Standard hier 4. März 2025,
ErnährungskriseEine finnische Studie analysierte die Folgen der Klimaerwärmung für die 30 wichtigsten Nutzpflanzen: Besonders schlimm trifft es die Anbaugebiete in niedrigen Breitengraden
Der Klimawandel mit all seinen Folgen bedroht die Landwirtschaft in vielen Weltregionen. In manchen Gegenden könnte der Lebensmittelanbau völlig unmöglich werden.
Bäuerinnen und Bauern rund um den Erdball spüren die Folgen der Klimaerwärmung seit Jahren als allgegenwärtige Realität am eigenen Leib. Auch die Konsumentinnen und Konsumenten werden von den Entwicklungen nicht verschont: Die Preise zahlreicher Lebensmittel steigen unaufhörlich, weil die Ernten durch Dürren und Extremwetterereignisse immer kümmerlicher ausfallen.
Wie es in einer Welt mit unaufhörlich steigenden Temperaturen um die zukünftige Ernährungssicherheit steht, hat sich nun ein finnisches Forschungsteam anhand von über zwei Dutzend Nutzpflanzen genauer angesehen. Eines vorweg: Die im Fachjournal Nature Food vorgestellten Ergebnisse zeichnen selbst in optimistischeren Szenarien ein düsteres Bild vor allem für Regionen im Süden.
Je näher am Äquator, desto schlimmer
Für ihre Studie analysierte die Gruppe um Sara Heikonen von der Aalto-Universität in der finnischen Hauptstadt Helsinki die Auswirkungen künftiger Veränderungen von Temperatur, Niederschlag und Trockenheit auf die Anbaubedingungen von 30 zentralen Nahrungspflanzenarten. Die Resultate offenbarten ein wenig überraschendes Muster: Regionen in niedrigen Breitengraden, die sich also näher am Äquator befinden, müssen mit weitaus schwerwiegenderen Folgen rechnen als jene in mittleren oder hohen Breitengraden. Je nach Ausmaß der Erderwärmung könnte in diesen Zonen bis zur Hälfte der Nahrungsmittelproduktion verloren gehen. Die klimatischen Bedingungen würden dort schlicht ungeeignet für den Anbau vieler Pflanzen werden, hieß es.
Besonders dramatisch ist die prognostizierte Abnahme der Nutzpflanzendiversität. "Der Verlust der Vielfalt bedeutet, dass die Palette der für den Anbau verfügbaren Nahrungspflanzen in bestimmten Gebieten erheblich schrumpfen könnte", sagte Heikonen. "Das würde die Ernährungssicherheit verringern und es schwieriger machen, ausreichend Kalorien und Proteine zu erhalten." Am schlimmsten betroffen seien demnach Regionen in Afrika südlich der Sahara, wo bei einer globalen Erwärmung von mehr als 3 Grad Celsius fast drei Viertel der aktuellen Produktion in Gefahr wären.
Weltkarte mit Veränderung der Vielfalt von Nutzpflanzen bei einem Szenario mit einer globalen Erwärmung von plus 2 Grad Celsius
Die Grafik zeigt die Veränderung der Vielfalt von Nutzpflanzen bei einem Szenario mit einer globalen Erwärmung von plus 2 Grad Celsius im Vergleich zur aktuellen Situation (in Prozent).
Grafik: Matti Kummu et. al/Aalto University
Schrumpfende Anbauflächen
Nicht nur die Zahl der Nutzpflanzenarten schrumpft, die steigenden Temperaturen werden auch die Flächen, die für den Anbau von Grundnahrungsmitteln wie Reis, Mais, Weizen, Kartoffeln und Sojabohnen geeignet sind, drastisch reduzieren. Diese fünf Nahrungsmittelarten decken mehr als zwei Drittel des weltweiten Kalorienbedarfs. Besonders gefährdet sind tropische Wurzelfrüchte wie Yamswurzeln, die für die Ernährungssicherheit in wirtschaftlich schwächeren Regionen eine entscheidende Rolle spielen.
Im Unterschied dazu werden sich die Bedingungen in mittleren und hohen Breitengraden voraussichtlich nicht ganz so fatal entwickeln. Zwar werden sich die Anbauzonen bestimmter Kulturen ebenso verschieben, doch insgesamt wird produktives Land dort erhalten bleiben, in einigen Modellberechnungen sogar ausgeweitet. "Beispielsweise könnte der Anbau von Obst aus gemäßigten Klimazonen, wie Birnen, in nördlicheren Regionen häufiger werden", sagte Heikonen.
Schädlinge und extremes Wetter
Doch auch wenn klimatische Bedingungen den Anbau in einigen Weltgegenden begünstigen, bedeutet das nicht automatisch eine reibungslose Anpassung, warnt Matti Kummu, leitender Autor der Studie: "Wir haben gezeigt, dass es ein klimatisches Potenzial gibt, aber die Erwärmung könnte beispielsweise neue Schädlinge und extreme Wetterereignisse mit sich bringen, die in unserem Modell nicht berücksichtigt sind. Die Situation ist also nicht wirklich so schwarz-weiß."
Gerade die am stärksten betroffenen Zonen in niedrigen Breitengraden stehen nach Angaben der Forschenden vor enormen Herausforderungen. Viele dieser Gebiete sind bereits heute mit Ernährungskrisen konfrontiert und besitzen geringere wirtschaftliche Resilienz als nördliche Industrieländer.
Dennoch existieren Möglichkeiten zur Anpassung: "In vielen Gebieten in niedrigen Breitengraden, insbesondere in Afrika, sind die Erträge im Vergleich zu ähnlichen Gebieten in anderen Teilen der Welt gering. Sie könnten höhere Erträge erzielen, wenn sie Zugang zu Düngemitteln und Bewässerung hätten und die Lebensmittelverluste in der Produktions- und Lagerkette reduziert würden", erklärte Kummu.
Schwierige Umsetzung
Doch der Wissenschafter mahnt auch zur Vorsicht: "Die anhaltende globale Erwärmung birgt große Unsicherheiten, was diese Prognosen betrifft, und wahrscheinlich sind noch mehr Maßnahmen erforderlich, wie zum Beispiel die Auswahl der Nutzpflanzen und neuartige Züchtungen. Ich sage immer: Die Modellierung und die Analyse sind der einfache Teil – zu verstehen, wie Veränderungen als Reaktion auf den Klimawandel umgesetzt werden können, ist der schwierigste Teil."
Gezielte Maßnahmen zur Verbesserung der landwirtschaftlichen Infrastruktur seien demnach sowohl in niedrigeren Breitengraden als auch in den mittleren und hohen Breitengraden notwendig. "Wenn wir unser Nahrungsmittelsystem in Zukunft sichern wollen, müssen wir sowohl den Klimawandel eindämmen als auch uns an seine Auswirkungen anpassen", sagte Heikonen. "Auch wenn die größten Veränderungen in den Äquatorregionen stattfinden, werden wir alle die Auswirkungen durch das globalisierte Nahrungsmittelsystem spüren. Wir müssen gemeinsam handeln, um diese Probleme anzugehen." (tberg, red, 4.3.2025)
Studie hier
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