Dienstag, 13. Juni 2023

"Moment der Wahrheit steht an" - UN-Zwischen-Klimakonferenz zum 1,5-Grad-Ziel

ZDF hier  von Elisa Miebach 12.06.2023 

Die UN bereitet eine Art Kassensturz nach dem Paris-Abkommen vor. Eins steht bereits fest: Deutschland und die Welt haben beim Klimaschutz Nachholbedarf.

..."Die nächste Klimakonferenz wird ausschlaggebend, denn es steht ein Moment der Wahrheit an", sagte der Leiter des UN-Klimasekretariats, Simon Stiell, im Gespräch mit ZDFheute.

Im Paris-Abkommen 2015 hatten sich die Länder darauf geeinigt, die Erderwärmung möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen. In diesem Jahr erstellt die UN eine große Bestandsaufnahme. Die Grundfrage: Halten die Länder sich mit ihrer Politik an das Pariser Klimaabkommen?

Maßnahmen reichen nicht aus

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben die Klimapolitik weltweit bereits analysiert. "Die derzeitig umgesetzten Maßnahmen reichen bei weitem nicht aus, um die Ziele des Pariser Klimaklimaabkommens einzuhalten, derzeit kämen wir ungefähr zu 2,7 Grad Temperaturerwärmung", stellt Hanna Fekete vom New Climate Institute fest.

Jährlich untersuchen sie und ihr Team im sogenannten Climate Action Tracker die Klimapolitik von 41 Ländern der Erde. Darunter sind unter anderem alle großen Industrieländer, welche die meisten Treibhausgase ausstoßen.

In Bonn beginnen die Vorverhandlungen für die UN-Weltklimakonferenz in Dubai. Das Treffen soll den Regierungen ermöglichen, beim Gipfel in Dubai Entscheidungen zu treffen.

Die Klimapolitik keines einzigen untersuchten Landes reicht aus, um das 1,5 Grad Limit nicht zu überschreiten. Die Maßnahmen von acht Ländern werden als "fast ausreichend" bewertet (gelb). Deutschland ist nicht darunter, dafür Norwegen, Großbritannien, Costa Rica, Nigeria, Äthiopien, Kenia, Marokko und Nepal.

Würden alle einen Beitrag ähnlich dem dieser Länder leisten, würde sich die Erde immer noch um mehr als 2 Grad erwärmen. Die Beiträge der anderen Länderkategorien entsprächen einer Erderwärmung von mehr als 3 Grad (orange) oder sogar mehr als 4 Grad (rot).


Sorge um Kipppunkte

"Besorgniserregend ist, dass man irgendwann an Kipppunkte kommt, die wir so nicht mehr kontrollieren können", sagt Hanna Fekete:

Das 1,5 Grad Ziel ist wichtig,
weil wir bis 1,5 Grad relativ sicher sind, dass diese Kipppunkte nicht eintreten.
Sobald wir darüber gehen, gibt es Auswirkungen, die man schlecht vorhersagen kann.

Hanna Fekete, New Climate Institute

Sogenannte Kipppunkte lösen einen Dominoeffekt aus. Als Kipppunkt beschrieben wird beispielsweise die Eisschicht an den Polkappen: Das weiße Eis reflektiert die Sonnenstrahlen und damit auch die Wärme. Schmilzt das Eis, kann es die Sonnenstrahlen nicht mehr reflektieren und das dunklere Meer oder Land darunter heizt sich schneller auf. Immer mehr Eis schmilzt. Wenn das große Schmelzen einen gewissen Kipppunkt erreicht hat, kann es nicht mehr gestoppt werden. Das passiert, wenn die Treibhausgase zu spät reduziert werden.

Wie können die Länder so schnell wie möglich auf null Emissionen kommen? Um diese Frage dreht es sich auf der Klimakonferenz in Bonn in Vorbereitung auf die Weltklimakonferenz Ende des Jahres in Dubai.

"Die Wissenschaft sagt klar, was wir zu tun haben", stellt Klimasekretariats-Leiter Simon Stiell fest: "Das Abschalten aller fossiler Energie ist ein Teil der Gleichung. Das andere ist die Beschleunigung des Ausbaus der Erneuerbaren."

Folgen des Klimawandels bereits spürbar

Die Erde hat sich laut Bericht des Weltklimarats bereits um mehr als ein Grad Celsius erhitzt - die Folgen des Klimawandels sind in vielen Teilen der Erde deutlich spürbar. Davon erzählt Eric Njuguna, der aus Kenia zur Klimakonferenz angereist ist: "Kenia hat bereits die Hauptlast der Klimakrise zu tragen, obwohl es zu den Ländern gehört, die am wenigsten zur Verursachung der Krise beigetragen haben."

Sechs Mal hintereinander ist die Regenzeit im Norden des Landes ausgefallen. Das UN-Welternährungsprogramm schätzt, dass rund vier Millionen Menschen deswegen Hunger leiden.

Gerade Kenia ist auf der anderen Seite ein Land, das seinen Strom bereits zu 90 Prozent aus erneuerbaren Quellen bezieht. Der CO2-Abdruck pro Kopf liegt in Kenia bei 0,4 Tonnen im Jahr. Eine Person in Deutschland ist pro Kopf für 7,9 Tonnen verantwortlich. Das sind fast 20-mal mehr Tonnen CO2 im Jahr. Bei seinem Besuch in Bonn sagt Eric Njuguna: "Als reiches Land hat Deutschland ein riesiges Potential, die Erneuerbaren auszubauen, aber es scheint der politische Wille zu fehlen."

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