Donnerstag, 1. April 2021

Salemer Tauziehen - die Sache mit dem Bürgermeister im Kreistag und Regionalverband

Wie vielleicht der ein oder andere mitbekommen hat, geht`s im Salemer Gemeinderat drunter und drüber. Grund dafür: natürlich der Regionalplan.
Bürgermeister Härle sitzt für die CDU im Kreistag und im Planungsausschuß des Regionalverbandes. Und er besteht auf seinem nicht- imperativen Mandat. Sprich: er fühlt sich nicht weisungsgebunden an das Mandat seines Gemeinderates und will persönlich frei entscheiden wie er abstimmt.

Das muss der "Salemer Bürger" natürlich erst mal wissen, dann kann er sich wundern.
Wenn z.B. der Salemer Gemeinderat mit deutlicher Mehrheit (15:8) den Schwerpunkt für Industrie und Gewerbe ablehnt und der Bürger dann dazu im anschließenden Zeitungsbericht des Südkuriers  lesen kann: 

"BM Härle will als Mitglied des Planungsausschusses Überzeugungsarbeit dafür leisten, dass die Regionalverbandsversammlung am Ende für das Salemer Vorranggebiet für Industrie und Gewerbegebiet und die Herausnahme des Grünzuges stimmt."

Einer der sich darüber gewundert hat, hat bei den Fraktionen des Gemeinderates nachgefragt, wie sie das denn finden... und direkte Antwort vom Bürgermeister bekommen. Die aber wollte er so nicht einfach stehen lassen.......


 Sehr geehrter Herr Härle,

vielen Dank für ihr Schreiben und ihre angenehmen Wünsche. Habe die Sonne genossen und den Tag genutzt. In der Hoffnung, es mögen die Informationen und Argumente nicht gänzlich an Ihrer Meinungsbildung vorbeiziehen, schreibe ich Ihnen auf ihre Antwort.

Wie Sie mitgeteilt haben wurde die Beschlussfassung versendet. Die Beschlüsse sind kommuniziert und dokumentiert. Wenn ich das richtig deute, ist damit der grundsätzlichen Pflicht des Bürgermeisters, die vom Gemeinderat gefassten Beschlüsse zu vollziehen, genüge getan.
Formell mag das in Ordnung sein, im Hinblick auf die Wahrung des Salemer Bürgerwillens ist eine Beschränkung darauf unbefriedigend.

Hierzu muss man wissen, dass die Besetzung des Kreistages und Planungsausschusses durch Bürgermeister umstritten ist, da unter anderem Interessenskonflikte naheliegen. Deshalb ist in den meisten Bundesländern die Rechtslage dahingehend anders als in Baden Württemberg.

Das bedeutet aus meiner Sicht nicht, das Bürgermeister grundsätzlich nicht im Kreistag vertreten sein sollten. Vielmehr sollten sie angemessen und verantwortungsvoll handeln, die Interessen der Gemeinde gegenüber denen des Kreises/Regionalverbandes nicht komplett aus den Augen verlieren.
Gleiches gilt für die Interessen der übergeordneten Ebenen.
Im aktuellen Fall könnten diese Anforderungen an Sie als Bürgermeister, Kreisrat und Mitglied des Planungsausschußes und der Verbandsversammlung umgesetzt werden, ohne gegen die Salemer Gemeinderatsbeschlüsse zu handeln - unten komme ich darauf zurück.
Ein Verhalten, wie Sie es derzeit bevorzugen, fördert die schon berechtigten Kritiken an der gängigen Praxis und Bestrebungen Bürgermeister in Kreistagen nicht mehr zu platzieren.

Sich ausschließlich auf das freie Mandat zu berufen, trifft den Sachverhalt nicht vollumfänglich. Gerade auch angesichts der Tragweite der richtungsweisenden Gemeinderatsbeschlüsse im Zusammenhang mit der Regionalplanung, die einen Zeitraum abdecken soll, der sich über 15 bis 20 Jahre erstreckt.

Reflexartig wird oft auf das Recht des Bürgermeisters verwiesen. Sie hätten auch das Recht sich anders zu entscheiden. Es würde dem Amt des Bürgermeisters sicher gerechter werden, sich an dieser Stelle ein Stück weit zurückzunehmen, anstatt in anderer Funktion gegen den Gemeinderatsbeschluß vorzugehen.
Sie könnten zeigen, "daß die Parole  nicht Konfrontation sondern Zusammenarbeit lauten sollte. Das entsprach und entspricht dem Geist der Gemeindeordnung… " (Aus den Erinnerungen von Manfred Rommel – ehemaliger Stuttgarter Oberbürgermeister). Zumindest ein neutrales Verhalten in Verbindung mit einer Stimmenthaltung stünde Ihnen als Bürgermeister, der alle Belange im Blick haben sollte, gut.

Wie schon erwähnt: die Bürger von Salem wählen den Gemeinderat, im Vertrauen, das der Gemeinderat als solches respektiert wird und dessen Entscheidungen umgesetzt werden. 

Aus welchem Grund beharren Sie auf ihre Sichtweise und fixieren sich auf die Einrichtung eines neuen Schwerpunktes für Industrie und Wirtschaft zwischen Überlingen und Friedrichshafen: Salem als Vorranggebiet für Industrie und Gewerbe? Dafür wollen Sie einen bedeutsamen Grünzug opfern. Der Grünzug ist, dort wo er derzeit gesetzt ist, ein wirksames Gegenmittel gegen die stattfindende Klimaveränderung. Ein verändertes Klima trifft alle, vor allem aber gerade die Land- und Forstwirtschaft, für dessen Bedürfnisse Sie auch stehen sollten. Natürlich spreche ich damit auch die Gemeinderäte an, die sich immer wieder dafür stark machen, die Belange der Landwirte im Blick zu haben.  

Des weiteren forcieren Sie so weiteren Straßenneubau. Dies obwohl diese Straßen parallel zum schon geplanten Bundesstraßenaus- und Neubau entstehen würden. Landwirtschaft und Forstwirtschaft, auf die wir für eine regionale Versorgung angewiesen sind, sind auch hier die Leidtragenden. Zudem: die durch Straßen zerrissenen/zerschnittenen Erholungs- und Urlaubsflächen, würden so weiter an Attraktivität einbüßen. Gerade dem inländischen Tourismus, der mit Blick auf die aktuellen Geschehnisse weiter an Bedeutung gewinnen sollte, und hoffentlich wird, ist so kein Gefallen getan. Vorsichtig ausgedrückt.

Zudem ist es nicht damit getan, Straßen neu zu bauen. Nach der Errichtung, folgt Instandhaltung welche dauerhaft Kapazitäten verschlingt. Dies ist nur ein Beispiel, wie somit der permanente Zwang vorangetrieben wird, weitere Gelder in Form von Steuern und Abgaben zu generieren. Was zu Folge hat, ein permanentes Wachstum zu propagieren und anzutreiben, welches in der Intensität nicht erforderlich wäre. Angesichts der Herausforderungen die sich durch die Pandemie und den Klimawandel in finanzieller Hinsicht abzeichnen, ist es angebracht gerade hier umzudenken.

Seit Monaten ablaufende Veränderungen zeigen auf, dass die vielfältigen Argumente gegen ein „weiter so“ angebracht sind. Es wird erkenntlich und nachvollziehbar vor Augen geführt, welche Umwälzungen stattfinden. Unter anderem beschleunigt durch die Pandemie.

Hierzu nur einige Beispiele:

Ø  Die MTU richtet sich dahingehend ein, ihren Raumbedarf massiv zu beschränken. Ziele: Büroflächen werden um ca. 40% reduziert – dementsprechend einhergehend der Rückgang der entsprechenden Parkfläche.

Ø  ZF Friedrichshafen zentralisiert ihren Entwicklungsstandort in Friedrichshafen – der Standort in Kressbronn wird dazu nach Friedrichshafen umgezogen und generiert freiwerdende Gewerbefläche.

Ø  Raumbedarf für Prüfstände für die Erprobung von Motoren, Getrieben, Maschinen können reduziert werden, aufgrund fortschreitender Technik – wie digitalisierter Simulationen.

Ø  Die Nachfrage nach Bürofläche (einhergehend mit Parkplatzfläche) ist in Deutschland im Schnitt um 30% gesunken – in Stuttgart um 56%.

Sie können davon ausgehen, dass diese Umwälzungen grundsätzlich auf die Industrie und das Gewerbe zutreffen und zutreffen werden.

Diese Veränderungen finden nicht vorwiegend durch weniger Bedarf an Arbeitskapazität statt, sondern aufgrund einer sich im Wandel befindenden Arbeitswelt. Beispielhaft sind die oben genannten Auswirkungen von Homeoffice, was in weiterer Folge auch ein erheblich reduzierten Pendelverkehr bedeutet.

Daraus ist erkennbar, wohin die Reise geht – nicht ein Mehr an Industrie- und Gewerbeflächen, sowie Straßenneubau ist erforderlich. Fördern der Digitalisierung und so ressourcenschonende Techniken und Arbeitswelten antreiben ist sinnvoll.

Ich kann nicht ganz nachvollziehen, wie sie aus meiner Nachricht schlussfolgern, dass darin der Wunsch  enthalten wäre, die Zuständen des19ten Jahrhunderts herbeizuführen. Da Sie aber den geschichtlichen Hintergrund aufgreifen: die Richtlinien auf die Sie sich beziehen basieren auf dem 20sten Jahrhundert.  Reformieren/modernisieren wäre von Nöten, um so an die Bedürfnisse der Zeit angepasst zu agieren – gerade im Hinblick auf mehr Demokratie und einer politischen und gesellschaftlichen Entwicklung.

Auch hier ein Beispiel:  Weshalb wird bei fehlender Anwesenheit von Gemeinderäten, wie beispielsweise durch Urlaub und Krankheit, nicht dafür gesorgt, dass die Stimmen auf eine andere Art und Weise gehört und erfasst werden? Etwa durch  Vertreterregelungen oder der Einrichtung/ Ermöglichung einer Sitzungsteilnahme per Skype.  So könnten sie ihren Auftrag der Bürgerschaft verbessert wahrnehmen. Stattdessen wird die Zusammensetzung des Gemeinderates durch fehlende Teilnahme verzerrt und die demokratisch gewählte Gewichtung/Verteilung unterlaufen. Somit entsteht kein korrektes Abbild des Wählerwillens.    

Abschließend wünsche ich ihnen Energie, Zeit und Raum, ihre Ämter unter Einbindung aller relevanten  Belange und Entwicklungen wahrzunehmen.

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