dass Wissing aller Parteiräson zum Trotz sein Amt nicht aufgegeben hat. Mit dem erfolgreichen Start der Generalsanierung hat er tatsächlich etwas vorzuweisen, das in der Rückschau als Wendepunkt im Bahndesaster gelten könnte.
Die erfolgreiche Riedbahn-Sanierung ist der Standard, hinter dem seine Nachfolger nicht zurückfallen dürfen. Die marode Schieneninfrastruktur lässt sich nicht mit Symbolpolitik wieder auf Vordermann bringen: ein rausgeschmissener Bahnvorstand hier, eine halbherzige Bahnreform dort. Jetzt ist weiter Fokus und Tempo gefordert. Anders wird es nicht gelingen.
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