Focus hier Donnerstag, 06.04.2023 von Nadja Podbregar
Klimawandel und Wetterextreme haben Wasserspeicher in den letzten 20 Jahren dezimiert
Negative Bilanz: Deutschland hat in den letzten 20 Jahren rund 15,2 Milliarden Tonnen Wasser aus seinen natürlichen Wasserspeichern verloren – das entspricht jährlich 760 Millionen Tonnen Wasser, wie Analysen ergeben haben. Dieser Verlust aus Gewässern, Grundwasser und Boden entsteht, weil seit 2002 weniger Wasser durch Zuflüsse und Niederschläge dazugekommen ist, als durch Verdunstung und Abflüsse verloren ging. Vor allem seit 2015 ist die Bilanz der deutschen Wasserressourcen daher negativ.
Der Klimawandel geht auch an Deutschland nicht spurlos vorüber: Die Mitteltemperaturen steigen, die Winter werden milder und im Sommer mehren sich Hitzetage und Trockenperioden. Besonders ausgeprägt ist dies seit dem Hitzesommer 2018, der auch europaweit eine historisch beispiellose Dürreperiode einleitete. Dies wirkte sich auch auf Bodenfeuchte und Gewässer aus: Sie haben ihr Wasserdefizit auch nach dem regenreicheren Jahr 2021 noch nicht wieder ausgleichen können.
Satelliten-Tandems als Wassermesser
Doch wie viel Wasser hat Deutschland in den letzten Jahren verloren? Und wie sieht der Trend aus? Das haben nun Andreas Güntner vom Deutschen GeoForschungsZentrum GFZ und seine Kollegen genauer untersucht. Für ihre Erhebung haben sie Daten der Satellitenmission GRACE und der Nachfolgemission GRACE-Follow On ausgewertet. Diese Satelliten umkreisen die Erde paarweise und ermitteln über kleinste Abweichungen ihrer Abstände, wie stark die lokale Erdanziehung wirkt.
Der Clou dabei: Das Schwerefeld der Erde wird nicht nur durch statische Massen wie Gebirge oder andere geologische Phänomen beeinflusst – auch die irdischen Wassermassen hinterlassen ihre Spur im irdischen Schwerefeld. Die Satellitenmessungen geben dadurch Aufschluss über Veränderungen des Grundwassers, der Gewässer, der Bodenfeuchte und auch der Gletscher. Weil viele Störeffekte diese Wassersignatur in den Schwerefelddaten überlagern, werden die Messdaten von GRACE und GRACE-FO mithilfe leicht verschiedener Methoden bereinigt und aufbereitet.
Für ihre Studie haben Güntner und sein Team nun vier solcher Datensätze für den Zeitraum von 2002 bis 2022 vergleichend ausgewertet. Zusätzlich zogen sie Wetterdaten zu Niederschlägen, Verdunstung und Temperaturen hinzu.
Wasserverlust von 15,2 Milliarden Tonnen
Das Ergebnis: Der gesamte natürliche Wasserspeicher Deutschlands hat in den letzten 20 Jahren Jahrzehnten rund 15,2 Milliarden Tonnen Wasser verloren. Die Niederschläge haben in dieser Zeit demnach nicht ausgereicht, um den Verlust durch Verdunstung, Abflüsse und sinkende Grundwasserspiegel auszugleichen. Auf das Jahr umgerechnet sind die Wasserressourcen jährlich um 760 Millionen Tonnen Wasser geschrumpft. Damit ist die Netto-Wasserbilanz der letzten zwei Jahrzehnte negativ.
„Die Beobachtungen aus allen Datensätzen zeigen, dass ein Jahr mit höheren Niederschlägen wie 2021 nicht ausreicht, um die Defizite der Wasserspeicherung, die sich über den längeren Zeitraum angesammelt haben, wieder auszugleichen", sagt Güntner. Gleichzeitig korrigieren die aktuellen Auswertungen eine Studie vom letzten Jahr, bei der US-Forscher auf ein höheres Wasserdefizit für den Zeitraum 2002 bis 2022 gekommen waren. Ihren Analysen lag jedoch nur ein Datensatz zugrunde.
Starke Schwankungen
Die Analysen von Güntner und seinem Team zeigen jedoch auch, dass die Wasservorkommen starken Schwankungen unterliegen. „Da es in den zwanzig Jahren der bisherigen Datenerhebung einige auffällige Extreme gegeben hat, ist eine Aussage zu einem langfristigen Trend nur schwer zu treffen", betont Güntner. So gab es im Hochwasserjahr 2002 einen deutlichen Wasserüberschuss, der dann durch die extreme Trockenheit und Hitze im Folgejahr 2003 wieder aufgezehrt wurde. In den Jahren von 2004 bis 2015 blieben die Wasserspeichermengen dann weitgehend stabil.
In den letzten sieben Jahren und besonders ab 2018 ist allerdings schon ein Trend erkennbar: In dieser Zeit haben die Wasserverluste deutlich zugenommen, wie die Forschenden berichten. Den niedrigsten Stand hatten die deutschen Wasservorkommen im August 2019: Zu diesem Zeitpunkt gab es hierzulande 47 Milliarden Tonnen Wasser weniger als im langjährigen Mittel. Seither haben sich die Wasserspeicher wieder ein wenig aufgefüllt. Insgesamt ist die Bilanz aber noch immer negativ.
Dies passt zu Prognosen , nach denen die Wasserverfügbarkeit bei anhaltendem Klimawandel auch in Deutschland sinken wird. Vor allem in Nord- und Ostdeutschland kann der Wasserverlust durch steigende Verdunstung langfristig nicht mehr durch Niederschläge ausgeglichen werden. (Hydrologie & Wasserbewirtschaftung, 2023; doi: 10.5675/HyWa_2023.2_1)
Quelle: Helmholtz-Zentrum Potsdam - Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ
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