Freitag, 23. Juni 2023

Renaturierungsgesetz: Die Natur hilft mit

Süddeutsche Zeitung hier  23. Juni 2023, Kommentar von Tina Baier

Wenn Ökosysteme sich erholen dürfen, unterstützen sie uns im Kampf gegen die Zwillingskrise aus Klimawandel und Artensterben. Ein wichtiger Schritt ist jetzt getan.

Endlich eine gute Nachricht für unseren drangsalierten Planeten: Europas Umweltminister haben diese Woche für das sogenannte Renaturierungsgesetz gestimmt. Hinter dem sperrigen Namen verbirgt sich ein Vorhaben, wenigstens Teile der zerstörten Natur in Europa wiederherzustellen. Das hat das Potenzial, gleich zwei bedrohliche Krisen abzumildern: den Klimawandel und das Artensterben.

Wälder, Flüsse, Graslandschaften, Moore und andere geschädigte Ökosysteme sollen sich in Europa erholen dürfen. Das ist bitter nötig: Mehr als 80 Prozent der "besonders wertvollen Lebensräume" befinden sich nach Angaben der Europäischen Umweltagentur EEA in einem "schlechten" oder sogar "sehr schlechten" Zustand und mit ihnen auch die dort lebenden Pflanzen und Tiere.

Wenn sich das nicht ändert, und zwar schnell, wird Europa weder den Klimawandel noch das Artensterben bekämpfen können. Den Klimawandel nicht, weil gestörte Ökosysteme deutlich weniger Kohlendioxid binden als intakte. Im Extremfall - etwa bei der Trockenlegung von Mooren - wird sogar CO₂ frei. Und das Artensterben nicht, weil der Verlust von ökologisch intakten Lebensräumen einer der Hauptgründe für den Verlust von Biodiversität ist.

Manchmal reicht es, die Natur einfach in Ruhe zu lassen

Traurige Tatsache ist, dass mittlerweile so viel Natur zerstört ist, dass es nicht genügt, den Rest streng zu schützen. Zusätzlich muss renaturiert werden.

Das gilt nicht nur für Europa, sondern weltweit: Um die Erderwärmung auf 1,5 Grad begrenzen zu können, müssen Wälder, Graslandschaften, Feuchtgebiete und viele andere Ökosysteme erst wiederbelebt werden, damit sie genügend Kohlendioxid aus der Atmosphäre holen können.

Renaturierung ist auch für das auf der Weltnaturkonferenz in Montreal vereinbarte Artenschutzziel unerlässlich: 30 Prozent der Erde sollen unter Schutz gestellt werden. Es wäre in tropischen Trockenwäldern sonst gar nicht mehr zu erreichen, da von diesem Ökosystemtyp weltweit nur noch weniger als 20 Prozent übrig sind.

Zum Glück gibt es eine zweite gute Nachricht: Renaturierung ist oft erstaunlich einfach. In vielen Fällen genügt es schon, die Natur einfach nur in Ruhe zu lassen. In anderen reichen kleine Maßnahmen, wie etwa ein Wehr aus einem Fluss zu entfernen. Die Natur hat ein erstaunliches Erholungspotenzial. Sie braucht aber eine reelle Chance.

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