Freitag, 21. März 2025

Wird die grüne Transformation durch eine „optimierte Energiewende“ deutlich billiger?

Holger Lösch, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des BDI, spricht von "bisher „extrem ambitionierten und teuren Planungen“ und meint damit z.B. die von Bayern durchgesetzten Erdkabel. Das war aber nicht ambitioniert sondern im Gegenteil eher eine Verhinderungstaktik von Seehofer.....Genauso wie die Abstandsregel für Windkraft, die den Windkraftbau in Bayern zum Erliegen gebracht haben.

Beim Thema "absehbare Steigerung der Stromnachfrage" würde ich widersprechen wollen..... Während  die BDI vor allem mit nicht erreichten (aber dennoch umso dringender notwendigen) Transformationen beim Verkehr und im Gebäudebereich argumentiert, zeigt Christian Stöcker hier die Exponentialkurven der beispielhaften Entwicklung bei PV und Batterie-Verkäufen auf. Das zeigt, mit welch unterschätzter Dynamik man bei den Erneuerbaren rechnen könnte....
Es lohnt sich ihm zuzuhören!


Es gibt auch die Meinung, dass die bestehenden Leitungen durchaus mehr Leistung tragen könnten,  und daher weniger ausgebaut werden müssten  (hier)

HM, so toll es wäre, Geld zu sparen, bin ich mir nicht sicher, ob die Studie eine Verzögerungstaktik ist.
Richtig ist auf jeden Fall: wir brauchen mehr Akkus.


hier Süddeutsche Zeitung 20. März 2025,

Wäre die Energiewende 300 Milliarden Euro billiger zu haben?

Bis 2045 will Deutschland klimaneutral sein. In einer Studie, die der Bundesverband der Deutschen Industrie in Auftrag gegeben hat, heißt es nun, das sei wesentlich kostengünstiger möglich, als es die Regierung bisher plant.

Bei der Umsetzung der Energiewende ließe sich einer Studie zufolge viel Geld sparen. Würde die Transformation hin zu klimaneutraler Energie in Deutschland effizienter umgesetzt, würde das bis zum Jahr mehr als 300 Milliarden Euro weniger kosten, heißt es in einer Analyse der Beratungsgesellschaft Boston Consulting Group, die der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) in Auftrag gegeben hat. Das sei möglich, ohne die langfristigen Klimaziele zu gefährden.

Deutschland hat sich das Ziel gesetzt, seinen Ausstoß an Treibhausgasen bis 2030 um 65 Prozent im Vergleich zum Jahr 1990 zu senken und bis 2045 sogar klimaneutral zu sein, also nicht mehr Treibhausgase ausstoßen, als wieder gespeichert werden können. Das bedeutet, schrittweise aus fossilen Energien wie Kohle und Gas auszusteigen.

Der Studie zufolge gehen die derzeit geplanten Investitionen in Erneuerbare, Stromnetze und Wasserstoff weit über die absehbare Nachfrage hinaus. Dadurch entstünden vermeidbare Sonderkosten. Gleichzeitig setze die Planung an vielen Stellen auf teure Lösungen wie zum Beispiel Erdkabel statt Freileitungen. Auch wäre es billiger, anteilig mehr Windräder an Land statt auf See zu errichten sowie Solaranlagen auf Freiflächen statt auf Dächern zu installieren.  Außerdem sollte der Zubau erneuerbarer Energien stärker nach regionalem Bedarf gesteuert werden und Stromspeicher sollten stärker ausgebaut werden.

„Mit besserer Koordination und Planung könnte die Energiewende in den nächsten zehn Jahren mehr als 20 Prozent günstiger werden – bei gleichzeitig sinkenden Emissionen“, sagte BCG-Partner Jens Burchardt. Die Kosten des deutschen Stromsystems haben sich seit 2010 um etwa 70 Prozent erhöht. Weitere Steigerungen sind absehbar angesichts zunehmender CO2-Preise. Die Gaspreise sind fünf Mal höher, die Strompreise bis zu 2,5 Mal höher als bei internationalen Konkurrenten.


Handelsblatt  hier  Klaus Stratmann  20.03.2025

Kurswechsel bei Energiewende soll Milliarden-Einsparungen bringen

Mehr Effizienz bei der Energiewende könnte den Investitionsbedarf bis 2035 um 370 Milliarden Euro reduzieren, rechnet der BDI vor. Der Verband empfiehlt 20 konkrete Maßnahmen.

Die Energiewende ist nach Überzeugung des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) teuer und ineffizient. Die Kosten des deutschen Stromsystems seien seit 2010 um 70 Prozent gestiegen, Strom- und Gaspreise deutlich höher als bei den internationalen Wettbewerbern, kritisiert der Verband, der sich auf eine Studie der Boston Consulting Group (BCG) beruft.

Durch eine „optimierte Energiewende“ ließen sich bis 2035 Investitionen in Höhe von 370 Milliarden Euro einsparen, ohne Klimaziele zu gefährden. Zugleich könnten auf diesem Wege die Stromkosten für Industrie und private Verbraucher um knapp 20 Prozent sinken, rechnen BDI und BCG vor.

Holger Lösch, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des BDI, sagte, hohe Energiekosten seien nicht erst seit der Energiekrise des Jahres 2022 eine der größten Sorgen deutscher Industrieunternehmen. „Das erhöht den Druck, die Energiewende kosteneffizienter umzusetzen“, sagte Lösch. Die bisher „extrem ambitionierten und teuren Planungen“ müssten an aktuelle Nachfrage- und Kostenentwicklungen angepasst werden.

Jens Burchardt, Partner bei BCG, sagte, Emissionssenkungen und Kostensenkungen stünden nicht im Widerspruch zueinander. Mit besserer Koordination und Planung lasse sich die Energiewende bei gleichzeitig sinkenden Emissionen deutlich günstiger gestalten.

Der BDI kritisiert, die derzeit geplanten Investitionen in erneuerbare Energien, Stromnetze und Wasserstoff gingen weit über die absehbare Steigerung der Stromnachfrage hinaus und würden Verbraucher dadurch mit hohen Kosten belasten, die teilweise vermeidbar seien.

Dass die Stromnachfrage steigen wird, erklärt sich mit den CO2-Reduktionszielen. Prozesse, die aktuell noch auf dem Einsatz der fossilen Energieträger Öl, Kohle oder Gas basieren, sollen elektrifiziert werden: E-Autos ersetzen Verbrenner, elektrische Wärmepumpen ersetzen Gaskessel.


Dekarbonisierung lässt Stromnachfrage steigen

Auch in der Industrie werden zunehmend Prozesse elektrifiziert. Und dort, wo der Einsatz von Strom technisch nicht möglich ist, soll künftig grüner Wasserstoff zum Einsatz kommen, dessen Herstellung große Mengen Strom aus erneuerbaren Quellen erfordert. Das gilt etwa für den Schwerlast- und Flugverkehr sowie für die Primärstahlroute, also die Stahlherstellung mit Erz und Kohle.

Doch der Dekarbonisierungsprozess schreitet nicht so schnell voran wie prognostiziert. Verschiedene Annahmen der Politik aus den vergangenen Jahren gelten zwar immer noch, sie erscheinen heute aber überzogen: Bis 2030 sollen 15 Millionen E-Autos auf deutschen Straßen fahren, sechs Millionen elektrische Wärmepumpen eingebaut sein und Elektrolyseure zur Herstellung von grünem Wasserstoff mit einer Leistung von zehn Gigawatt (GW) installiert sein.

Nach Auffassung von BDI und BCG ist es illusorisch, diese Ziele zu erreichen. Entsprechend weniger stark werde der Strombedarf steigen, argumentieren sie. (???Irgendwie halte ich diese Aussage für sehr tendenziös)

BDI und BCG stehen mit dieser Analyse nicht allein. Kürzlich hatte das Beratungsunternehmen McKinsey eine Studie vorgestellt, die zu ähnlichen Ergebnissen kommt: Es werde zusätzlichen Strombedarf in den Bereichen Verkehr, Wasserstoff, Industrie und Haushalte geben. Aber er werde „deutlich geringer ausfallen, als in den Szenarien der Bundesregierung unterstellt wird“.

Die Empfehlung der Experten von McKinsey: „Deutschland sollte den Ausbau der Erneuerbaren und der Netze stärker am tatsächlichen Bedarf orientieren.“ Dann würden auch die Strompreise weniger stark steigen.

Der Netzbetreiber Amprion kommt zu dem Schluss, dass beim Ausbau der Stromübertragungsnetze wegen des weniger stark steigenden Strombedarfs in den nächsten zehn Jahren rund 92 Milliarden Euro eingespart werden können.

Die Fortschritte, die zuletzt bei der Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren erzielt worden seien, ermöglichten eine flexiblere Planung der Netze, heißt es bei Amprion. Langfristige Netzausbauprojekte sollten daher nicht vorschnell in Gesetze gegossen werden.


20 politische Hebel für die Energiewende

Die Forderung nach mehr Effizienz für die Energiewende findet damit einen breiten Widerhall. In einer noch unveröffentlichten Analyse des Thinktanks Epico, die dem Handelsblatt vorliegt, heißt es, es müsse „eine Anpassung des Netzausbaus an die langsamere Elektrifizierung erfolgen“.

Epico-Chef Bernd Weber sagte dem Handelsblatt, für die Koalitionsverhandlungen im Bereich Energie und Klima müsse gelten: „Nicht nur die Symptome hohe Preise, sondern auch die Ursachen durch strukturelle Reformen zur Kostenreduktion angehen.“

BDI und BCG definieren mit Blick auf anstehende Weichenstellungen in den Koalitionsverhandlungen von CDU, CSU und SPD „20 politische Hebel für eine bezahlbare Energiewende“.

Dazu zählt an erster Stelle der Punkt „Planung an die Realität anpassen“. Davon versprechen sich BDI und BCG einen erheblichen Kostensenkungseffekt.

Gerade beim Netzausbau sorgen die an einem schnell steigenden Stromverbrauch orientierten Investitionen für überproportional steigende Kosten, weil Lieferanten von Kabeln und Trafos wegen der stark steigenden Nachfrage nach ihren Produkten in einer starken Position sind. Das treibt die Preise.


Tennet will 200 Milliarden Euro in Stromnetze stecken

Außerdem empfehlen BDI und BCG, die Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen systemdienlicher zu machen. Damit spielen sie auf die wachsenden Probleme an, die sich aus dem raschen Zubau von Photovoltaik- und Windkraftanlagen ergeben: Es häufen sich die Phasen, in denen der Strom nicht mehr sinnvoll eingesetzt werden kann, Überlastungen der Stromnetze sind die Folge.

BDI und BCG fordern daher, die Elektrifizierung voranzutreiben: Eine schnellere Umstellung auf Strom in den Sektoren Verkehr, Gebäude und Industrie sei nötig, „um bestehende Investitionen ins Stromsystem besser auszulasten und dabei die Erreichung der Klimaziele zu beschleunigen“.

(widerspricht sich das jetzt nicht?)

Kostensenkungspotenziale sehen BDI und BCG auch beim Thema Wasserstoff. Sie gehen davon aus, dass grüner Wasserstoff, der in Deutschland hergestellt wird, deutlich teurer bleiben wird als von der Politik noch vor wenigen Jahren prognostiziert.

Die ambitionierten Pläne zur Wasserstoffwirtschaft sollten daher „stärker an ökonomischen Realitäten ausgerichtet werden“. Gleichzeitig gelte es, günstigere Alternativen für die Industrie zu erleichtern, etwa durch verstärkte Importe von Wasserstoff, durch blauen Wasserstoff oder durch Bioenergie.

Epico teilt diese Empfehlung. Es müsse eine technologieneutrale Förderung eingeführt werden, die sich an der tatsächlichen Treibhausgasreduktion orientiere, um verschiedene Produktionsmethoden wirtschaftlich nutzbar zu machen. „Der pragmatische Konsens lautet: blauer Wasserstoff als Brücke, grüner Wasserstoff als Ziel“, heißt es in der Epico-Analyse.


Mit Wasserstoff betriebene Kraftwerke treiben die Kosten

Besonders kritisch sehen BDI und BCG Pläne, Back-up-Kraftwerke verpflichtend auf den Betrieb mit grünem Wasserstoff umzustellen. Sie warnen, die Kraftwerke würden zwar voraussichtlich aufs Jahr gesehen weniger als zehn Prozent des insgesamt benötigten Stroms erzeugen, aber für mehr als 30 Prozent der gesamten Erzeugungskosten stehen, wenn sie mit grünem Wasserstoff betrieben würden.

Back-up-Kraftwerke spielen eine entscheidende Rolle für das Gelingen der Energiewende. Sie sollen immer dann einspringen, wenn die Erneuerbaren nicht ausreichend Strom produzieren, um die Nachfrage zu decken.

Die Kraftwerke sollen zunächst mit Erdgas betrieben werden, später mit Wasserstoff. So jedenfalls sah es der Entwurf des Kraftwerkssicherheitsgesetzes der Ampelkoalition vor. Das Gesetzesvorhaben scheiterte jedoch mit dem Zerbrechen der Koalition. Die nächste Bundesregierung wird sich erneut mit dem Thema befassen müssen.


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