Mittwoch, 26. März 2025

Update: Die Münchner Staatsanwälte haben das rechte Maß verloren


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DPA  hier

Amnesty International kritisiert Anklage von Klimaaktivisten

Amnesty International und weitere Organisationen protestieren scharf gegen eine Anklage von Mitgliedern der ehemaligen Klimagruppe Letzte Generation wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung. 

Das Vorgehen der Generalstaatsanwaltschaft München sei unverhältnismäßig, sagte die Generalsekretärin von Amnesty International, Julia Duchrow. Damit werde die gesamte Klimabewegung stigmatisiert und kriminalisiert. Dabei sei auch unbequemer Protest durch die Verfassung und die Menschenrechte geschützt.

Die Generalstaatsanwaltschaft München hat wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung Anklage gegen fünf Mitglieder der ehemaligen Letzten Generation erhoben. Zu den konkreten Vorwürfen in der Anklage äußerte sich eine Sprecherin zunächst nicht. 

Die Protestgruppe nennt sich inzwischen Neue Generation. Dies sagte das Mitglied Raphael Thelen kürzlich dem «Spiegel». Die Gruppe werde sich künftig nicht mehr nur für Klimaschutz, sondern für Demokratie allgemein einsetzen.

Luisa Neubauer von «Fridays for Future» kritisierte das Vorgehen der Ermittler als «Baseballschläger-Umgang» mit Protest. Auch wenn man uneins darüber sei, ob es richtig sei, sich auf Straßen zu kleben - man sei sich einig, dass es Protest brauche. 

Christoph Bautz von der Organisation Campact sagte, auch wenn man das Vorgehen der Letzten Generation für falsch und schädlich für die Klimabewegung halte - eine derartige Kriminalisierung wie jetzt in München dürfe in einem Rechtsstaat wie Deutschland nicht passieren. Joschka Selinger von der Gesellschaft für Freiheitsrechte warnte vor einem Abschreckungseffekt.

«Abschreckung und Einschüchterung»

«Wichtiges zivilgesellschaftliches Engagement kann durch so unverhältnismäßige repressive Maßnahmen erstickt werden. Es kommt zu Abschreckung und Einschüchterung», beklagte Duchrow. Das habe in einer menschenrechtsbasierten Gesellschaft, die vom freien Meinungsaustausch lebe, keinen Platz. Sie betonte: «Wir brauchen Protest und wir brauchen Klimaprotest.»

Ob es zum Prozess kommt, muss das Landgericht München I entscheiden. Bis zu einer möglichen rechtskräftigen Verurteilung gilt für die Betroffenen die Unschuldsvermutung. Bei einer Verurteilung droht den Rädelsführern bis zu fünf Jahren Haft, in manchen Fällen sogar bis zu zehn Jahren. 

Bundesweite Razzia sorgte für Aufsehen

Eine bundesweite Razzia in dem Fall hatte im Mai 2023 teils scharfe Kritik und Streit vor Gericht ausgelöst. Damals hatten 170 Polizisten 15 Objekte in sieben Ländern durchsucht. Unter Federführung der Bayerischen Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus und des Landeskriminalamts wurde damals auch die Internetseite der Gruppe vorübergehend abgeschaltet. 

Nicht die erste Anklage ihrer Art

Es ist nicht die erste Anklage gegen Mitglieder der Gruppe wegen des Vorwurfs der Bildung einer kriminellen Vereinigung. Im brandenburgischen Neuruppin hat die Staatsanwaltschaft gegen fünf Mitglieder eine entsprechende Anklage erhoben. Ob es in dem Fall zu einem Prozess kommt, war zuletzt noch offen.


hier  AFP  23.3.25

Letzte-Generation-Klimaaktivisten wegen Bildung krimineller Vereinigung angeklagt

hier  We act Unterschriftenaktion

Die Generalstaatsanwaltschaft München hat fünf Klimaaktivisten der früheren Gruppe Letzte Generation wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung angeklagt. Wie die ehemalige Letzte Generation mitteilte, erfolgte die Anklage zum Landgericht München I.

 Diesen werde vorgeworfen, eine kriminelle Vereinigung gebildet zu haben, die auf das Begehen von Straftaten gerichtet gewesen sei.

Die Anklageschrift umfasst den Angaben zufolge 149 Seiten. Unter den Beschuldigten ist demnach auch die bekannte Klimaaktivistin Carla Hinrichs. Die Organisation bewertete die Erhebung der Anklage als "Angriff auf zivilgesellschaftliches Engagement als einen Eckpfeiler der Demokratie".

Süddeutsche Zeitung hier  Kommentar von Wolfgang Janisch  24. März 2025,

Meinung Klimaaktivismus: Die Münchner Staatsanwälte haben das rechte Maß verloren

Die Anklage gegen die „Letzte Generation“ lautet tatsächlich auf Bildung einer kriminellen Vereinigung. Hoffentlich stoppt ein Gericht die forschen Ermittler.

Die Anklage der Generalstaatsanwaltschaft München gegen Mitglieder der „Letzten Generation“ kommt nicht überraschend. Es waren die bayerischen Strafverfolger, die von vornherein eine harte Gangart gegen die Klimaaktivisten gewählt haben. Da ist es aus ihrer Sicht folgerichtig, dass auch sie – wie zuvor bereits die Ankläger in Flensburg und Neuruppin – zum schärfsten Schwert greifen: Die Anklage lautet auf Bildung einer kriminellen Vereinigung.

Wirklich nachvollziehbar ist die Anklage trotzdem nicht. Man kann den Aktivisten zwar so manches vorwerfen, zum Beispiel, dass sie auf der Suche nach immer schrilleren Aktionsformen das Maß verloren haben, das öffentlicher Protest beachten sollte. Auch wer sich an der Grenze zur Rechtsverletzung bewegt, sollte nicht vergessen, dass Klimaprotest letztlich nur politische Kommunikation ist. Blockaden sind symbolische Botschaften, nicht aktivistische Selbsthilfe.

Auch Staatsanwälte müssen den Kontext einer Tat in ihre Abwägung einbeziehen

Diese symbolische Ebene hat aber auch die Justiz bei der Auswahl des passenden Paragrafen zu beachten. Kriminelle Vereinigungen, das sind Drogenhändler oder Schutzgelderpresser, die um des eigenen Profits willen dem Gemeinwesen schaden. Klimaaktivisten wollen die Menschheit retten. Das rechtfertigt es natürlich nicht, für den guten Zweck Straftaten zu begehen. Wer zu rechtswidrigen Mitteln greift, der kann und soll bestraft werden, wegen Nötigung, wegen Sachbeschädigung.

Mit der Anklage wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung hat die Justiz indes überzogen. Und zwar deshalb, weil das Strafrecht kein grundrechtsfreier Raum ist. Auch Staatsanwälte müssen den Kontext einer Tat in ihre Abwägung einbeziehen, sie dürfen nicht ausblenden, dass es hier um Protest geht. Gewiss, die „Letzte Generation“ hat das Maß verloren – aber für die Münchner Staatsanwälte gilt dies ebenfalls. Bleibt zu hoffen, dass die Gerichte die Staatsanwälte stoppen. Denn bevor ein Prozess beginnt, muss eine Anklage zugelassen werden. Und das steht in allen Fällen noch aus.


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