Dienstag, 10. Dezember 2024

Renaturierung Donau: "Der Fluss entscheidet ... "Aber wir können ihm vertrauen, dass er aus der Freiheit etwas Schönes macht."

Standard hier Susanne Strnadl  10. Dezember 2024, 

Was passiert, wenn die Donau wieder unreguliert fließen darf

Der zweitlängste Fluss Europas wurde über die Jahrzehnte in ein enges Korsett gezwängt. Östlich von Wien wurde dieses streckenweise wieder entfernt, mit großen Wirkungen

symbolisches Bild einer Renaturierungsmaßnahme



Mit 2857 Kilometern ist die Donau nach der Wolga der zweitlängste Fluss Europas – und an sich würde sie einem konstanten Wandel unterliegen. Unter natürlichen Umständen verändert sich der Lauf eines Flusses immer wieder. Das liegt daran, dass jedes Hochwasser eine Menge Sediment mit sich führt, das an unterschiedlichen Stellen abgelagert wird und dadurch Hindernisse erzeugt, um die das Wasser herumfließen muss. Beim nächsten stärkeren Hochwasser werden diese wieder weggerissen und an anderen Stellen angehäuft.

Natürliche Dynamik formt Auen
Diese natürliche Dynamik erzeugte eine ganz eigene Landschaft, nämlich die Auen, deren Flora und Fauna hervorragend an die wechselhaften Bedingungen angepasst sind und in vielen Fällen nirgends anders überleben können. "Bis zur Regulierung 1880 wurde jeder Quadratmeter flussnaher Boden alle 20 bis 40 Jahre mindestens einmal ein Stück hinuntergesetzt", erklärt Christian Baumgartner, Leiter des Bereichs Natur und Wissenschaft des Nationalparks Donau-Auen.

Auenwälder der Donau-Seitenarme
Naturufer und Auenwälder statt Regulierungsmaßnahmen an der Donau. Wo sich die Natur wieder entfalten kann, profitieren neben Tieren und Pflanzen auch Menschen. Freifließende Gewässer mit Altarmen können bei Hochwasser Pufferzonen bilden.

Für die Menschen hingegen war die ständige Veränderung eher ein Ärgernis, das sie sich im Rahmen ihrer technischen Möglichkeiten abzustellen bemühten. Seit Beginn des 21. Jahrhunderts ist die Donau in Österreich fast auf ihrem ganzen Lauf in ein Korsett aus diversen uferbegleitenden Strukturen gezwängt, das ihren Lauf stabilisiert. Besonders augenfällig sind Buhnen oder Traversen, quer zur Fließrichtung in den Strom ragende Steinmauern, und der sogenannte Blockwurf: große Bruchsteine, von denen zehntausende Kubikmeter zur Befestigung der Ufer im Wasser deponiert wurden.

Anschluss an Donau geht verloren
Derartige Hindernisse kann ein Hochwasser bestenfalls überspülen, aber nicht wegreißen, was dazu führt, dass mitgeführtes Sediment weitgehend dort bleibt, wo es abgelagert wird. Auf diese Weise wachsen die Uferverbauung ebenso wie die Au dahinter im Lauf der Zeit in die Höhe. Unter diesen Umständen werden die Auen nur noch bei extremem Hochwasser durchspült und verlieren immer mehr den Anschluss an den Fluss. Auch wenn man es beim Spazierengehen nicht merkt: Eine solche Au ist dem Untergang geweiht – und mit ihr eine Menge spezialisierter Pflanzen- und Tierarten.

Dazu kommt, dass sich der Fluss immer tiefer in sein Bett eingräbt: Das liegt einerseits daran, dass er durch die Regulierung schneller fließt und dabei gewaltige Schottermassen vom Boden des Flussbettes stromabwärts befördert, andererseits an den zehn Donaukraftwerken, deren Staumauern den natürlichen Kiesnachschub verhindern. Diese Sohleneintiefung der Donau bewirkt ein Absinken der Oberflächen- und Grundwasserspiegel und gefährdet so das sensible Ökosystem der Auen weiter.

Auenwälder am Rande der Donau
Damit Auen und die typischen Auwälder entstehen und bestehen können, braucht es einen gewissen Grad natürlicher Dynamik im Fluss. Ansonsten wird Seitenarmen der lebenswichtige Anschluss an das Fließgewässer abgeschnitten. Darunter leiden nicht nur natürlich geformte Ufer, sondern auch jene spezialisierten Tier- und Pflanzenarten, die dort einen Lebensraum finden.

Erfolgreiche Premiere
Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, wurden im Nationalpark Donau-Auen, der unter anderem vom Klimaschutzministerium unterstützt wird, vor fast zwanzig Jahren Maßnahmen ergriffen. Diese sind nach wie vor im Gange: 2006 wurde das Donauufer gegenüber der Stadt Hainburg auf fast drei Kilometern Länge von seiner harten Steinverbauung befreit. Es handelte sich damals um das erste derartige Projekt in Europa an einem so großen Fluss wie der Donau, und es war ein voller Erfolg: Bereits kurze Zeit später bildeten sich wieder natürliche Uferstrukturen aus, etwa ein flacher Kiesstrand und eine meterhohe Steilkante.

In der Zwischenzeit wurde auch an einigen anderen Uferabschnitten östlich von Wien die Verbauung zurückgenommen. Die dafür nötigen Maßnahmen werden durch die Nationalparkverwaltung und das für die Schifffahrt zuständige Unternehmen Viadonau gemeinsam geplant und durchgeführt, wobei sie zu 60 Prozent von der EU finanziert werden. Das bislang jüngste Projekt ist die Renaturierung des Spittelauer Armes am linken Donauufer auf Höhe der Stadt Hainburg, die vor drei Jahren abgeschlossen wurde. Im 19. Jahrhundert wurde der Altarm mit Steinen von der Donau abgetrennt und war an vielen Stellen bereits ausgetrocknet.

Dem Fluss vertrauen
Bei der Entfernung der Barrieren kommt schweres Gerät zum Einsatz, das die zukünftige Au vorübergehend alles andere als natürlich aussehen lässt, aber: "Wir betreiben hier keine Landschaftsgestaltung", betont Baumgartner, "wir nehmen nur die menschlichen Bauwerke heraus, den Rest entscheidet der Fluss. Aber wir können ihm vertrauen, dass er aus der Freiheit etwas Schönes macht."

Tatsächlich bietet der ehemalige Altarm, der nun wieder ganzjährig von der Donau durchspült wird, zahlreichen Pflanzen und Tieren eine neue Heimat. So brüten hier seit der Renaturierung zwei der sechs in den Donau-Auen ansässigen Seeadler-Paare. Der größte europäische Adler war ab 1950 bei uns ausgestorben; mittlerweile gibt es wieder 40 bis 45 Brutpaare in Österreich. Außerdem wurden Hinweise darauf entdeckt, dass die Eurasische Keulenjungfer (Stylurus flavipes), eine extrem seltene Libellenart, sich hier nicht nur vorübergehend aufgehalten, sondern auch erfolgreich fortgepflanzt hat.

Platz der Donau, Schutz den Menschen
Insgesamt soll die Hälfte aller Uferbefestigungen auf den letzten beiden freien Fließstellen der Donau, der Wachau und den Donau-Auen, entfernt werden. 40 Kilometer stehen zur Befreiung an, zwölf davon sind schon realisiert, die nächsten Projekte geplant. Damit wird übrigens nicht nur die Natur geschützt, sondern auch die Menschen am Fluss, denn je mehr Platz die Donau hat, um sich bei starken Regenfällen zu verbreitern, umso weniger Hochwasser gibt es – ganz nach dem Motto "Breitwasser statt Hochwasser". Auch nicht zu verachten in Zeiten wie diesen. 

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