Montag, 12. Juni 2023

Ohne es zu merken, machen die Europäer ihren eigenen Kontinent zur Wüste

Wüsten eindämmen und zurückdrängen - das war doch immer das große Thema in Afrika!
Und plötzlich sind wir in Europa, nein sogar in Deutschland angekommen, mit der Aufgabe der fortschreitenden Wüstenbildung entgegen zu wirken.

Focus hier mit einem Video

Desertifikation: Weltweit schreiten Wüsten voran. Neben dem Klimawandel und Wetterextremen spielt vor allem der Mensch dabei eine große Rolle. Auch in Deutschland könnten Regionen künftig veröden. Doch es bleibt noch Zeit zum Handeln.

Wer den Begriff Desertifikation genau auseinandernimmt, dem wird schnell klar, dass der Mensch an dem Problem beteiligt ist. Das lateinische Wort „desertus“ heißt „wüst“, „facere“ bedeutet „machen“ oder „tun“. Desertifikation ist also eine Art „Wüstenmachung“. Wie die Wüste entsteht und was dagegen getan werden kann, erklärt eine Expertin der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit.

„Desertifikation wird häufig mit Wüstenbildung übersetzt, doch das greift an sich etwas kurz“, sagt Juliane Wiesenhütter, Projektleiterin bei der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH. „Die Desertifikation beschreibt eher einen vielschichtigen Prozess, bei dem in trockenen Gebieten der Boden durch zu intensive Nutzung stark geschädigt wird. In der Folge können der knappe Regen oder auch kurzer Starkregen nicht mehr aufgenommen werden. Die Vegetation geht zurück oder verschwindet vollständig, die Böden erodieren, versalzen oder versanden. Staubstürme tragen die Böden weiter ab und das Land wird unfruchtbar und verödet letztendlich.“ Man spreche daher auch von Landdegradierung.

40 Prozent der Erde zählen zu Trockengebieten

Wiesenhütter zufolge zählen 40 Prozent der Erde zu den Trockengebieten. Mittlerweile sei mehr als ein Drittel der weltweiten Landmasse von Wüste bedeckt oder von Wüstenbildung bedroht. „Besonders betroffen sind die Länder des globalen Südens. Dazu gehören viele Länder Afrikas und Asiens und beispielsweise Indien und China“, sagt die Geografin. „Gerade die Entwicklungsländer sind am stärksten von der Zerstörung des Landes betroffen – oft gehen die Ernteerträge um die Hälfte zurück. Die Folgen für die 2,5 Milliarden Menschen in den Trockengebieten sind teilweise katastrophal.“ Es fehle nicht nur an Nahrung, sondern es gebe auch verheerende Sandstürme oder Überschwemmungen, da das Wasser nicht mehr versickern könne.

Auch in Europa – etwa in Spanien oder Süditalien - gibt es immer mehr Trockengebiete, in denen wenig Niederschlag fällt. Zwar spreche man hier noch nicht von Desertifikation, erklärt Wiesenhütter, doch die Bodendegradierung schreite auch hier voran. Auch in Deutschland würden bereits viele Böden an Furchtbarkeit verlieren.

Wie steigender Fleischkonsum das Problem verstärkt

Die Ursachen für die Desertifikation sei, wie der Name schon sagt, „gemacht“ - und zwar von Menschenhand. „Das Land wurde falsch bewirtschaftet, es wurde überweidet, übernutzt, abgeholzt und/oder unangepasst bewässert“, sagt Wiesenhütter. „Dieser enorme Druck auf die Böden hängt mit der steigenden Weltbevölkerung und dem Fleischkonsum zusammen. Mehr Nachfrage nach Fleisch lässt die Futterproduktion steigen. Denn es werden etwa sieben pflanzliche Kalorien gebraucht, um eine Kalorie Fleisch zu produzieren.“ Hinzu komme der Klimawandel, der zwar nicht Ursache für die Desertifikation sei, diese aber zusätzlich verschärfe. „Die Zunahme der Temperatur und die Wetterextreme führen zu Dürre und Starkregen, was den Böden noch zusätzlich zusetzt – vor allem dort, wo sie schon nackt und entwaldet sind.“

Die gute Nachricht ist, dass Desertifikation sich umkehren lässt

Die gute Nachricht: Die Desertifikation lässt sich umkehren, wenn auch nur mühsam. Die Vereinten Nationen habe dazu 1994 ein Übereinkommen zur Bekämpfung der Wüstenbildung unterzeichnet. „Die GIZ unterstützt im Auftrag des Entwicklungsministeriums vielerorts die Förderung von nachhaltiger Landnutzung, die Wiederherstellung degradierter Flächen und die Anpassung der Landnutzung an den Klimawandel“, sagt die Geografin. „Dabei setzen wir an vielen Punkten an: Neben den technischen Maßnahmen wie Humusanreicherung, Einbringung von Viehdung, Aufforstung oder Erosionsschutzmaßnahmen geht es unter anderem auch darum, die Ernährung sicherzustellen, die Landwirtschaft resilienter zu gestalten, Arbeitsplätze zu schaffen und nicht zuletzt Landrechte abzuklären. Denn wenn einem Bauern der Boden selbst gehört, hat er auch eine höhere Motivation, zu investieren, beispielsweise Bäume zu pflanzen.“

Aktuell setzt die GIZ unter anderem die Sonderinitiative des Bundesentwicklungsministeriums „Leben ohne Hunger“ um. „Dabei wurde bereits in sieben Ländern eine Fläche so groß wie Mallorca regeneriert und die Bauern konnten die Ernteerträge um durchschnittlich 40 Prozent steigern“, sagt die Wiesenhütter. Ein weiteres Beispiel ist das GIZ-Projekt Forests4Future, bei dem mehrere Waldlandschaften wiederhergestellt werden.


National Geographic  hier Von Jens Voss 9. Juni 2023

Hitze, Dürre, Klimawandel: Wird Brandenburg zur Wüste?

Brandenburg gehört zu trockensten Gebieten in Deutschland. Drohen weite Teile des Landes zu versteppen? Die Landwirtschaft könnte der Schlüssel sein, um die Wasserknappheit in den Griff zu bekommen.

Unbarmherzig brennt die Sonne auf den staubtrockenen Sand. Keine schattenspendenden Bäume weit und breit. Die Luft flimmert. In der Ferne lassen sich die Silhouetten der umliegenden Kieferwälder erahnen. Willkommen in Deutschlands bislang einziger Wüste. Sie liegt in Brandenburg, knapp 25 Kilometer nördlich von Cottbus. Rund fünf Quadratkilometer ist sie groß. Sie entstand 1942 durch einen Waldbrand und war zu DDR-Zeiten Teil eines Truppenübungsplatzes in der Lieberoser Heide.

Nach der Wiedervereinigung überließ man das Areal weitgehend sich selbst und stellte es unter Naturschutz. Heute leben dort Tiere und Pflanzen, die sonst kaum in Deutschland zu finden sind. Seltene Vogelarten wie der vom Aussterben bedrohte Brachpieper sind perfekt an die extremen Bedingungen angepasst. Kein Wunder, dass sich Umweltschützer für den Erhalt der Lieberoser Wüste stark machen. Was aber wäre, wenn es nicht bei einer einzigen Wüste bliebe?

Trotz seiner vielen Gewässer zählt Brandenburg zu den trockensten und niederschlagsärmsten Bundesländern. Gleichzeitig wird es dort immer wärmer. Laut dem Klimareport Brandenburg des Deutschen Wetterdienstes (DWD) ist die Durchschnittstemperatur seit Beginn der Wetteraufzeichnungen 1881 um 1,3 Grad gestiegen. Wenn sich der Klimawandel ungebremst fortsetzt, könnte es in gut 70 Jahren im Worst Case nochmals fünf Grad wärmer sein, erklärt die Behörde.

Durch den Temperaturanstieg verdunstet mehr Wasser. Es kann dann nicht mehr in den Boden sickern, um die Grundwasserspeicher aufzufüllen. Zugleich müssen wir uns im Zuge der globalen Erwärmung auf länger anhaltende Wetterlagen einstellen. Das begünstigt extreme Wetterereignisse wie Starkregen oder Dürreperioden. Auch wenn der Blick in die Zukunft schwierig ist: Für Brandenburg rechnet der DWD auf lange Sicht mit trockeneren Sommern, nasseren Wintern und häufigeren Unwettern. 

Der Fluch der Braunkohle

Schon heute klagen die Bauern in Brandenburg immer öfter über Ernteausfälle. Und auch die Natur leidet. Besonders heftig war es 2018. Verdorrte Äcker und ausgetrocknete Flussbetten waren nur einige Folgen des wärmsten Jahres seit 1881. Allein in Brandenburg sind bei 491 Waldbränden rund 1.664 Hektar Wald verbrannt – eine Fläche so groß wie 2.330 Fußballfelder. Seitdem fehlt in Brandenburg das Wasser eines ganzen Jahres. Kaum auszudenken, wenn sich die Lage im Zuge des Klimawandels zuspitzen würde. 

Werden allmählich ganze Landstriche in Brandenburg veröden? „Brandenburg wird nicht zur Wüste, aber die Verhältnisse werden deutlich arider werden“, sagt Fred Hattermann vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Arides Klima bedeutet, dass die Niederschlagsmenge in einem Gebiet über mehrere Jahrzehnte betrachtet geringer ist als die Verdunstung. „Es gibt den klaren Trend, dass die Landschaft in Brandenburg trockener wird“, so Hattermann. 

„Schon jetzt brauchen wir eigentlich mehr Niederschlag, um die Zunahme der Verdunstung zu kompensieren.“ Die Vegetation sei bereits deutlich geschädigt. Der aktuelle Waldzustandsbericht der Landesregierung zeigt das in aller Deutlichkeit: Nur noch acht Prozent der Bäume in Brandenburg sind völlig gesund.

Umweltorganisationen wie der BUND weisen auf eine weitere Gefahr hin: den Braunkohleabbau. Um an den fossilen Brennstoff zu gelangen, wird seit Jahrzehnten Grundwasser in gigantischen Mengen abgepumpt und in die Flüsse eingeleitet. „Wir haben seit Jahren fallende Grundwasserspiegel in Brandenburg“, sagt Axel Kruschat, Geschäftsführer vom BUND Brandenburg. Er fordert einen vorgezogenen Kohleausstieg bis 2030. 

Offiziell soll spätestens 2038 Schluss sein. Kruschat warnt, vor allem die Lausitz und andere Regionen mit sandigen Böden drohten zu versteppen. Zwar gibt es technische Lösungen, um das Wasserreservoir im Boden wieder aufzufüllen. Eine Möglichkeit besteht zum Beispiel darin, das Grundwasser künstlich anzureichern, zum Beispiel mit Wasser aus Starkniederschlägen. Dennoch: Die Lage ist kritisch.

Frisches Wasser für die „Streusandbüchse“

Mit einer Klimaanpassungsstrategie will die Landesregierung die künftige Wasserversorgung sicherstellen. Dabei geht es nicht nur um einen sorgsamen Umgang mit dem wertvollen Nass. Ebenso wichtig sei es, den Wasserhaushalt in der Landschaft zu stabilisieren. „Waldumbau, Moorschutz und der Renaturierung von Flussläufen kommen hier Schlüsselfunktionen zu“, erklärt Landwirtschaftsminister Axel Vogel. Auch die Äcker sollen lebendiger werden.

Experten sind davon überzeugt: Gesunde, humusreiche Böden sind der Schlüssel für einen guten Wasserhaushalt. Humus gilt als echter Wunderstoff. Er entsteht, indem Bodenlebewesen abgestorbene Pflanzen- und Tierreste zersetzen und dabei in hochwertige Erde umwandeln. Je mehr Humus, desto fruchtbarer und wasseraufnahmefähiger der Boden.

Das Problem: Brandenburgs Böden sind sandig, trocken und nährstoffarm. Der Humusanteil in den Äckern liegt oft nur bei einem Prozent. Nicht von ungefähr wird das Bundesland auch als „Streusandbüchse“ bezeichnet. Monokulturen, Kunstdünger und Pestizideinsatz schwächen die Äcker zusätzlich. Denn sie schaden dem Bodenleben. So werden die ohnehin kargen Sandböden immer unfruchtbarer und können kaum noch Wasser speichern. 

BUND-Geschäftsführer Kruschat fordert: „Wir müssen bei der Landwirtschaft extrem umsteuern.“ Im Klartext bedeute das: In Kreisläufen denken. Weg von den riesigen Monokulturen, hin zu kleinteiligen sogenannten Agroforst-Systemen. Fachleute verstehen darunter die Verbindung von Land- und Forstwirtschaft auf einer Fläche. Baumreihen werden in geeigneten Abständen auf den Acker gepflanzt. Die Bäume beschatten die Böden und schützen vor Erosion und Austrocknung. „Schatten ist die neue Ressource in Brandenburg“, sagt Kruschat. Alles in allem kann der Boden den raren Regen so besser speichern. 

Rebellion auf dem Acker

Wie das in der Praxis funktionieren kann, zeigt ein Quereinsteiger in einem kleinen Dorf in Brandenburg, 80 Kilometer östlich von Berlin. Benedikt Bösel hatte als Investmentbanker in Frankfurt gearbeitet, bevor er 2016 den Bauernhof seiner Eltern übernahm. Heute zählt er zu den Pionieren der regenerativen Landwirtschaft, die auf gesunde Böden zielt. 2022 wurde er zum „Landwirt des Jahres“ ausgezeichnet. Auf seinem Hof „Gut und Bösel“ in Alt Madlitz ist er verantwortlich für 3.000 Hektar Land- und Forstwirtschaft – an einem der trockensten Orte Deutschlands. Die Auswirkungen des Klimawandels sind dort längst spürbar. Drei Dürrejahre in Folge bescherten Bösel einen existenzbedrohenden Start.

Schnell wurde ihm klar: Nur mit grundlegenden Veränderungen hat sein Hof eine Zukunft. „Damals verstand ich zum ersten Mal, dass ich all meine Kraft auf den Aufbau gesünder Böden und gesunder Ökosysteme leiten musste“, erinnert sich der Landwirt. Flankiert von viel Forschungsarbeit entwickelte er ein neuartiges Betriebskonzept, bei dem die Forschung, eine vielschichtige Art der Landnutzung und die Gesundheit der Böden im Fokus stehen.

Agroforst spielt darin eine wichtige Rolle. „Agroforstsysteme können ganze Ökosysteme regenerieren“, sagt Bösel. In seiner Baumschule zieht er die Bäume vor, die später in die Agroforstflächen gesetzt werden. Das hofeigene Kompostierungssystem produziert Humus für die kargen Sandböden. 

Einen gesunden Wasserhaushalt – den will Bösel auch für seinen 2.000 Hektar großen Wald. Aktuell sei der Forst in Alt Madlitz „eine ökologische Wüste“ und damit anfällig für Dürren, Stürme und Brände. Bösels Ziel: Die Kiefernmonokulturen zu einem Mischwald umzugestalten, der dem Klimawandel trotzen kann. „Wir müssen wieder auf die Natur zugehen und ihre Stärken in unsere Philosophie von Landnutzung einbinden“, sagt er. Gerade in einer dürrebedrohten Region wie Brandenburg gibt es in seinen Augen keine Alternative.


Erlebt Benedikt Bösel mit seinem jungen Team und sein visionäres Engagement für eine neue Form der Landwirtschaft in einer außergewöhnlichen Doku-Serie: FARM REBELLION – ab dem 14. Juni 2023 alle sechs Folgen exklusiv auf Disney+ streamen.

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