Süddeutsche Zeitung hier Von Michael Bauchmüller und Christoph von Eichhorn 25.2.25
Erderwärmung:Wie die USA, Saudi-Arabien und andere den Weltklimarat bremsen
US-Wissenschaftler dürfen nicht mehr zu Treffen reisen, Berichte sollen verschoben werden. Was kommt da auf die Forscher zu?
Im Schnitt alle sechs Jahre erfährt die Welt, wie es ihr geht. Dann legt der Weltklimarat IPCC einen neuen „Sachstandsbericht“ vor. Alle Erkenntnisse der Wissenschaft zum Stand der Erderwärmung, deren Folgen und mögliche Antworten darauf werden darin zusammengetragen, plus einer „Zusammenfassung für Entscheidungsträger“. Sechsmal hat der IPCC bisher solche Berichte veröffentlicht, den jüngsten in den Jahren 2021 bis 2023. Nummer sieben ist in Vorbereitung. Nur: Wann erscheint er? Und könnte die neue US-Regierung die wissenschaftliche Arbeit sabotieren?
In dieser Woche tagt die IPCC-Community in China, mit 400 Delegierten. Im Intercontinental Hangzhou, einem kugelförmigen Glaspalast, findet die 62. Plenarsitzung des Weltklimarats statt. Für den siebten Sachstandsbericht sei das „eine entscheidende Sitzung“, sagt IPCC-Chef Jim Skea. Und das gilt auch für das geplante Erscheinungsdatum.
Die Frage ist hochpolitisch. Erste IPCC-Planungen hatten dafür den Sommer 2028 vorgesehen, alle Arbeit hätte sich an diesem Ziel orientieren können. Der Bericht würde dann rechtzeitig zur COP33 erscheinen, der 33. UN-Klimakonferenz. Nach dem Zeitplan des Pariser Klimaabkommens steht dort der große Kassensturz der Weltgemeinschaft zu den Treibhausgasemissionen an, der zweite „Global Stocktake“. Dieser Abgleich von Soll und Haben – wie viele Emissionen haben die Staaten eingespart, wo hakt es? – steht im Zentrum des Klimaabkommens. Auf dieser Basis sollen die Staaten neue nationale Klimapläne aufstellen, mit denen sich der Anstieg der Erdtemperatur in den Griff bekommen lassen soll. So weit die Theorie.
Doch mehrere Staaten wollen den Sachstandsbericht erst 2029 vorgelegt wissen, also erst nach dem Kassensturz. Saudi-Arabien plädierte bislang dafür, aber auch Kenia und Südafrika. Auch China hat bisher keine Eile erkennen lassen, ebenso wenig Indien – obwohl das Land im Jahr 2028 die COP33 ausrichten will. Zur Begründung heißt es bisher unter anderem von Saudi-Arabien, bis 2028 sei nicht genügend Zeit, um Forschungsarbeiten aus Entwicklungsländern zu berücksichtigen. Auch könne das Tempo auf Kosten der Qualität gehen. Experten vermuten, dass dies im Falle der Ölstaaten ein vorgeschobenes Argument ist. Eher dürften sie kein Interesse daran haben, allzu sehr an ihre Verantwortung für die Klimakrise erinnert zu werden.
Doch der Druck wächst. Kurz vor der Plenartagung in Hangzhou meldeten sich die Inselstaaten zu Wort. Die IPCC-Berichte seien ein Grundpfeiler des internationalen Klimaschutzes, warnt die palauische Diplomatin Ilana Seid, die der Inselstaaten-Gruppe Aosis vorsitzt. Wissensgeleitetes Handeln sei essenziell, um dieser Krise zu begegnen. Es brauche rechtzeitig vor dem Global Stocktake auch den Input des IPCC.
Dass die US-Regierung Gelder kürzt, behindert schon jetzt die Arbeit des Weltklimarats
Noch deutlicher wird die High Ambition Coalition, ein Zusammenschluss fortschrittlicher Staaten, dem auch Deutschland angehört. Sie verweist darauf, dass rechtzeitig zur ersten globalen Bestandsaufnahme der sechste Sachstandsbericht des IPCC vorlag. Auf dem Spiel stehe die Glaubwürdigkeit und Integrität des Pariser Abkommens, warnt die Staatenallianz. Das sieht Deutschlands Sonderbeauftragte für den Klimaschutz, Jennifer Morgan, ganz ähnlich: „Die Entscheidungsprozesse zur Umsetzung des Pariser Abkommens müssen sich auf die besten und neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse stützen“, sagte sie der Süddeutschen Zeitung. Dies gelte insbesondere für die globalen Bestandsaufnahmen. Deswegen setze sich Deutschland dafür ein, dass der Weltklimarat rechtzeitig Berichte zu allen Bereichen der Wissenschaft, inklusive der Forschung zur Emissionsminderung, vorlege.
Auch der Wiedereinzug Donald Trumps ins Weiße Haus macht die Arbeit des Weltklimarats nicht einfacher. Trump hält die menschengemachte Erderwärmung nach wie vor für einen großen Schwindel, einen „Hoax“, und handelt entsprechend. Per Dekret hat er den Ausstieg aus dem Pariser Klimavertrag verkündet (wobei die Kündigung erst mit Jahresfrist wirksam wird), zugleich arbeiten im Weltklimarat nach wie vor US-Wissenschaftler an wichtigen Stellen mit. Doch nun berichtete die Washington Post, die US-Regierung lasse eine Top-Klimaforscherin von der Nasa nicht wie geplant nach China reisen. Katherine Calvin ist als Co-Leiterin der Arbeitsgruppe III für den Teilbericht zur Bekämpfung des Klimawandels zuständig – also für die entscheidende Frage, wie schnell die weltweiten Emissionen sinken sollten.
Ein Teilnehmer der Konferenz bestätigt, dass Calvin nicht nach Hangzhou reisen konnte, verweist aber zugleich darauf, dass die Klimaforscherin ohnehin nicht mehr lange im Amt geblieben wäre. Bei einem Regierungswechsel werde man normalerweise abberufen und gehe an seine Heimatinstitution zurück, so der Klimaforscher, der aufgrund des nicht öffentlichen Charakters des Treffens anonym bleiben möchte.
Problematischer sei, dass die US-Regierung auch das Geld für die „Technical Support Unit“ gestrichen habe. Diese ist für das Zusammentragen von Daten zuständig, koordiniert Treffen der Arbeitsgruppe und soll die Qualität des IPCC-Berichts sicherstellen. Da neun von zehn Mitglieder der TSU aus den USA stammen, ist die Kürzung ein schwerer Schlag. „Das behindert die Arbeit des IPCC jetzt und in den kommenden Monaten massiv“, schreibt der Klimaforscher in einer E-Mail. Es brauche nun nicht nur frisches Geld, womöglich müsse die Einheit komplett neu aufgebaut werden.
Manche sehen das Fehlen der Amerikaner indes als das kleinere Übel. Zumindest, heißt es aus Hangzhou, schicke Trump bislang keine Klimawandelleugner, um die wissenschaftliche Arbeit aktiv zu torpedieren. Doch auch wenn das so bleiben sollte, könnte der Weltklimarat mit dem Rückzug der USA langfristig einen Teil seiner Legitimierung einbüßen, lautet eine Befürchtung. Und das gilt aus Sicht vieler Experten erst recht, wenn der IPCC seine Diagnose über den Zustand der Welt erst dann teilt, wenn die Staaten über die weitere Therapie schon verhandelt haben.
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