Mittwoch, 28. Juni 2023

Letzten Generation: "Ermittler hören bei Gesprächen mit Journalisten nicht mehr mit" sowie "Erhebliche Zweifel wegen "krimineller Vereinigung"

Die frühere Überwachung eines Telefonanschlusses wird also dadurch gerechtfertigt, dass man während der Überwachung keine Anhaltspunkte für Terror gefunden und somit Klarheit habe? Ganz nach Pippi Langstrumpf: ich mache mir die Welt wie sie mir gefällt...

RND hier  27.06.2023,

Abhöraktion sorgte für scharfe Kritik

Dass Ermittler bei Telefonaten zwischen der Letzten Generation und Journalisten mithören, hat für harsche Kritik gesorgt. Nun rechtfertigt sich die Generalstaatsanwaltschaft - und informiert über die Einstellung der Überwachung. Der Grund dafür ist bemerkenswert.

Bayerische Ermittler haben einen als Pressekontakt genutzten Telefonanschluss der Klimaaktivisten der Gruppe Letzten Generation abgehört - diese Maßnahme aber bereits vor Bekanntwerden der Aktion beendet. Die Überwachung sei zum 26. April eingestellt worden, „nachdem auf der Grundlage der bis dahin ermittelten Erkenntnisse die weitere Überwachung nicht mehr verhältnismäßig gewesen wäre“, teilte die Generalstaatsanwaltschaft München am Dienstag mit. Zuvor sei die Verhältnismäßigkeit auch mit Blick auf den Verfassungsrang der Pressefreiheit ständig geprüft worden.

Dabei seien Generalstaatsanwaltschaft wie Amtsgericht München zu der Auffassung gelangt, dass die Maßnahme vor dem Hintergrund des Tatvorwurfes der Bildung beziehungsweise Unterstützung einer kriminellen Vereinigung als Straftat von erheblicher Bedeutung verhältnismäßig sei, um die Strukturen der Organisation aufzuklären. „Dabei sind die Organisation und Verantwortlichkeiten für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit wichtige Gesichtspunkte“, hieß es. Laut „Süddeutscher Zeitung“ hatten bayerische Ermittler seit Oktober 2022 einen Festnetzanschluss mit Berliner Vorwahl überwacht, den die Letzte Generation als ihr offizielles Pressetelefon angab.

Auswertung der überwachten Gespräche läuft noch

Die Tatsache, dass bei der Überwachung auch Journalisten als sogenannte Berufsgeheimnisträger abgehört wurden, hatte für breite Kritik gesorgt. „Die überwachten Anschlüsse wurden nach den bisherigen Erkenntnissen nicht nur für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, sondern auch für verfahrensrelevante weitere Kommunikation genutzt“, betonte nun die Generalstaatsanwaltschaft. „Insbesondere stellte das auf der Homepage der ‚Letzten Generation‘ öffentlich als ‚Pressekontakt‘ bezeichnete Festnetztelefon in organisatorischer Hinsicht einen wesentlichen Kommunikationskanal der ‚Letzten Generation‘ dar.“

Den Angaben zufolge gibt es ein Ermittlungsverfahren der Bayerischen Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus (ZET) gegen sieben Mitglieder der Letzten Generation. Im Rahmen dieses Verfahrens habe das Amtsgericht München gegen sechs der Beschuldigten auch Beschlüsse zur Überwachung der Telekommunikation erlassen. Sie wurden vom Bayerischen Landeskriminalamt im Auftrag der Generalstaatsanwaltschaft München vollzogen. Die Anschlüsse wurden laut Staatsanwaltschaft teils als Pressekontakt genutzt.

„Hervorzuheben ist, dass die Beschlüsse sich nicht gegen Journalistinnen oder Journalisten richteten“, hob die Generalstaatsanwaltschaft hervor. Allerdings seien Journalistinnen und Journalisten von den Maßnahmen mitbetroffen gewesen. Gemäß den Vorgaben würden Gespräche mit Pressevertretern, sofern sie als solche erkennbar seien, grundsätzlich als „nicht relevant“ in der Bearbeitungssoftware markiert und damit nicht Teil der Verfahrensakte. „Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn dem Inhalt eines Gesprächs Verfahrensrelevanz zukommt.“ Die Auswertung der überwachten Gespräche dauere derzeit noch an, hieß es.

RND/dpa


Von t-online, 28.06.2023 

Erhebliche Zweifel wegen "krimineller Vereinigung"

Razzien gegen "Letzte Generation": Womöglich Alleingang von bayerischer Behörde

Ist die "Letzte Generation" gefährlich? Die Generalstaatsanwaltschaft München sieht sie als "kriminelle Vereinigung". Und steht damit ziemlich alleine da.

Mehrere Behörden widersprechen indirekt dem Anfangsverdacht der Generalstaatsanwaltschaft München, wonach die "Letzte Generation" eine "kriminelle Vereinigung" darstellen soll. Über mehrere Briefwechsel, die dies nahelegen, berichtet die "Süddeutsche Zeitung". Demnach gehen weder Staatsanwaltschaft München I noch die Bundesanwaltschaft davon aus, dass die Einstufung berechtigt ist.

Es handle sich nicht um eine "terroristische Organisation" oder "kriminelle Vereinigung", hieß es demnach etwa seitens der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe Ende November. Die Münchner Staatsanwaltschaft schrieb, dass das Begehen von Straftaten nicht der Zweck der "Letzten Generation" sei. Genau das ist jedoch das Kriterium für eine "kriminelle Vereinigung".

Was sagen Ermittler in Bayern und Deutschland zur "Letzten Generation"?

In den Ausführungen der Bundesanwaltschaft heißt es zur Begründung, dass die Aktivisten keine ernsten Schäden anrichten wollten. Die Auswirkungen seien nicht drastisch genug, unter anderem auch deshalb, weil die Aktionen teils kurzfristig angekündigt werden. "Die durch den Unrechts- und Schuldgehalt bestimmte Schwere der Taten und deren Auswirkungen auf die innere Sicherheit sind aus den dargelegten Gründen gering", heißt es seitens der Bundesanwaltschaft, wie die "Süddeutsche Zeitung" zitiert.

Passend dazu folgen offenbar auch die meisten Generalstaatsanwaltschaften der Länder dieser Einschätzung. Ein ähnliches Vorgehen wie in Bayern im Mai, etwa mit Razzien bei Aktivisten mit Verbindung zur "Letzten Generation", legte bislang nur die Behörde im brandenburgischen Neuruppin an den Tag. Und auch in München hat man seine Meinung zwischenzeitlich offenbar geändert. Vor einem Jahr hieß es noch, sie sei "nicht staatsfeindlich".

Bei einer bundesweiten Razzia im Mai hatten Ermittler auf Geheiß der Generalstaatsanwaltschaft München 15 Gebäude durchsucht und offenbar versehentlich einen Warnhinweis auf der Homepage der Klimaaktivisten platziert, in dem es hieß: "Die 'Letzte Generation' stellt eine kriminelle Vereinigung gemäß § 129 StGB dar." Generalstaatsanwaltschaft und Staatsanwaltschaft München I haben auf eine Anfrage von t-online noch nicht reagiert.

Verwendete Quellen

    Anfragen an Generalstaatsanwaltschaft München und Staatsanwaltschaft München I

    Süddeutsche Zeitung: "Staatsanwälte zweifeln an Einstufung als 'kriminelle Vereinigung'" 

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