Schwerer Vorwurf an die Bundesnetzagentur: sie verkenne "welche Leistungen zur Stabilisierung und Flexibilisierung des Energiesystems Speicher erbringen können, indem sie Überschüsse aufnehmen und bei Bedarf wieder abgeben können“. Diese Doppelfunktion werde von der Bundesnetzagentur „schlicht ignoriert“, moniert der BVES.
Im Angesicht der zukünftigen Bundesregierung keine aufmunternde Aussage. Die Hoffnung ruht auf dem Markt.
Hier FAZ Artikel von Nadine Bös 1.3.25
Energiewende: Die Megabatterien kommenDer Markt für Batteriespeicher boomt – in einem Ausmaß, das selbst Fachleute überrascht und Netzbetreiber stark fordert. Das beschreibt etwa Christoph Müller, seit Beginn des Jahres Chef des Übertragungsnetzbetreibers Amprion .
Die Anschlussbegehren summierten sich bei Amprion selbst derzeit auf 76 Gigawatt Leistung, bei den vier Übertragungsnetzbetreibern zusammen auf rund 220 Gigawatt, sagt Müller im Gespräch mit der F.A.Z. Hinzu kämen geschätzte weitere 140 Gigawatt Anschlussbegehren an den Verteilnetzen. Allein Eon liegen nach Angaben einer Sprecherin derzeit in Summe mehr als 2000 Anfragen für Großbatteriespeicher vor, was einer Leistung von fast 100 Gigawatt entspreche. Müller sagt, hinzu komme auch noch eine schwer einschätzbare „Dunkelziffer“, weil Privathaushalte kleine Batteriespeicher im Keller planten, ohne den Netzbetreibern im Vorfeld Bescheid zu geben.
Manche in der Branche sprechen schon von „Goldgräberstimmung“. Hintergrund ist, dass die deutsche Stromerzeugung und mit ihr auch die Preise im Großhandel immer volatiler werden. Weil mal viel und mal wenig Sonne scheint, wird es für die Betreiber wirtschaftlich immer interessanter, überschüssigen Strom bei niedrigen Preisen für ein paar Stunden einzuspeichern und bei hohen Preisen wieder zu verkaufen. Je höher die Preisdifferenzen, desto größer der Profit für die Betreiber. Zudem fallen die Investitionskosten schneller als erwartet.
Batteriespeicher gleichen hohe Strompreise kurzzeitig aus
Im Idealfall sind Speicher auch volkswirtschaftlich sinnvoll: Je mehr in Betrieb sind, desto besser können sie Preisspitzen glätten. „Stromspeicher erhöhen die Preise in Niedrigpreisphasen – durch zusätzliche Nachfrage – und senken sie in Hochpreisphasen – durch Ausspeicherung“, schrieb Wolf-Peter Schill vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) kürzlich dazu. „Insofern kann das Abbauen von Barrieren für die Realisierung von beispielsweise großen Batteriespeichern dazu beitragen, zumindest kurzzeitige Hochpreisphasen zu dämpfen.“
Aktuell sind laut Bundesnetzagentur sehr viele Anlagen noch in Planung (siehe Grafik). Die Netzbetreiber selbst rechnen in Sachen Batteriespeicherausbau auch unter Hinzunahme der vielen kleineren Speicher noch relativ konservativ. Der aktuelle Netzentwicklungsplan geht für das Jahr 2037 von rund 91 Gigawatt Batterieleistung aus, davon gut ein Drittel Großspeicher.
Idealerweise werden die Speicher in den Regionen gebaut, wo sie die Netze entlasten können. Doch kurzfristig sorgen die Anfragen der Projektentwickler noch nicht für Entlastung der Netzbetreiber, im Gegenteil. Bei Amprion seien die „Kolleginnen und Kollegen, die das alles abwickeln, am Anschlag“, beschreibt Müller die derzeitige Situation. Er spricht von einer „Welle, die über uns hinwegschwappt“.
Ähnliches ist von Eon zu hören. „Die Vielzahl der Netzanschlussanfragen, häufig an unterschiedlichen Anschlusspunkten für ein und denselben Speicher, ist eine prozessuale Herausforderung“, berichtet die Sprecherin. Dahinter stecke auch, dass die Kosten von Batteriespeichern zuletzt rapide gesunken seien.
Während in der Branche immer öfter der Begriff des „Batterie-Tsunamis“ fällt, ist unklar, wie viele Projekte am Ende tatsächlich realisiert werden. Auch Christoph Müller hegt Skepsis, ob und wie viele Anfragen bei Amprion wirklich seriös sind. „Der Reifegrad der Projekte ist für uns oft schwer einzuschätzen“, sagt er. „Wie realistisch zum Beispiel die jeweilige Finanzierung ist, lässt sich gar nicht sagen.“ Manches sei wohl lediglich „ein Testballon“.
Betrieb von Speichern rechnet sich kaum
Die Skepsis mit Blick auf die Ernsthaftigkeit vieler Speicherbauvorhaben nährt auch der staatliche norwegische Energiekonzern Statkraft , dem in Deutschland zehn Wasserkraftwerke, fünf Gaskraftwerke und zwei Biomassekraftwerke gehören, sowie 39 Onshore-Windfarmen. „Es ist klar, dass Batterien eine gute Möglichkeit sind, um das Problem der Solarspitzen im Sommer zu lösen oder auch in Dunkelflauten mal drei Stunden bis zu den Verbrauchsspitzen am Abend zu überbrücken“, sagt Statkraft-Deutschlandchef Stefan-Jörg Göbel im Gespräch mit der F.A.Z. „Sie müssen nicht wegen drei Stunden am Abend 10.000 Megawatt Gaskraftwerke bauen, da reichen vielleicht auch 5000 Megawatt Kraftwerke und 5000 Megawatt Batterien“, glaubt er. „Die Frage ist nur, wie diese Anlagen Geld verdienen sollen.“
Speicherbetreiber bieten ihre „Flexibilität“ vor allem auf den Märkten an, auf denen Strom kurzfristig gehandelt wird, zum Beispiel den Intraday- oder den Regelenergiemärkten. Von den künftigen Preisen auf diesen Märkten hängen also ihre Erlöse ab. Doch diese Märkte seien „schwer zu simulieren“, argumentiert der Energiemanager, weshalb Statkraft Investitionen in Batterien gründlich abwäge. „Es könnte ja sein, dass der Bedarf des Marktes an Flexibilität auch irgendwann gedeckt ist“, sagt Göbel.
In Deutschland habe es im vergangenen Jahr knapp 100.000 Megawatt Solarleistung gegeben, die Spitzenlast betrage etwa 80.000 Megawatt. „Wie viele tausend Megawatt an Batterieleistung ergeben dann Sinn im Markt, und wann kannibalisieren sich die Batterien gegenseitig?“, fragt er. Auch Energieökonomen sprechen mit Blick auf Batteriespeicher gern von einem „Schweinezyklus“, der zeitverzögert dem boomenden Solarausbau folge. Auch ist noch unklar, inwieweit Batteriespeicher künftig in den angekündigten Kapazitätsmechanismus eingebunden werden.
Bis neuer Speicher ans Netz gehen darf, kann ein Jahr vergehen
Ein weiteres Problem für die Übertragungsnetzbetreiber: Für sie gebe es keine Möglichkeit, die vielen Netzanschlussbegehren für neue Batteriespeicher zu priorisieren, sagt Christoph Müller von Amprion. In anderen Worten: Sie werden mehr oder weniger chronologisch abgearbeitet, und das kann einige Monate dauern. Wegen der hohen Anzahl an neuen Anfragen sind sogar Wartezeiten von bis zu einem Jahr für die Anschlusszusage realistisch, sagt Müller. Darüber sei er „nicht glücklich“.
Sein Vorschlag: Projektentwickler sollen bei den Netzbetreibern eine Reservierungsgebühr für jedes Netzanschlussbegehren zahlen – „einfach nur, um mehr Planungssicherheit zu erhalten“. Würde ein Projekt tatsächlich umgesetzt, könne man die Reservierungsgebühren später anrechnen, sodass den Betreibern keine Mehrkosten entstünden. Auch vom Verteilnetzbetreiber Eon heißt es mit Blick auf die Netzanschlussbegehren: „Leider sind viele Begehren weder ernsthaft noch erfolgversprechend.“ Ein effektives Mittel zur Prüfung der Ernsthaftigkeit könnten „signifikante Reservierungsgebühren für Speicheranträge sein, um unseriöse oder unausgereifte Projekte herauszufiltern“.
Eine weitere Unsicherheit ist aus Sicht von Müller, welchen Netzausbaubedarf die 76 Gigawatt Speicherkapazität nach sich ziehen: „Für uns ist hierbei wichtig, dass die Speicher am richtigen Ort im Netz stehen und wir sie netzdienlich einsetzen können.“ Einen Ansatz, dieser Schwierigkeit beizukommen, hat vor Kurzem die Bundesnetzagentur vorgestellt. Die Behörde plant, dass die Übertragungsnetzbetreiber für Großverbraucher, Elektrolyseure und Batteriespeicher künftig regional differenzierte Baukostenzuschüsse erheben sollen. Ihre Höhe soll sich also danach richten, wie netzdienlich der Anschluss an der jeweiligen Stelle ist. „Grundsätzlich muss festgestellt werden, dass Großbatteriespeicher nicht per se netzdienlich sind“, heißt es dazu von Eon. „Baukostenzuschüsse können ein Steuerungsinstrument sein, um Standorte für neue Großbatterien zu fördern, an denen die Netze weniger stark zusätzlich belastet werden.“
Die Speicherbranche ist davon naturgemäß wenig begeistert. Der Bundesgeschäftsführer des Bundesverbands Energiespeichersysteme e.V. (BVES), Urban Windelen, wirft der Bundesnetzagentur vor, „ohne Not in den gerade hochlaufenden Energiespeichermarkt reinzugrätschen“. Weil Speicher von der Behörde behandelt werden sollen wie Verbraucher, werde „verkannt, welche Leistungen zur Stabilisierung und Flexibilisierung des Energiesystems Speicher erbringen können, indem sie Überschüsse aufnehmen und bei Bedarf wieder abgeben können“. Diese Doppelfunktion werde von der Bundesnetzagentur „schlicht ignoriert“, moniert der BVES.
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