hier in RND 24.06.2023
Bericht: Polizei hört Journalisten bei Telefonaten mit Letzter Generation ab
Bei ihrer Beobachtung der Aktivistengruppe Letzte Generation hat die Polizei offenbar auch Telefonate mit Journalisten abgehört. Monatelange hat die Münchner Staatsanwaltschaft Nummern abhören lassen, wie die „Süddeutsche Zeitung“ (SZ) mit Verweis auf interne Unterlagen am Freitag berichtete. Darunter war auch ein Festnetzanschluss, den die Aktivisten als Pressetelefon deklarieren.
Auch die bayerischen Polizisten sollen in Dokumenten vermerkt haben, es würden „auf dem Anschluss (...) fast ausschließlich Anfragen von Medienvertretern, Studenten und Schülern ein[gehen], die um eine Presseauskunft oder ein Interview bitten“.
Pressefreiheit gegen Strafverfolgung
Dass die Beamten dennoch weitergemacht haben, ist nach Einschätzung der „SZ“ heikel. Denn um Pressevertreter abzuhören, gibt es rechtlich größere Hürden als bei anderen Akteuren.
Hier müssen Polizisten demnach zwischen Interessen der Strafverfolgung und der Pressefreiheit verhältnismäßig abwägen. Das Amtsgericht München, das die Ermittlungen gegen die Letzte Generation erlaubt hat, ist der „SZ“ zufolge darauf in ihrem Beschluss nicht eingegangen. Auch als es die Abhörgenehmigung verlängern musste, gestattete das Gericht weiter das Abhören des Pressetelefons.
Kurz davor schrieben die Ermittler in ihr internes Dokument: „Erkenntnisse über bevorstehende Aktionen, welche nicht bereits durch Pressemitteilungen oder ‑Konferenzen veröffentlicht wurden, konnten im Rahmen der Überwachung nicht festgestellt werden.“
Laut „SZ“ haben die Ermittler von Mitte Oktober bis Ende April Gespräche von 13 Telefonanschlüssen abgehört. Außerdem durften sie laut Gerichtsbeschluss Handystandorte ermitteln, E-Mails lesen und Anrufbeantworter durchhören. Ob sie bis heute weitermachen, geht aus den Unterlagen nicht hervor....
Süddeutsche Zeitung hier 25. Juni 2023
Klimaprotest: Scharfe Kritik an Abhörmaßnahmen
Nach SZ-Enthüllungen hat die Generalstaatsanwaltschaft die Telefon-Überwachung der "Letzten Generation" bestätigt. Die Linke nennt die Aktion Teil eines "unanständigen Wahlkampfes".
Die Generalstaatsanwaltschaft München hat bestätigt, dass Ermittler Telefonate von Mitgliedern der Klimagruppe "Letzte Generation" in ihrem Auftrag abgehört haben. Das Amtsgericht München habe wegen des Anfangsverdachts der Bildung beziehungsweise Unterstützung einer kriminellen Vereinigung gegen Mitglieder der Gruppe Beschlüsse auch zur Überwachung der Telekommunikation erlassen. Das teilte die Behörde am Sonntag auf Anfrage der Nachrichtenagentur dpa mit und bestätigte damit einen entsprechenden Bericht der Süddeutschen Zeitung.
Diese Beschlüsse seien vom Bayerischen Landeskriminalamt im Auftrag der Generalstaatsanwaltschaft vollzogen worden. Die Gruppe sowie Politiker von SPD und Linke kritisierten die Abhöraktionen. Ein Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft München teilte mit, dass sich die Beschlüsse nicht gegen Journalistinnen oder Journalisten richteten. "Diese waren aufgrund von Anrufen über die überwachten Telefonnummern allerdings von den Maßnahmen betroffen."
Ernst nehmen auf jeden Fall, sagt SPD-Innenpolitiker Castellucci - aber so was?
Er erklärte, dass vor und während der Überwachung ständig deren Verhältnismäßigkeit geprüft worden sei. Die Generalstaatsanwaltschaft sei ebenso wie vor dem Erlass der Beschlüsse zu der Auffassung gelangt, dass die Maßnahmen vor dem Hintergrund der Tatvorwürfe verhältnismäßig seien. "Bei dieser Abwägung wurde der Verfassungsrang der Pressefreiheit selbstverständlich entsprechend gewichtet", teilte der Sprecher mit.
Die SZ hatte bereits am Freitag unter Berufung auf interne Unterlagen berichtet, dass bayerische Ermittler seit Oktober 2022 einen Festnetzanschluss mit Berliner Vorwahl überwacht hätten, den die "Letzte Generation" als ihr offizielles Pressetelefon bewerbe. Dies betraf auch Anrufe von Journalisten.
Vertreter von SPD und Linke kritisierten die Abhöraktionen. "Das gesamte Vorgehen wirft Fragen nach der Verhältnismäßigkeit auf", sagte Lars Castellucci, stellvertretender Vorsitzender des Innenausschusses im Bundestag, dem Tagesspiegel. Diese Fragen richteten sich nicht nur an die Behörden, sondern auch an die Politik. "Die Sorgen vor einer Radikalisierung des Klimaprotests sind ernst zu nehmen", sagte der SPD-Politiker: "Der Straftatbestand einer kriminellen Vereinigung darf aber keine Einladung zu Vorgehensweisen sein, die die Beschuldigten erst in die Radikalität treiben."
Letzte Generation: "Das ist absurd!"
Der Linken-Fraktionsvorsitzende Dietmar Bartsch bewertete die Abhöraktion im Tagesspiegel als Teil des bayerischen Wahlkampfes. "Die Abhöraktion der bayerischen Generalstaatsanwaltschaft ist völlig unangemessen und zeigt, dass es falsch ist, dass Staatsanwälte politisch weisungsgebunden sind. Sie werden zu einem unanständigen Wahlkampf missbraucht", sagte Bartsch. Der bayerische Linke-Landesverband lud für Sonntagmittag zu einer Protestaktion vor das bayerische Justizministerium.
Die "Letzte Generation" schrieb zu dem Bericht am Samstag auf Twitter: "Wir protestieren mit Namen und Gesicht, veröffentlichen unsere Pläne, akzeptieren rechtliche Konsequenzen. Dennoch protokollierte das bayrische LKA Telefonate, Mails und Bewegungsprofile. Selbst unser Pressetelefon wurde überwacht. Das ist absurd!" Die Deutsche Polizeigewerkschaft rechtfertigte die Überwachung dagegen. "Die Abhörmaßnahmen waren durch unabhängige Richter genehmigt (genau das ist aber höchst zweifelhaft, wie Prantel von der Süddeutschen Zeitung hier berichtet. Er erklärt den politischen Einfluß, der genommen wurde) und können jederzeit überprüft werden, auch nachträglich und in Bezug auf ihre Verwertbarkeit", sagte der Bundesvorsitzende Rainer Wendt.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen