Man darf sich angesichts der seltsamen Praxis in Bayern natürlich durchaus fragen: "Versteht die Staatsanwalt denn überhaupt Satire?" Will sie das überhaupt verstehen, oder sucht sie nur krampfhaft nach vordergründigen Bestrafungsmechanismen? Mein Vertrauen in die Kompetenz und der Behörde und deren Seriosität ist auf jeden Fall dahin.
29.06.2023: Ermittlungserfolg bei Generalstaatsanwaltschaft hier
- Drei Monate alter SZ-Artikel liefert entscheidenden Hinweis -
Unterstützer:innen der Letzten Generation haben am heutigen Morgen Plakate mit ihren Ermittlungsergebnissen zu der mutmaßlich kriminellen Vereinigung “Letzte Generation” an die Hauswand der Generalstaatsanwaltschaft München geklebt.
(Fotos: Letzte Generation)
Die zehn Männer und Frauen hatten Kenntnis darüber erlangt, dass die Bayerische Justiz Telefone der Letzten Generation abhören lässt, um die “konspirative” Struktur der friedlichen Protestbewegung offenzulegen. Unter anderem soll laut Akte eine Gruppe noch nicht identifizierter Hintermänner ermittelt werden, welche strategische Entscheidungen trifft – die sogenannte Kerngruppe.
Als rechtschaffene und besorgte Bürger:innen wollten die zehn Personen die Justiz nicht weiter im Dunkeln tappen lassen.
Auf den Plakaten haben sie ihre überaus schwierigen und komplizierten Ermittlungen zusammengefasst. So zeigt das Plakat, dass durch eine Google Suche mit den Begriffen “Kerngruppe” und “Letzte Generation” die Identitäten in wenigen Sekunden festgestellt werden konnten. Sie führt zu einem Artikel der Süddeutschen Zeitung vom 09. März, in dem alle Mitglieder der Kerngruppe mit vollem Namen genannt werden. Diese Informationen hatte die Letzte Generation auf SZ-Anfrage mitgeteilt.
Weiterhin zeigen die Plakate, dass die komplette Struktur der Letzten Generation auf dem hauseigenen Wiki offengelegt ist – durch jedermann mit ein paar Klicks zu erreichen.
Lars Werner ist Teil der Kerngruppe, nach der so mühselig gefahndet wird. Eine Fahndung, die tausende von Euro Steuergelder schluckt. Er wollte heute mit den Plakaten dazu beitragen, dass die Ermittlungen eingestellt werden können, da alles Wissenswerte bereits der Öffentlichkeit zugänglich ist.
“Ich bin mir nicht sicher, ob die Staatsanwaltschaft in München die Süddeutsche vielleicht nicht bekommt, aber dort steht drin, wer diese ominösen Strippenzieher der Letzten Generation sind. Die Behörden sind so überlastet, da kann einem das schon mal durchrutschen. Wir helfen gerne!”, sagte Lars Werner verständnisvoll vor Ort.
Damit es nicht zu einer Verwechslung kommen kann, wurde ein entlarvendes, sogenanntes “Selfie” der sechs Mitglieder der Kerngruppe auf die Plakate geklebt.
Judith Beadle hofft, dass die Justiz jetzt endlich die Ermittlungen gegen die mächtigen Strukturen in unserer Gesellschaft aufnimmt, die unsere Lebensgrundlage zerstören:
“Ich bin sehr froh, dass wir der Justiz heute bei ihren komplexen Ermittlungen entscheidend weiterhelfen konnten. Jetzt kann sie endlich prüfen, ob die wirklich kriminellen Vereinigungen nicht in Wahrheit solche sind, die jeden Tag wissentlich unsere Lebensgrundlagen zerstören und die notwendige Transformation ausbremsen, um noch ein kleines bisschen reicher zu werden.“
Süddeutsche Zeitung hier 29. Juni 2023,Von Martin Bernstein und Bernd Kastner
Aktivisten kleben Fahndungsplakate von sich ans Gebäude der Generalstaatsanwaltschaft in München. Mit der satirischen Aktion machen sie sich über die Abhörmaßnahmen der Ermittler lustig.
Es ist kurz nach neun am Donnerstagmorgen, da steht die "Letzte Generation" vor der Tür der Münchner Generalstaatsanwaltschaft. Die Klimaaktivisten möchten gerne mit jemandem von der Strafverfolgungsbehörde sprechen und Infos über sich abgeben. Aber niemand meldet sich über die Sprechanlage, niemand öffnet. Also kleben die Aktivistinnen einige Plakate an die Fassade und die Türen, darauf die Info, wer zum Kernteam der Ökogruppe gehöre, die seit Monaten Straßen blockiert und die Regierungen zu mehr Klimaschutz drängt. Eine freundliche Hilfestellung für die Strafverfolgungsbehörde soll das sein, die den Verdacht hegt, dass es sich bei der "Letzten Generation" um eine kriminelle Vereinigung handelt. Sie hat deshalb Wohnungen durchsucht und Telefone abgehört, auch Gespräche mit Journalisten.
Die Aktion an der Karlstraße ist als Satire gemeint. Die Generalstaatsanwaltschaft hatte das Abhören mit dem Ziel begründet, die Strukturen der Gruppe "aufzuklären". Lars Werner, 31, klinischer Psychologe aus Göttingen und einer aus der Kerngruppe, erklärt die Botschaft der Aktion: Man mache schon lange alles transparent, eine einfache Google-Suche würde genügen, dann könnten die Ermittler der "Bayerischen Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus" Bescheid wissen. Konspirative Strukturen gebe es nicht bei der "Letzten Generation".
Die Aktion verläuft ruhig und heiter. Bald wimmelt der Hof des Bürokomplexes von Polizisten, alle bleiben entspannt, mancher Uniformierte grinst. Aus Nachbarbüros schauen Menschen aus den Fenstern, winken, klatschen. Der erste eingetroffene Beamte fragt die auf dem Boden sitzenden Aktivisten in den Warnwesten, ob sie sich festgeklebt hätten. "Wir sitzen bloß." Dann stellt er sie freundlich vor die Wahl: Wollten sie zur Aufnahme der Personalien ein paar Meter rüberkommen, oder solle man zu ihnen kommen? Es ist zehn Uhr, die Aktivisten wollen ohnehin Schluss machen für heute, also gehen sie gerne zu den Polizisten und reichen ihre Ausweise. Später meldet die Polizei, dass man gegen alle neun Aktivistinnen und Aktivisten ermittle wegen des Verdachts der Sachbeschädigung, falls die Plakate nicht rückstandslos abgehen, Nötigung, weil der Hausmeister die Türen verriegelt habe, und Hausfriedensbruch.
Auf einem ihrer Transparente steht die Forderung, dass die Politik den Artikel 20 des Grundgesetzes achten solle: "Leben schützen". Auf den Plakaten ist ein Foto von Aktivisten zu sehen, ein paar Screenshots von Internetseiten und ein SZ-Artikel. Womit sie denn die Plakate festgeklebt hätten, fragt der freundliche Beamte von vorhin. Mit normalem Tapetenkleister? Nein, mit Wasser und Mehl, Mehlpapp also.
Zwischen den Aktivisten und Plakaten sucht ein Sherlock Holmes mit Lupe nach verdächtigen Spuren. Ronja Künkler hat sich als Meisterdetektivin verkleidet, sie will die Staatsanwälte beim Ermitteln unterstützen: "Ich suche die Kerngruppe", sagt sie. "Es ist echt ein kniffliger Fall."
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