hier Frankfurter Rundschau Artikel von Andreas Niesmann 21.3.25
Der Schatten der FDP
Statt Haushaltspolitik zu gestalten, hat Christian Lindner sie blockiert. Er hat damit dazu beigetragen, dass Union und SPD nun jegliche Hemmungen bei der Aufnahme von Krediten verlieren.
Als historisch gilt derzeit vieles, der 21. März aber ist ohne Zweifel ein Tag für die Geschichtsbücher. Nach dem Bundestag hat auch der Bundesrat einen Mechanismus außer Kraft gesetzt, der 2009 als Reaktion auf die Weltfinanzkrise ersonnen worden ist, und in jüngerer Vergangenheit als Mutter aller finanzpolitischen Probleme gegolten hatte: die Schuldenbremse.
Offiziell gibt es die Regelung in der Verfassung zwar noch. Aber die Ausnahmen sind fortan derart groß, dass von einem Bremsen der Verschuldung keine Rede mehr sein kann. Im Gegenteil. In den kommenden Jahren wird allein der Bund die Möglichkeit haben, zusätzliche Verbindlichkeiten in Höhe von bis zu einer Billion Euro aufzunehmen. Der gesamte Bundeshaushalt ließe sich damit bestreiten. Und zwar zweimal.
Gründe und Verantwortliche für das XXL-Kreditpaket gib es viele. Trump und Putin werden häufig genannt, auch Merz und Klingbeil. Übersehen wird hingegen meist die Verantwortung zweier Politiker, die mit Schulden eigentlich wenig am Hut haben: Wolfgang Schäuble und Christian Lindner. Mit Schäubles Amtszeit als Finanzminister begann 2009 ein zehn Jahre andauernder Boom. Die Steuern flossen derart üppig, dass sich der CDU-Mann als Haushalts-Sanierer inszenieren konnte, während CSU und SPD fleißig Wahlgeschenke verteilten. Über den schlechten Zustand von Bundeswehr, Bahn und Brücken sahen die Koalitionäre großzügig hinweg. Statt die Null-Zinsen jener goldenen Jahre für Zukunftsinvestitionen zu nutzen, baute Schäuble lieber Schulden ab – und vergab damit eine einmalige Chance. Das Ergebnis dieser Politik erleben Autofahrende und Bahnreisende jeden Tag.
Noch einiger waren sich die Parteien sowie große Teile der Gesellschaft beim Herunterwirtschaften der Bundeswehr. Außerhalb militär- und sicherheitspolitischer Kreise wurde der erbarmungswürdige Zustand der Truppe allenfalls belächelt. Es brauchte Putins Krieg und Trumps zweite Amtszeit, um die Deutschen aus ihrem verteidigungspolitischen Tiefschlaf zu wecken.
Dass CDU, CSU, SPD und Grüne in höchster Not die Kraft gefunden haben, mit dem Dogma der Schuldenbremse zu brechen, ist gut. Schlecht ist, dass die FDP diese Kraft nicht hatte. Zwar waren deren Stimmen für die Verabschiedung der Reform nicht mehr nötig, ihre Skepsis gegen einen ausufernden Staat aber hätte dem Paket gutgetan. Dass die FDP dieser Verantwortung nicht gerecht wurde, ist Teil des schweren Erbes von Schäubles Nach-Nachfolger Christian Lindner.
Als Finanzminister hatte der FDP-Chef eisern an der Haushaltskonsolidierung festgehalten und selbst dann noch um ein paar 100 Millionen Euro gefeilscht, als längst zig Milliarden fehlten. Statt die Haushaltspolitik zu gestalten, hat Lindner sie blockiert. Er hat damit dazu beigetragen, dass Union und SPD nun jegliche Hemmungen bei der Kreditaufnahme verlieren.
So wichtig Investitionen in Verteidigung, Sicherheit und Infrastruktur sind, so deutlich ist auch, dass Union und SPD neue Konsumausgaben planen. Mütterrente, Gastrosteuer, Agrardiesel – die Liste der vermeintlichen Wohltaten im Sondierungspapier ist lang. Auf rund 60 Milliarden Euro schätzen Fachleute deren jährliche Kosten – ohne Bundeswehr und Bahn-Brücken.
Ausgabedisziplin zu halten, scheint angesichts der vielen Milliarden für manche ein Ding der Unmöglichkeit. Sie wäre aber nötig, damit das Geld dorthin kommt, wo es das Land voranbringt. Das ist die eigentliche Tragödie der FDP. Sie hat sich selbst überflüssig gemacht. Und das in einem Moment, in dem sie so dringend gebraucht werden würde, wie nie.
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