Das Wirtschaftswachstum verbraucht kostbaren Boden. 1,5 Hektar werden jeden Tag für neue Industrieansiedlungen planiert. Die Grünen und viele Kommunalpolitiker wollen das ändern.
Das Umland Stuttgarts ist durch das starke wirtschaftliche Wachstum zum Siedlungsbrei geworden. Kleine Gemeinden sind nicht durch Äcker und Wiesen voneinander getrennt, sondern häufig grenzt ein gesichtsloses Gewerbegebiet an das nächste. Im Umland Münchens, Hamburgs oder Kölns sieht es kaum besser aus. Der Klimawandel, Starkregen-Ereignisse, sich stark aufheizende Gebäude und der immer noch steigende Flächenverbrauch erfordern neue Strategien bei der Entwicklung von Gewerbegebieten.Gewerbeflächen machen ein Fünftel der Siedlungsflächen in Deutschland aus, das sind etwa 500.000 Hektar – eine Fläche zweimal so groß wie das Saarland. In Baden-Württemberg sind die Industrie- und Gewerbeflächen im Zeitraum von 2000 bis 2020 um 17.000 auf 74.324 Hektar angewachsen. Täglich werden weitere 1,5 Hektar für neue Industrie- und Gewerbeansiedlungen planiert. Am meisten zugepflastert wird in kleineren Gemeinden im ländlichen Raum.
Das geht aus einer Antwort der baden-württembergischen Ministerin für Wohnungsbau und Landesentwicklung, Nicole Razavi (CDU), auf eine Anfrage der Grünen hervor. Es besteht also Handlungsbedarf. Tayfun Tok, wirtschaftspolitischer Sprecher der grünen Landtagsfraktion, sagt: „Wir wollen den Boden bewahren und die wirtschaftliche Stärke sichern. Deshalb müssen Kommunen ihre Gewerbegebiete nachhaltiger und besser planen.“
KI und Holzbauweise für mehr Klimaneutralität
Einige Instrumente hierzu gibt es: So können Kommunen in Baden-Württemberg wie in fast allen anderen Bundesländern von 2025 an die Grundsteuer C erheben und somit Neuansiedlungen auf baureifen Grundstücken auf der grünen Wiese verteuern. Das soll Investoren motivieren, sich bereits bebaute, innerörtliche Standorte zu suchen. Eine ähnliche „Baulandsteuer“ gab es 1960 schon einmal, sie erwies sich damals als ineffizient.
„Wir haben auch das Flächenkataster verbessert und digitalisiert“, sagt Tok. „Und in der neuen Ansiedlungsstrategie des Landes sind zentrale Ansprechpartner vorgesehen.“ Die Unternehmen müssten künftig wachsen können, ohne kostbaren Boden zu verbrauchen. Die grün-schwarze Landesregierung unterstützt dieses Ziel mit einem Flächenprogramm zur städtischen Innenentwicklung. In der Praxis kommt es allerdings darauf an, ob Gemeinderäte und Bürgermeister es in ihren Kommunen schaffen, Klimaschutzziele und Wirtschaftswachstum in eine Balance zu bringen.
Die Stadt Fellbach, im Speckgürtel Stuttgarts und im Einzugsbereich des Untertürkheimer Daimler-Werks gelegen, schlägt einen interessanten Weg ein: Mit dem Projekt „Agriculture meets Manufacturing“ sollen Synergien zwischen urbaner Landwirtschaft und industrieller Produktion mobilisiert werden. Denn Gewerbegebiete sind häufig nicht dicht besiedelt, wenngleich der Boden großflächig versiegelt ist.
Um Hitzeinseln zu vermeiden, erscheint es angesichts des Klimawandels sinnvoll, auf Fabrikdächern etwa Tomatenplantagen anzulegen und Gewächshäuser mit der Abwärme aus Fabrikanlagen zu heizen. Auch sollen mehr Menschen in Gewerbegebieten wohnen können. Voraussetzung dafür ist die Durchmischung von Gewerbe- und Wohngebieten, was häufig an rechtlichen Vorschriften scheitert.
In anderen Städten arbeiten Kommunalpolitiker ebenfalls daran, Gewerbeansiedlungen ökologischer zu machen: In Heilbronn soll es ein „KI-Innovations-Ökosystem“ geben; in Lörrach soll das erste klimaneutrale Gewerbegebiet in Holzbauweise entstehen.
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