Große zentrale Wärmepumpen könnten über Fern- und Nahwärmenetze den gesamten deutschen Heiz- und Warmwasserbedarf bedienen – theoretisch.
"Die gesamte deutsche Wärmenachfrage bis 200 Grad Celsius lässt sich technisch vollständig durch Wärmepumpen decken." Zu diesem Ergebnis kommt eine Fraunhofer-Studie im Auftrag der Agora Energiewende. Damit lasse sich drei Viertel des deutschen Erdgasverbrauchs einsparen.
Einen besonderen Anteil daran haben Großwärmepumpen ab 500 kW Leistung, die ihre Wärme aus Geothermie, Fluss- oder Seewasser, industrieller Abwärme, Abwasser oder Grubenwasser beziehen. Mit Vorlauftemperaturen von bis zu 200 Grad Celsius könnten sie laut Studie theoretisch nicht nur den gesamten Bedarf von Gebäudeheizungen und Warmwasser decken, sondern auch ein gutes Drittel der industriellen Prozesswärme – zumindest, wenn man den Wärmebedarf und das Wärmeangebot gegenüberstellt.
Dazu müsste bis 2045 allerdings jährlich eine thermische Leistung von vier Gigawatt zugebaut werden. Derzeit sind in Deutschland nur 100 MW installiert, weitere 600 MW sind in Bau oder in Planung. In Skandinavien hingegen sind Großwärmepumpen bereits weit verbreitet.
Viele Voraussetzungen
Um den anvisierten Zubau zu erreichen, müssen eine Vielzahl von Faktoren zusammenspielen. Eine technische Herausforderung besteht darin, entsprechend hohe Vorlauftemperaturen zu erzeugen. Derzeit erreichen nur ein halbes Dutzend Aggregate auf dem Markt Temperaturen von über 130 Grad. "Technische Innovationen bei Verdichtern und Kältemitteln erlauben Leistungssteigerungen entlang drei zentraler Kriterien", heißt es in der Studie: "Erstens können höhere Zieltemperaturen und Temperaturhübe erzielt werden. Zweitens sind teils erhebliche Effizienzsteigerungen möglich. Drittens kann eine höhere Flexibilität erreicht werden, indem der Betrieb in breiteren Leistungsbereichen und mit schnelleren Lastwechseln ermöglicht wird."
Die nächste Hürde ist die Wirtschaftlichkeit. Derzeit sei der Markt für Großwärmepumpen "noch stark durch kundenspezifische Lösungen gekennzeichnet". Um die Kosten zu senken, seien stärkere Standardisierung und höhere Stückzahlen gefragt. Dies wiederum sei nur durch den richtigen politischen Rahmen möglich: bessere Förderung, schnellere Genehmigungen, verbindlichere Ziele. Entscheidend sei auch das Verhältnis von Strom- zu Gaspreisen. Dieses lasse sich zum Beispiel durch Emissionshandel oder zeitvariable Netzentgelte austarieren.
Konflikte sieht die Studie vor allem mit Blockheizkraftwerken, die oft mit Erdgas betrieben werden. Diese wurden bisher über das gleiche Instrument gefördert wie Großwärmepumpen, nämlich als "innovative Kraft-Wärme-Kopplungs-Systeme" (iKWK) in Rahmen des KWK-Gesetzes. Seit September 2022 werden sie auch über die "Bundesförderung Effiziente Wärmenetze" (BEW) gefördert.
"Die Existenz verschiedener Fördermöglichkeiten ist unnötig und ineffizient", schreiben die Autorinnen und Autoren der Studie. "Beispielsweise sind über die iKWK-Ausschreibungen auch Anlagenkonfigurationen förderfähig, bei denen die Abwärme einer auf Erdgas basierenden KWK-Anlage als Wärmequelle für eine Großwärmepumpe fungiert. Hier besteht ein Risiko, dass derartige Förderanreize dazu führen, dass fossile KWK-Anlagen länger als nötig in Betrieb bleiben und die Transformation der Wärmenetze ausgebremst wird. Das Instrument der iKWK-Förderung im KWKG ist in seiner aktuellen Form daher nicht mehr notwendig und wäre in manchen Fällen sogar kontraproduktiv."
Tiefe Geothermie und andere Alternativen
Da Großwärmepumpen vor allem in Nah- und Fernwärmenetze einspeisen, tut sich hier eine weitere Baustelle auf: Bis 2045 müssten im Schnitt jährlich 800 Kilometer neue Wärmetrassen gebaut werden, schätzt die Studie. 2020 betrug der Netto-Zubau 423 Kilometer.
Zudem fordert die Studie vom Bund, den Kommunen "verbindliche Regelungen für eine Wärmeplanung und Energie-Verteil-Strategie" aufzuerlegen. Damit können Kundinnen und Kunden erfahren, ob und wann sie mit dem Anschluss an ein Wärmenetz rechnen dürfen, und Betreiber von Wärmenetzen, welche Abwärmequellen sie nutzen können.
Zumindest beim letzten Punkt scheint es voranzugehen. Am Montag einigten sich Bundesregierung und die Energiebranche beim Fernwärmegipfel darauf, die Wärmenetze schneller auszubauen und bis 2030 die Hälfte der Fernwärme klimaneutral zu erzeugen. Zudem sollen alle Kommunen ab 10.000 Einwohnern eine Wärmeplanung vornehmen. Dabei soll zunächst der Bedarf festgestellt werden, also wie viel Wärme in einem Gebiet benötigt wird und welche Wärmeinfrastruktur vorhanden ist. Darauf soll eine Potenzialanalyse folgen, welche unterschiedlichen Energiequellen für die Wärmeversorgung verfügbar sein können.
Oft sind für die Wärmenetze auch gar keine Wärmepumpen nötig. Tiefe Geothermie etwa liefert oft schon ausreichend hohe Temperaturen. Und Niedertemperaturnetze mit weniger als 70 Grad können auch weitere Wärmequellen wie Industrieabwärme direkt nutzen.
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