Energiewende: So lassen sich die Kosten der Förderung erneuerbarer Energien senken
Die Kosten der Förderung erneuerbarer Energien belasten den Bundeshaushalt jährlich mit Milliardenbeträgen. Wie sich das ändern ließe, zeigt eine Prognose auf.
Die Förderung der Stromproduktion aus erneuerbaren Quellen wie Wind, Sonne oder Biomasse kostet Jahr für Jahr einen zweistelligen Milliardenbetrag. 2024 sind bislang Kosten von 17,8 Milliarden Euro aufgelaufen, in fünf Jahren werden es einer Prognose des Energiewirtschaftlichen Instituts an der Uni Köln (EWI) zufolge bereits 22,9 Milliarden Euro sein – es sei denn, die Politik steuert gegen.
Verschiedene Vorschläge liegen auf dem Tisch, darunter auch solche, die von der zerbrochenen Ampelkoalition noch auf den Weg gebracht wurden, die es am Ende aber nicht mehr durch das Gesetzgebungsverfahren geschafft haben. Das EWI hat die verschiedenen Vorschläge für das Handelsblatt analysiert.
Fazit: Große und schnelle Einspareffekte sind nicht zu erwarten. Ein Überblick.
1. Aussetzen der Förderung bei negativen Strompreisen
Stunden mit negativen Strompreisen haben in den vergangenen Jahren zugenommen, in diesem Jahr erreichte ihre Zahl neue Rekordhöhen. Einer der Hauptgründe ist der starke Ausbau der Photovoltaik: An sonnigen Tagen häufen sich die Phasen, in denen der Sonnenstrom den Strommarkt flutet und die Börsenstrompreise ins Bodenlose fallen lässt. Weil der Strom nicht mehr sinnvoll eingesetzt werden kann, bekommen Abnehmer, die ihn dennoch haben wollen, sogar noch Geld dazu.
Daraus resultieren zwei Probleme: Die Stromnetze werden überlastet, und die Kosten der Erneuerbaren-Förderung steigen. Denn die Betreiber vieler Anlagen haben einen Anspruch auf Zahlung einer Vergütung für jede produzierte Kilowattstunde Strom, die im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) für 20 Jahre festgeschrieben ist.
Die Differenz zwischen den Einnahmen aus dem Verkauf des Sonnenstroms und der Vergütung wächst, wenn die Preise an der Strombörse fallen. Erst ab der dritten Stunde mit durchgehend negativen Strompreisen entfällt die Vergütung für die Anlagenbetreiber.
Die Bundesregierung wollte durchsetzen, dass die Vergütung bereits ab der ersten Stunde mit negativen Strompreisen entfällt. Doch für die entsprechende Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) gibt es nach dem Zerbrechen der Ampelkoalition keine Mehrheit mehr. Die Unionsfraktion befürwortet zwar das Ziel, die Vergütung ab der ersten Stunde bei negativen Strompreisen auszusetzen. Aber sie will der EnWG-Novelle, die auch noch eine Reihe anderer Vorhaben enthält, nicht zustimmen.
Es wäre also Aufgabe der nächsten Bundesregierung, das Vorhaben umzusetzen.
Allerdings dämpft das EWI Hoffnungen, mit der neuen Regelung ließen sich relevante Einspareffekte erzielen: „Ein vollständiges Aussetzen des Förderanspruchs während negativer Marktpreise dürfte einen geringen Effekt auf die EEG-Förderzahlungen bedeuten. Die aktuellen Regeln zum Förderanspruch decken bereits heute einen Großteil der beobachteten negativen Strompreise ab“, sagt Philip Schnaars, Head of Research Area beim EWI.
Christoph Bauer von der Technischen Universität Darmstadt war kürzlich in einer Analyse für das Handelsblatt zu ähnlichen Ergebnissen gekommen. „Wenn Phasen mit negativen Strompreisen auftreten, halten sie ganz überwiegend über drei oder mehr Stunden an. Negative Strompreise, die sich nur über ein bis zwei Stunden erstrecken, machen nur fünf Prozent der Gesamtdauer von Phasen mit negativen Strompreisen aus.“
Im Zuge der steigenden Zahl an Stunden mit negativem Preis habe sich auch die Dauer der „Negativphasen“ verlängert, heißt es in Bauers Analyse. Demnach gab es im ersten Halbjahr 2024 insgesamt 224 Stunden mit negativen Preisen. Nur viermal trat der Fall auf, dass ein negativer Preis nur eine Stunde anhielt, dreimal hielt der negative Preis über zwei aufeinanderfolgende Stunden an.
„Ein Aufheben der aktuell geltenden Restriktion, wonach erst bei einem negativen Strompreis über einen Zeitraum von wenigstens drei Stunden“ keine Förderung mehr erfolgen würde, „würde also nur dazu führen, dass zehn Stunden zusätzlich (von insgesamt 224 Stunden) betroffen wären.“ Die Wirkung dieser Maßnahme dürfte sich daher „im Bereich der statistischen Unschärfe bewegen“, lautet Bauers Resümee.
Nach Überzeugung Bauers reicht es nicht aus, bei negativen Strompreisen ab der ersten Stunde keine Vergütung mehr zu bezahlen. Er empfiehlt, die Einspeisung bei negativen Strompreisen mit einer Strafzahlung zu belegen. Nur dann entstehe ein Anreiz, die Anlagen auch tatsächlich abzuregeln. Tatsächlich haben die Betreiber, die eine feste Einspeisevergütung erhalten, heute keinen Anreiz, die Anlage bei negativen Preisen abzuschalten. Die Gefahr einer Überlastung der Netze bleibt unvermindert bestehen. Das würde sich im Fall von Strafzahlungen rasch ändern, ist Bauer überzeugt.
2. Absenkung der Selbstvermarktungsschwelle
Große Einigkeit besteht über die Parteigrenzen hinweg, verstärkt auf die Selbstvermarktung von Photovoltaik-Strom zu setzen und die festen Einspeisevergütungen auf kleine Anlagen zu begrenzen. Die Anlagenbetreiber müssen dann den produzierten Strom selbst am Strommarkt verkaufen oder einen Dienstleister damit beauftragen.
Die Ampelkoalition wollte die Selbstvermarktungsschwelle für Neuanlagen von 100 Kilowatt (kW) auf 25 kW reduzieren, konnte aber auch dieses Vorhaben nicht mehr durchsetzen. Zur Einordnung: Photovoltaik-Anlagen auf den Dächern von Einfamilienhäusern haben in der Regel höchstens zwölf kW Leistung, sie wären also von der Regelung nicht betroffen, Photovoltaikanlagen auf Werkshallen oder Scheunendächern dagegen überwiegend schon.
Doch was würde die Absenkung der Schwelle bringen? „Der Effekt auf die Förderzahlungen wäre zumindest anfangs begrenzt“, heißt es in der EWI-Analyse. Das liegt daran, dass die Regelung nur für neue Anlagen gelten würde, weil die Altanlagen Bestandsschutz genießen.
3. Investitionskostenförderung
Statt jede einzelne Kilowattstunde Strom zu fördern, könnte man auch dazu übergehen, den Bau jedes Windrads und jeder Photovoltaikanlage mit einem Zuschuss zu fördern. „Das würde sicherstellen, dass neue Anlagen ein vollständiges Preissignal erhalten“, heißt es in der EWI-Analyse. Mit anderen Worten: Weil der Betreiber nur einen Zuschuss für den Bau der Anlage erhält, hat er hohes Interesse daran, den erzeugten Strom optimal zu verwerten.
Auch hier wäre der Effekt nach Einschätzung des EWI „zumindest anfangs begrenzt“. Allerdings entstünden laut EWI „Anreize für Investitionen in Speicher sowie Anpassungen in der Ausrichtung“ der Photovoltaikanlagen. Speicher ermöglichen es den Anlagenbetreibern, den Strom dann an die Börse zu bringen, wenn dort die Nachfrage am größten ist.
Ähnlich verhält es sich mit einer veränderten Anlagenausrichtung bei der Photovoltaik. Wenn nicht alle Anlagen nach Süden ausgerichtet werden, lässt sich auch am Vormittag und am späten Nachmittag noch Geld mit Solarstrom verdienen. Die hohe Gleichzeitigkeit der Solarstromproduktion, die heute immer wieder dafür sorgt, dass der Strompreise ins Bodenlose fällt, würde entzerrt.
4. Koordination mit dem Netzausbau
Das EEG regelt die Vergütungen für alle neu errichteten Anlagen, unabhängig davon, wo diese Anlagen gebaut werden. Die regionalen Kapazitäten der Stromnetze spielen dabei keine Rolle. Das EWI beschreibt die Folgen in seiner Analyse so: „Dadurch können zusätzliche Kosten für Netzanschluss und Netzausbau zur Reduktion und Vermeidung von Netzengpässen entstehen.“
Eine Ausrichtung des Zubaus an bestehenden Netzinfrastrukturen könnte die Zubaugeschwindigkeit der Erneuerbaren laut EWI reduzieren, den Netzausbaubedarf aber reduzieren. Da der Netzausbau zu einem relevanten Kostenfaktor der Energiewende geworden ist, dürfte die Perspektive, beim Netzausbau Kosten zu senken, die Politik interessieren.
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