Auch hier ein herzliches Dankeschön an den Südkurier für die faire Berichterstattung
20.06.2023 hier im Südkurier Fragen: Michael Kerler
Herr Waning, nach hartem Ringen hat sich die Koalition auf einen Entwurf zum Gebäude-Energiegesetz geeinigt. Wie bewerten Sie den Kompromiss?
Der Kompromiss der Koalition ist höchst ärgerlich. Er bietet noch keine verlässlichen Rahmenbedingungen für den Hochlauf der Wärmepumpe, den die Politik von der Industrie und vom Handwerk gefordert hat. Auf dem letzten Wärmepumpen-Gipfel ist vereinbart worden, dass ab dem Jahr 2024 pro Jahr 500 000 neue Wärmepumpen geliefert und installiert werden können, damit das Ziel eines klimaneutralen Landes bis 2045 erreicht werden kann. Jetzt wird der Prozess verlangsamt. Das ist ärgerlich für die Hersteller: Sie haben fünf Milliarden Euro in Werkshallen, Maschinen, Schulungen und Produkte investiert.
Immerhin gibt es jetzt einen Zeitplan...
Der Zeitplan sieht vor, dass im Gebäudebestand zuerst die Kommunen bis spätestens 2028 eine kommunale Wärmeplanung ausarbeiten. Erst dann greift die Regel, dass neue Heizungen zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden müssen. Bis 2028 herrscht für die Kunden Orientierungslosigkeit, der Industrie und dem Handwerk fehlt Planungssicherheit. Zudem sind zahlreiche Fragen offen, das ist alles sehr bedauerlich. Am Ende aber wird sich die Wärmepumpe als Ersatz für Öl- und Gasheizungen durchsetzen, keine Frage.
Welche Fragen lässt der Gesetzentwurf offen?
Unklar ist, ob das Gesetz zum Beispiel in manchen Städten sofort greift. In Baden-Württemberg sind Kommunen bereits zu einer kommunalen Wärmeplanung verpflichtet. Was ist außerdem mit kleineren Gemeinden? Gibt es für sie Ausnahmen? Zudem sollen die Bürgerinnen und Bürger ja weiterhin Gasheizungen einbauen können, wenn sie wasserstofftauglich sind. Was aber bedeutet das? Eine 20-prozentige Beimischung wie bisher oder 100 Prozent Wasserstoff?
Welche Folgen hat die Hängepartie rund um das Gebäude-Energiegesetz?
Bei den Verbrauchern ist die Verunsicherung groß. Ankündigungen, dass Menschen über 80 Jahre ihr Heizsystem nicht ändern müssen, führen dazu, dass manche nun gar nichts tun. Andere erneuern nochmals in Panik ihre alte Gas- oder Ölheizung. Das alles ist in den Absatzzahlen spürbar: Die Nachfrage nach Öl- und Gaskesseln geht spürbar nach oben, der Absatz an Wärmepumpen knickt ein. Das ist schlecht für den Klimaschutz im Gebäudebestand. Zudem laufen die Menschen in die Falle der steigenden CO2-Abgabe, die fossile Energien verteuert.
Wie sieht es im Neubau aus?
Im Neubau ist die Wärmepumpe gesetzt. Die Zahl an Wärmepumpen im Neubau steigt und wird weiter steigen. Moderne Häuser mit Effizienzhausstandard 55 oder gar 40 genügt ein Heizsystem mit einer geringen Leistung, häufig wird in Neubaugebieten gar kein Gasnetz mehr verlegt. Im Jahr 2022 hatten bereits 57 Prozent der Neubauten eine Wärmepumpe. Das Problem ist heute eher, dass sich nur wenige Menschen einen Neubau leisten können.
Sie sagen, dass sich die Wärmepumpe am Ende durchsetzen wird. Was macht Sie so sicher?
Eine Wärmepumpe hat den unschlagbaren Vorteil mit 100 Prozent eingesetztem Strom im Schnitt 350 Prozent Wärmeoutput erzeugen zu können, also das Dreieinhalbfache. Das ist möglich, weil die Umgebungsenergie von Luft, Erde oder Grundwasser genutzt wird. Mit etwas grünem Strom und der Umgebungswärme können wir also CO2-frei heizen. Wenn wir die Klimaziele erreichen wollen, wird die Wärmepumpe eine führende Rolle einnehmen müssen.
Künftig könnte die Fernwärme der Wärmepumpe starke Konkurrenz machen, wenn man sich die neuen Pläne ansieht.
Dass Fernwärme eine Wärmepumpe ersetzt, ist zu kurz gedacht. Fernwärme bringt für den Klimaschutz keinen Vorteil, wenn die Energie aus Kohle- oder Gaskraftwerken stammt. Letztlich werden auch Großwärmepumpen die Wärme liefern. Die Wärmepumpe steht dann eben am anderen Ende des Fernwärmenetzes. In Ländern wie der Schweiz oder Skandinavien beziehen viele Kommunen bereits Energie mit Wärmepumpen aus dem Wasser. In der Schweiz habe ich einmal einen Hotel-Betreiber gefragt, wie er sein Hotel heizt. Die Antwort: „Mit dem See.“
Ist denn das Stromnetz fit für mehr Wärmepumpen?
Die Netzbetreiber bekommen das hin. Jeder Netzbetreiber ist verpflichtet, seine Kunden anzuschließen. Eine Verstärkung der Leitung ist aber eine Baumaßnahme und braucht eine gewisse Zeit. Die Netzbetreiber können auch nicht auf Verdacht die Netze ausbauen. Über die Wärmepumpe sind viele Mythen erzählt worden, das ist ärgerlich. In Deutschland sind 2022 rund sechs Wärmepumpen pro 1000 Haushalten zugebaut worden, in Finnland dagegen 70. Dort brechen die Stromnetze auch nicht zusammen.
Eignen sich Wärmepumpen für Bestandsgebäude oder müssen diese für 100 000 Euro oder mehr saniert werden?
Ich fand es schäbig, dass in der Debatte um das Gebäude-Energiegesetz solche Horrorszenarien an die Wand gemalt wurden. Man konnte den Eindruck gewinnen, dass die Wärmepumpen schuld an unsanierten Häusern sind. Natürlich eignen sich Wärmepumpen auch für Bestandsgebäude, das hat das Fraunhofer-Institut in einer Feldteststudie bewiesen. Ich selbst wohne in einem Haus aus den 80er-Jahren und habe meine Ölheizung durch eine Wärmepumpe ersetzt. Sicher muss man sehen, welches Heizsystem das beste für ein bestimmtes Haus ist. Und natürlich macht es immer Sinn, sein Gebäude zu optimieren. Zum Beispiel kann man vor dem Einbau einer Wärmepumpe alte Heizkörper durch neue ersetzen. Das kostet zwar auch Geld – aber keine 100 000 Euro! Es gibt heute Wärmepumpen, die 60 bis 70 Grad Vorlauftemperatur zu vertretbaren Preisen liefern. Eine fossile Heizung kann so ersetzt werden.
Gibt es denn genug Geräte und Handwerker, um Wärmepumpen in großer Zahl zu installieren?
Seitens der Industrie und des Handwerks ist der Hochlauf zu schaffen. Die Industrie hat stark investiert. Um dem Fachkräftemangel im Handwerk zu begegnen, werden landesweit Schulungen für Handwerker und Quereinsteiger angeboten.
Der Staat will die Umrüstung auf klimaneutrale Heizungen fördern. Wie viel Unterstützung brauchen Sie?
Wir wünschen uns vor allem ein einfaches Förderregime. Es muss für die Menschen klar sein: Wann bekomme ich wie viel Geld für welche Technik. Die bisherige Förderung ist sehr unübersichtlich und schwer verständlich.
Benjamin Schmidt 21.6.23 hier
Dieser Mann hat sich eine Wärmepumpe einbauen lassen – das sagt er heute
„Mit meiner Ölheizung habe ich früher pro Jahr bis zu 4000 Liter verbraucht.“ Hierfür habe er im Schnitt 65 Cent bezahlt, der aktuelle Preis liegt allerdings bei 94 Cent pro Liter. Das entspricht Heizkosten von etwa 3750 Euro jährlich.
Seine Solaranlage produzierte im vergangenen Jahr gut 9900 Kilowattstunden, von denen er 6500 in Netz eingespeist hat. Hierfür hat er etwa 650 Euro Einspeisevergütung erhalten. Sein jährlicher Stromverbrauch liegt bei etwa 8000 Kilowattstunden – davon hat er 3400 Kilowattstunden selbst erzeugt – sowie den Rest, 4600 Kilowattstunden, für 35 Cent die Kilowattstunde eingekauft, sprich für 1610 Euro.
Zieht man die 650 Euro Einspeisevergütung ab, so hat Gerhard Steinbinder noch Energiekosten in Höhe von 960 Euro im Jahr: Im Vergleich zu den 3750 Euro, die er allein fürs Heizen bezahlt hätte, eine ordentliche Ersparnis. Hinzu kamen auch Fördergelder, die er für seine Anlage erhalten hat.
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