Hier RND Frank-Thomas Wenzel 25.02.2025,
Nur ein Strohfeuer?
Die Suche nach freien Ladesäulen schreckt viele Autofahrer noch vom Umstieg auf einen E-Pkw ab. Dennoch ist die Zahl der neu zugelassenen Stromer zuletzt gestiegen.
In der EU werden wieder deutlich mehr Stromer verkauft. Doch offen ist, wie lange dieser unerwartete Boom anhält. Zumal viele Kunden nach wie vor zurückhaltend sind – dazu zählen insbesondere Mieter.
Endlich mal gute Nachrichten aus der Autobranche. Im Januar stiegen die Verkäufe neuer E-Autos in der EU um 34 Prozent im Vergleich zum Vorjahr auf rund 124.000 Fahrzeuge. Die Stromer erreichten damit einen Marktanteil von satten 15 Prozent nach etwa 10 Prozent Anfang 2024. Das teilt der europäische Branchenverband Acea mit. In mehreren wichtigen Märkten verzeichneten die Neuzulassungen kräftige zweistellige Zuwächse. Allen voran Deutschland mit einem Plus von mehr als 50 Prozent. Insgesamt ging es in 19 der 27 EU-Länder nach oben.
Bemerkenswert ist dabei, dass ausgerechnet die Neuzulassungen von Elon Musks Marke Tesla gegen den Trend um die Hälfte auf nur noch 7517 Autos einbrach. Mutmaßlich spielt hier die Rolle Musks als Trump-Vertrauter eine Rolle. Der Volkswagen-Konzern behielt – über alle Antriebsarten hinweg – seine Marktführerschaft mit einem Anmeldeplus von knapp 6 Prozent auf fast 230.000 Autos. Die Wolfsburger sind zudem in der E-Mobilität weit vorne.
Ist die Autokrise plötzlich und unerwartet vorbei?
Nicht wirklich. Nicht nur, weil die Gesamtzahl der Neuzulassungen um fast drei Prozent auf 831.000 schrumpfte. Auch stehen die Daten fürs Elektrosegment unter besonderen Vorzeichen. Denn mit dem 1. Januar 2024 liefen in einigen EU-Ländern staatliche Kaufprämien aus. Deshalb waren seinerzeit die Zahlen im Vergleich zu den aktuellen Neuzulassungen besonders niedrig.
Angst vor Strafzahlungen
Außerdem gelten seit Beginn des neuen Jahres in der EU deutlich niedrigere CO₂-Grenzwerte für Neufahrzeugflotten. Autobauern drohen Strafzahlungen. „Daher dürften einige Hersteller Elektro-Neuzulassungen auf den Januar geschoben haben“, erläutert Constantin Gall von der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY. Es bleibe abzuwarten, wie nachhaltig der Aufschwung am Elektromarkt sei. „Gut möglich, dass das starke Plus zu Jahresbeginn sich als Strohfeuer erweisen wird“, erläutert Gall.
Auf der anderen Seite: Seit Monaten diskutieren Experten darüber, was sich die Autobauer einfallen lassen, um die peinlichen CO₂-Bußgelder vermeiden zu können. Eine Möglichkeit ist das sogenannte Pooling – eine Art Ablasshandel. Autobauer mit zu hohem Verbrenneranteil verbessern ihre CO₂-Bilanz rechnerisch, indem sie ihren Absatz mit dem von E-Herstellern in einen Topf werfen. Tesla hat damit in der Vergangenheit enorm viel Geld gemacht. Doch das Pooling ist nicht unbedingt imagefördernd und zudem ziemlich teuer.
Preisaufschläge für Stromer schrumpfen
Deshalb haben viele Fachleute auf Elektro-Offensiven gewettet. Laut Autoprofessor Ferdinand Dudenhöffer hat sich denn auch im ersten Monat des neuen Jahres die Preisdifferenz bei vergleichbaren Modellen zwischen der vollelektrischen Variante und einem Verbrenner im Schnitt auf nur noch rund 5.100 Euro verkleinert. „So gering war der Preisabstand seit Ende der Umweltprämie noch nie“, betont Dudenhöffer. Die Autobauer hoffen, dass sich mit dem Verkleinern der Lücke mehr Kunden für den Stromer entscheiden.
Auch Gall hält es für möglich, dass hinter dem Elektroboom „zusätzliche Vertriebs- und Marketingaktivitäten“ stecken könnten. Und da stellt sich dann aber die Frage, wie lange die Konzerne dies durchgehalten werden. Erste Hinweise dürfte es geben, wenn das Kraftfahrtbundesamt in wenigen Tagen die Neuzulassungen für Februar in Deutschland verkündet.
Hersteller ködern Kunden
Der EY-Experte betont aber auch: „Die Hersteller geben sich größte Mühe, mit neuen und attraktiven Elektromodellen und günstigen Finanzierungsmodellen das Interesse der Autokäufer zu wecken. Zudem wird das Angebot auch im niedrigeren Preissegment größer.“ In diesem Jahr werden zahlreiche neue Kompakt- und Kleinwagen anrollen, die reinrassige Elektrische sind. Beispielsweise der R5 E-Tech von Renault oder der Grande Panda Elektrisch von Fiat.
Zugleich räumt Gall ein, dass die Kaufbereitschaft der Kunden nach wie vor verhalten sei und stark von Fördermaßnahmen abhänge: „Die große Mehrheit der Kunden ist noch nicht von der Elektromobilität überzeugt. Da bedarf es weiterer Anstrengungen aufseiten der Branche – nicht nur beim Preis.“ Einer der Punkte, der immer wieder apostrophiert wird, ist die Ladeinfrastruktur.
Vernachlässigte Mieter
Preiswertes Laden beim Arbeitgeber oder in der eigenen Garage ist bei Weitem nicht allen Autofahrern möglich. Das gilt insbesondere für Millionen von Mietern: Nur fünf Prozent von 2000 Befragten sind vollelektrisch unterwegs. Das geht aus einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag des Immobiliendienstleisters Ista hervor, die dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) vorliegt. Als häufigste Umstiegshürden wurden genannt: Anschaffungspreis und Reichweite, gefolgt von der Lademöglichkeit zu Hause.
Und unter den Mietern, die bereits ein E-Auto nutzen, bemängelt mehr als ein Drittel fehlende Lademöglichkeit zu Hause. Ista-Manager Christoph Klinck spricht von einer „speziellen Herausforderung“ für die Mobilitätswende. Die Elektrifizierung der Stellplätze von Mietshäusern erfordere neue Ansätze und Lösungen von allen Beteiligten. Gefragt seien Politik und Verwaltung genauso wie Immobilien-Projektentwickler und Eigentümer.
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