Dienstag, 13. Juni 2023

Blick über den Tellerrand: Zeugen der Klimakrise in den USA und Kanada

11. 6.2023, Quelle: ZEIT ONLINE, AFP, hier

Kanada: Behörden befürchten Waldbrände während "des ganzen Sommers"

Der Sicherheitsminister von Québec rechnet nicht mit einem baldigen Ende der Waldbrände. In ganz Kanada lodern weiter mehrere Hundert Feuer.

Die Waldbrände in Kanada werden nach Einschätzung der Behörden noch wochenlang andauern. "Uns steht ein Kampf bevor, der nach unserer Einschätzung den ganzen Sommer andauern wird", sagte der Sicherheitsminister der Provinz Québec, François Bonnardel: "Es ist das erste Mal in der Geschichte Québecs, dass wir so viele Feuer bekämpfen und derart viele Menschen evakuieren."

Insgesamt loderten in Kanada am Samstag 416 Waldbrände, 203 davon sind außer Kontrolle.

In der Provinz Alberta hatte sich die Lage am Freitagabend nach einigen Tagen relativer Ruhe erneut verschärft. Die Bewohner der Stadt Edson wurden zur Evakuierung aufgefordert – zum zweiten Mal seit Anfang Mai. "Das Feuer ist derart außer Kontrolle, dass sich einige Löschmannschaften zurückziehen mussten", erklärte der Verwaltungschef des Landkreises Yellowhead, Luc Mercier.

In der Provinz British Columbia wurde der 2.400 Einwohner zählende Ort Tumbler Ridge ebenfalls weitgehend geräumt, nachdem sich ein Feuer der Gemeinde bis auf wenige Kilometer genähert hatte.

Kanada erlebt in diesem Jahr Waldbrände von bislang ungekannten Ausmaßen. Mehr als 4,6 Millionen Hektar Land wurden seit Jahresbeginn bereits von den Flammen verwüstet, Zehntausende Menschen mussten sich in Sicherheit bringen. Nach Einschätzung von Experten führt der Klimawandel zu mehr und heftigeren Waldbränden.


Spiegel hier 04.06.2023

Klimakrise in den USA: Der sterbende Colorado River

Der Colorado River erstreckte sich einst als mächtiger Fluss von den Rocky Mountains bis nach Mexiko. Nun ist er stark vom Klimawandel betroffen. Der preisgekrönte Fotograf Jonas Kakó dokumentiert die Veränderung.

Einst erstreckte sich der Colorado River über mehr als 2000 Kilometer, von den schneebedeckten Rocky Mountains im Westen der USA bis nach Mexiko, wo er in den Golf von Kalifornien mündete. Doch spätestens seit den Achtzigerjahren verliert er an Wasser und erreicht kaum noch das Delta im Süden. Sein Salzanteil ist gestiegen, Giftstoffe verunreinigen das Wasser.

Rund 40 Millionen Menschen sind von dem Fluss abhängig, um Landwirtschaft zu betreiben oder ihr Trinkwasser aus ihm zu gewinnen, darunter allein 30 indigene Gemeinden in den USA und in Mexiko. Er wird außerdem zur Herstellung von Strom durch Wasserkraft genutzt.

Doch verringerter Schneefall in den Rocky Mountains und Dürren in den westlichen Staaten der USA, beides verursacht durch den Klimawandel, lassen den Fluss austrocknen. Riesige Landwirtschaftsbetriebe und die extensive Wassernutzung für große Städte wie Phoenix oder Las Vegas tun ihr Übriges. In Arizona versickert der Fluss in der Wüste.

Früher lebten die Cucapah, was so viel bedeutet wie die Menschen vom Fluss, hauptsächlich vom Fischen. Doch heute, sagt Galavis Sainz, sei das Wasser durch Pestizide aus der Landwirtschaft und andere toxische Substanzen verseucht. Der Fisch reicht nicht mehr, die Menschen versuchen nun, sich etwa als Tagelöhner durchzuschlagen.

»Wenn man zur Mündung des Colorado River gelangt, am Golf von Kalifornien, dann sieht man, wie wenig übrig ist vom einstmals mächtigen Fluss. Das früher weitgefächerte Delta, ein Ökosystem mit vielen Vogelarten, ist heute eine Salzwüste«, sagt Jonas Kakó, der den sterbenden Fluss in Mexiko und den USA dokumentiert hat.

Doch auch weiter oberhalb am Fluss ist der sinkende Wasserstand klar sichtbar. Der Lake Mead in der Nähe der Stadt Las Vegas, hat nur noch weniger als ein Drittel des möglichen Wasservolumens. Experten befürchten, dass der Wasserstand bald zu niedrig sein könnte, um die Turbinen des dortigen Staudammes noch anzutreiben und Strom zu produzieren. Viele lokale Gemeinden beziehen 90 Prozent ihres Wassers aus dem See.

In Las Vegas kümmert sich inzwischen eine Wasserverwaltung darum, das Austrocknen des Colorado River zu verhindern. Ab 2026 soll das Pflanzen von Rasen in der Stadt verboten werden, schon heute gibt es strenge Vorschriften für die Bewässerung von Gärten. Damit diese auch eingehalten werden, hat die Stadt eigene Überwachungsteams, die durch die Vororte fahren – und bei Verstößen Bußgelder verhängen.

Umweltschützern und Klimaaktivistinnen gelang es schließlich, das Problem auch auf nationaler Ebene in den politischen Fokus zu rücken. Zum Schutz des Colorado River hat die US-Regierung von Präsident Joe Biden jüngst eine Vereinbarung mit sieben Bundesstaaten unterschrieben, um den Fluss zu retten – und gibt den Staaten nun Geld, damit sie verstärkt Wasser sparen.

Eine Studie, die im Wissenschaftsmagazin Science veröffentlicht wurde, identifiziert den Klimawandel als Hauptursache für den Verfall des Colorado River. Chris Milly und Krista Dunne, die Autoren, berechneten, dass der Wasserstand bereits um 1,5 Milliarden Kubikmeter gesunken ist. Sie diagnostizieren einen Teufelskreis: Weniger Schneefall in den Bergen, verursacht durch den Klimawandel, führe auch dazu, dass weniger Sonneneinstrahlung in die Atmosphäre zurückgelenkt werde, wodurch der Boden sich schneller erwärmt und Wasser schneller verdunstet. Milly and Dune haben berechnet, dass mit jedem Grad, um das sich das Klima erwärmt, das Wasservolumen in dem Fluss um 9,3 Prozent sinkt.


Ein Kommentar von Elena Erdmann in der Zeit hier 9. Juni 2023, 

New York: Die Klimakrise, inszeniert für Instagram

Die Bilder der Rauchschwaden aus New York sind erschreckend – und ästhetisch. Sie fordern das ein, was die Klimakrise oft nicht bekommt: Aufmerksamkeit.

Über der Freiheitsstatue leuchtet der Himmel gelb-orange. Von der Skyline sind durch den dicken Nebel nur noch die Umrisse zu erkennen, darüber hängt die Sonne als ein glühend roter Ball. Um sich gegen den giftigen Rauch zu schützen, haben die New Yorker ihre Covid-Masken wieder herausgekramt, posieren vor der apokalyptischen Kulisse für ein Selfie. Die Bilder sind schrecklich und schön zugleich. Die Klimakrise, wie inszeniert für Instagram.

Es musste erst eine Stadt wie New York treffen, damit die Welt hinschaut. Dabei brennt es ja nicht im Central Park, sondern Hunderte Kilometer weiter nördlich in Kanada – und zwar nicht erst seit gestern, sondern seit Monaten. Allein in diesem Jahr sind dort 42.000 Quadratkilometer verbrannt, eine Fläche von der Größe der Niederlande. Dass das bisher kaum jemanden interessiert hat, darüber könnte man sich aufregen.

Aber: Die Bilder aus New York sind wichtig. Es ist einer jener kurzen Momente, in denen die Klimakrise so nah und so real scheint, dass niemand sie mehr ignorieren kann. Und durch die Inszenierung auf Instagram bekommt die Katastrophe zumindest in Ansätzen die Aufmerksamkeit, die sie verdient.

Für Kanada könnten es die verheerendsten Waldbrände seit Beginn der Aufzeichnungen werden, die Feuersaison hat gerade erst begonnen. Überraschend wäre das jedoch nicht. Denn durch den Klimawandel steigt die Gefahr für Waldbrände, zeigt etwa der Bericht des Weltklimarates. Für Kanada heißt das, dass mit steigenden Temperaturen die Feuersaison früher beginnt und länger andauert und die Gefahr für Blitzeinschläge steigt, die dann wiederum Waldbrände entfachen können (Canadian Journal of Forest Research: Coogan et al., 2021). Die verbrannte Fläche pro Jahr zeigt seit Beginn der Aufzeichnungen einen deutlichen Trend nach oben (Canadian Journal of Forest Research: Hanes et al., 2019).

Die Waldbrände in Kanada sind nur eine der vielen verheerenden Folgen des Klimawandels. Viel zu oft bleiben diese Katastrophen jedoch abstrakt. Gerade brennt es zum Beispiel auch in Sibirien – und in Jüterbog in Brandenburg. Die Temperaturen des Ozeans liegen seit Monaten viel zu hoch. Und erst in dieser Woche zeigte eine Studie, dass die Arktis schon in den 2030er-Jahren im Sommer eisfrei sein könnte. Für Instagram eignen sich diese Katastrophen aber nicht.

Genau deswegen sind die Bilder aus New York so wertvoll: Sie machen deutlich, dass die Klimakrise am Ende alle trifft, sich niemand davor verstecken kann, auch nicht die Bewohnerinnen von New York, die Hunderte Kilometer weit weg von den Feuern wohnen und heute ihre Selfies mit Masken vor rotem Himmel auf Instagram teilen. Noch erschrecken solche höllischen Szenen – aber je weiter sich der Planet erwärmt, desto mehr werden sie zum Alltag werden, und die Leute könnten auch gegenüber diesen Bildern abstumpfen.

Umso wichtiger ist es, die Aufmerksamkeit jetzt zu nutzen. Denn noch immer heizt die Menschheit den Planeten weiter auf. Um noch schlimmere Szenen zu vermeiden, muss die Welt damit aufhören, Kohle, Gas und Öl zu verbrennen. 

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