Petersberger Klimadialog: „Wer Klimaschutz als lästig abtut, kann nicht rechnen“
Noch-Außenministerin Baerbock diskutiert mit Vertretern aus 40 Ländern über höhere Ambitionen beim Schutz gegen die Erderwärmung. Die OECD betont wirtschaftliche Vorteile.
Internationale Klimapolitik ist eines ihrer zentralen Themen, wohl auch deshalb findet der „Petersberger Klimadialog“ diesmal besonders früh im Jahr statt. Denn mit der konstituierenden Sitzung des Bundestags an diesem Dienstag ist Außenministerin Annalena Baerbock nur noch geschäftsführend im Amt.
„Wer Klimaschutz in diesen unruhigen Zeiten als teuer, lästig oder überflüssig abtut, der kann nicht rechnen“, erklärt die Grünen-Politikerin zum Start der Konferenz im Auswärtigen Amt und warnt: „Wenn wir jetzt nicht handeln, werden wir es in Zukunft noch mit weitaus höheren Kosten zu tun bekommen.“
Argumentationshilfe bekommt Baerbock vom Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) und der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD): Höhere Klimaziele seien „nicht nur erreichbar, sondern auch wirtschaftlich sinnvoll“, heißt es in einem Papier der beiden Organisationen, das am Nachmittag vorgestellt wird und dem Handelsblatt vorab vorliegt. Eine gut durchdachte Klimapolitik könne zu einem stärkeren Wirtschaftswachstum führen als „business as usual“.
Seit 2010 richtet Deutschland den Petersberger Klimadialog aus. Die zweitägige Konferenz ist mit rund 40 teilnehmenden Staaten deutlich kleiner als die zweiwöchige Klimakonferenz der Vereinten Nationen (UN), die Ende des Jahres stattfindet und an der knapp 200 Staaten teilnehmen. Sie gilt aber als wichtiges Vorbereitungstreffen. Benannt ist sie nach dem Petersberg nahe der früheren Bundeshauptstadt Bonn, wo der erste Dialog 2010 stattfand.
Die 30. UN-Vertragsstaatenkonferenz „Conference of the Parties“ (COP30) findet im November im brasilianischen Belém statt. Deswegen ist auch der Diplomat und designierte COP30-Präsident André Corrêa do Lago nach Berlin gereist.
Klimaschutz verliert an Schwung
In diesem Jahr scheint Dialog wichtiger denn je zu sein. Denn trotz zunehmender Extremwetterlagen mit Milliardenschäden halten Wissenschaftler das internationale Engagement zum Schutz des Klimas für unzureichend. Und angesichts zunehmender geopolitischer Spannungen ist die Sorge groß, dass das so bleiben könnte.
„Die derzeitigen Anstrengungen halten mit den steigenden Risiken nicht Schritt“, warnen UNDP und OECD. Der Klimaschutz verliere an Schwung, obwohl beschleunigte Maßnahmen notwendig seien, um den Wohlstand zu sichern.
Verbände in Deutschland appellierten an die nächste Bundesregierung, „internationalem Klimaschutz weiterhin hohe Priorität einzuräumen“. Auf Deutschland müsse Verlass bleiben, forderte das Bündnis Klima-Allianz Deutschland, „mit ambitioniertem Klimaschutz, starken Allianzen und verlässlicher Klimafinanzierung“.
Hintergrund sind Sorgen, dass eine künftige Regierungskoalition aus Union und SPD sich nur auf dem Papier zu den Klimazielen bekennt, während sie konkrete Klimaschutzmaßnahmen ausbremsen könnte.
Wir sehen bereits, dass das Erdsystem an Stabilität verliert
Johan Rockström, Klimaforscher
In ihrem Sondierungspapier haben Union und SPD die deutschen und europäischen Klimazielen bekräftigt, „wohlwissend, dass die Erderwärmung ein globales Problem ist und die Weltgemeinschaft es gemeinsam lösen muss“, heißt es. Klimaschutz, soziale Ausgewogenheit und wirtschaftliches Wachstum sollen demnach „pragmatisch und unbürokratisch“ zusammengebracht werden. Doch anders etwa als die Sicherheits- oder die Migrationspolitik ist Klimapolitik in den Koalitionsdebatten eher ein Randthema.
Bekräftigung der Pariser Klimaziele
Mehrere Experten warnen davor, den Klimaschutz nicht entschieden genug voranzutreiben. Johan Rockström, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), erklärte erst diese Woche, die Forschung mache „unmissverständlich“ klar: „Was wir heute tun, wird das Leben auf diesem Planeten für Jahrhunderte prägen.“
Das Zeitfenster, um die Erderwärmung unter zwei Grad Celsius im vorindustriellen Vergleich zu halten, schließe sich schnell. „Wir sehen bereits, dass das Erdsystem an Stabilität verliert.“ Das Pariser Klimaabkommen sei „nicht nur ein politisches Ziel, sondern eine physikalische Grenze“.
In der französischen Hauptstadt hatte sich die Weltgemeinschaft 2015 darauf geeinigt, die Erderwärmung langfristig auf unter zwei Grad zu begrenzen, besser auf 1,5 Grad, um die Folgen des menschengemachten Klimawandels noch handhaben zu können. Diese zeigen sich immer stärker in Form von Starkregen, Überflutungen, Hitzerekorden und Waldbränden.
2024 war das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen, mit Rekordwerten in Deutschland. Nach Daten des EU-Klimaforschungsdiensts Copernicus war es auch das erste Jahr, in dem die globale Durchschnittstemperatur mehr als 1,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau lag. Dieses wird aus den Temperaturen der Jahre 1850 bis 1900 errechnet.
Die Entwicklungs- und Umweltorganisation Germanwatch fordert Deutschland dazu auf, den internationalen Klimaschutz voranzubringen und sich nicht davon beirren zu lassen, dass die USA unter Präsident Donald Trump aus dem Pariser Abkommen ausgetreten sind. Germanwatch-Politikchef Christoph Bals sagte, vor der kommenden Klimakonferenz in Brasilien müssten die Weichen für verbesserte Klimaziele der Staaten gestellt werden.
Es brauche zudem eine Antwort auf die Frage, wie die Klimafinanzierung für Entwicklungsländer schnell und signifikant steigen könne. „Das große Ziel sind 1,3 Billionen Dollar pro Jahr“, so Bals.
Auf der vorigen Klimakonferenz im November in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku wurde vereinbart, dass von 2026 bis 2035 jährlich 300 Milliarden Dollar an Klimahilfen für Entwicklungsländer mobilisiert werden. Bislang sind es 100 Milliarden Dollar jährlich.
Milliarden aus dem neuen Haushalt
Ab 2026 sind zudem nicht mehr nur die Industrieländer dafür verantwortlich, die Summe aufzubringen, sondern auch Schwellenländer. Zudem wurde in Baku vereinbart, bis 2035 daran zu arbeiten, die Summe auf 1,3 Billionen Dollar jährlich zu erhöhen.
Deutschland sei mitverantwortlich dafür, Fortschritte bei der Finanzierung voranzutreiben, meint David Ryfisch, Leiter für Klimapolitik bei Germanwatch. „Der Klimadialog muss einen Beitrag zur Antwort auf die Frage leisten, wie die Klimafinanzierung für Entwicklungsländer schnell und signifikant steigen kann“, sagt er.
Von Deutschland erwartet Ryfisch konkret die Zusage, mindestens sechs Milliarden Euro an Haushaltsmitteln für die Klimafinanzierung in diesem Jahr bereitzustellen. Dass Noch-Kanzler Olaf Scholz (SPD) in seiner Rede am Mittwoch diese Zusage macht, darf wegen des bevorstehenden Regierungswechsels jedoch bezweifelt werden.
Yahoo hier AFP Di., 25. März 2025
Petersberger Klimadialog soll Schwung in internationale Klimadiplomatie bringen
Hochrangige Gespräche im Rahmen des internationalen Petersberger Klimadialogs sollen ab Dienstag (ab 10.30 Uhr) neuen Schwung in die internationale Klimadiplomatie bringen. Schwerpunkte des zweitägigen Treffens in Berlin sind ein Nachschärfen der nationalen Klimaziele sowie die finanzielle Unterstützung von Ländern des globalen Südens bei Klimaschutz und Klimaanpassung.
Der Klimadialog dient damit der Vorbereitung der nächsten UN-Konferenz im November im brasilianischen Belém. Belastet wird die Klimadiplomatie derzeit durch die Abwendung der USA vom Pariser Klimaschutzabkkommen und deren auch finanzielle Konsequenzen. Am Mittwoch wollen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und UN-Generalsekretär António Guterres im Rahmen des Klimadialogs sprechen.
Wissenschaftler: Erde erwärmt sich immer schneller
Die Erde kann die Auswirkungen des menschengemachten Klimawandels nach Einschätzung eines renommierten Klimawissenschaftlers womöglich immer schlechter abfangen. Dafür gebe es Anzeichen, sagte der Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, Johan Rockström, beim Petersberger Klimadialog in Berlin. Das internationale Treffen dient der Vorbereitung der nächsten Weltklimakonferenz im November in Brasilien.
Zuletzt habe sich die Erderwärmung beschleunigt, erläuterte Rockström. So habe sich der Planet zwischen den 1970er Jahren und 2014 um ungefähr 0,2 Grad Celsius pro Jahrzehnt erwärmt. Im vergangenen Jahrzehnt habe es plötzlich eine Beschleunigung auf 0,3 Grad geben. Noch sei unklar, warum dies passiere.
Auf der anderen Seite gebe es Hinweise, dass der Planet die Effekte des Klimawandels immer schlechter ausgleichen könne, sagte Rockström. So führe das Schmelzen von Eisflächen dazu, dass weniger Sonnenlicht reflektiert werde, was zur Erhitzung der Erde beitrage. Zudem gebe es Untersuchungen dazu, dass Wälder etwa in Finnland, Kanada oder im Amazonas nicht mehr so wie früher als Kohlendioxid-Speicher funktionierten. Wenn bestimmte biologische Systeme wie Korallenriffe oder der Amazonas verloren gingen, könne das verheerende Effekte haben.
Warnung vor unumkehrbaren Veränderungen
Die Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter sei kein Ziel, sondern eine physikalische Grenze, sagte Rockström. "Das will man nicht überschreiten, weil man wahrscheinlich unumkehrbare Veränderungen verursachen würde, die das Tempo der Erwärmung sogar noch weiter verstärken würden."
Bei der Pariser Klimakonferenz hatte sich die Weltgemeinschaft 2015 das Ziel gesetzt, die Erderwärmung möglichst auf 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen, zumindest aber auf deutlich unter 2 Grad. Wenn dies gelinge, dann könne der Planet im besten Fall zum Ende des Jahrhunderts auf eine Erwärmung von 1,5 Grad kommen - nach einer Periode der Überschreitung des Ziels. Dies setze aber den kompletten Abschied von fossilen Brennstoffen voraus sowie funktionierende Ökosysteme wie Ozeane, sagte Rockström.
Entwicklungs-Staatssekretär Flasbarth betont Bedeutung der Wälder für Klimaschutz
Entwicklungs-Staatssekretär Jochen Flasbarth hat im Vorfeld hochrangiger Klimagespräche in Berlin die Bedeutung des Waldschutzes für die Begrenzung der Erderwärmung hervorgehoben. Es sei daher "ein Glücksfall, dass Brasilien in diesem Jahr die Weltklimakonferenz ausrichtet", sagte Flasbarth vor Beginn des Petersberger Klimadialogs am Dienstag der Nachrichtenagentur AFP. Der Austragungsort der nächsten UN-Klimakonferenz, das brasilianische Belém, habe "eine besondere Symbolkraft für den Schutz der tropischen Wälder".
"Ohne Regenwälder gäbe es kein stabiles Weltklima mehr", warnte Flasbarth. Der Schutz der Wälder könne dann gelingen, "wenn die Menschen besser von den stehenden Wäldern leben als von ihrer Abholzung". Brasilien habe dafür Vorschläge vorgelegt, die auf dem Klimadialog besprochen werden sollten.
"Kaum ein anderes Land ist in der multipolaren Weltordnung so beweglich, anschlussfähig und lösungsorientiert wie Brasilien", sagte Flasbarth zudem. Auch dies sei wichtig, "in turbulenten Zeiten für die internationale Zusammenarbeit" nach der Abkehr der USA von der globalen Klimadiplomatie.
"Die Klimakrise kann niemand abwählen", betonte Flasbarth. "Sie ist ein Fakt, der immer mehr Existenzen bedroht - von der jahrelangen Dürre am Horn von Afrika bis zur Feuerkatastrophe in Los Angeles." Es sei "die Realität der Dürren, Überflutungen und Meeresspiegel, die uns als Weltgemeinschaft zum Handeln zwingt". Die Staaten müssen daher "in diesem Jahr zeigen, dass sie mehr zum Klimaschutz beitragen werden und dass sie mehr tun, um sich an die unvermeidbaren Klimafolgen anzupassen".
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen