Wie vielleicht der ein oder andere mitbekommen hat, geht`s im Salemer Gemeinderat drunter und drüber. Grund dafür: natürlich der Regionalplan.
Bürgermeister Härle sitzt für die CDU im Kreistag und im Planungsausschuß des Regionalverbandes. Und er besteht auf seinem nicht- imperativen Mandat. Sprich: er fühlt sich nicht weisungsgebunden an das Mandat seines Gemeinderates und will persönlich frei entscheiden wie er abstimmt.
Das muss der "Salemer Bürger" natürlich erst mal wissen, dann kann er sich wundern.
Wenn z.B. der Salemer Gemeinderat mit deutlicher Mehrheit (15:8) den Schwerpunkt für Industrie und Gewerbe ablehnt und der Bürger dann dazu im anschließenden Zeitungsbericht des Südkuriers lesen kann:
"BM Härle will als Mitglied des Planungsausschusses Überzeugungsarbeit dafür leisten, dass die Regionalverbandsversammlung am Ende für das Salemer Vorranggebiet für Industrie und Gewerbegebiet und die Herausnahme des Grünzuges stimmt."
Einer der sich darüber gewundert hat, hat bei den Fraktionen des Gemeinderates nachgefragt, wie sie das denn finden... und direkte Antwort vom Bürgermeister bekommen. Die aber wollte er so nicht einfach stehen lassen.......
Sehr geehrter Herr Härle,
vielen Dank für ihr Schreiben und ihre angenehmen Wünsche. Habe die Sonne genossen und den Tag genutzt. In der Hoffnung, es mögen die Informationen und Argumente nicht gänzlich an Ihrer Meinungsbildung vorbeiziehen, schreibe ich Ihnen auf ihre Antwort.
Wie Sie mitgeteilt haben wurde
die Beschlussfassung versendet. Die Beschlüsse sind kommuniziert und
dokumentiert. Wenn ich das richtig deute, ist damit der grundsätzlichen
Pflicht des Bürgermeisters, die vom Gemeinderat gefassten Beschlüsse zu
vollziehen, genüge getan.
Formell mag das in Ordnung sein, im Hinblick auf die
Wahrung des Salemer Bürgerwillens ist eine Beschränkung darauf unbefriedigend.
Hierzu muss man wissen, dass die
Besetzung des Kreistages und Planungsausschusses durch Bürgermeister umstritten
ist, da unter anderem Interessenskonflikte naheliegen. Deshalb ist in den
meisten Bundesländern die Rechtslage dahingehend anders als in Baden
Württemberg.
Das bedeutet aus meiner Sicht
nicht, das Bürgermeister grundsätzlich nicht im Kreistag vertreten sein
sollten. Vielmehr sollten sie angemessen und verantwortungsvoll handeln, die
Interessen der Gemeinde gegenüber denen des Kreises/Regionalverbandes nicht
komplett aus den Augen verlieren.
Gleiches gilt für die Interessen der
übergeordneten Ebenen.
Im aktuellen Fall könnten diese Anforderungen an Sie als
Bürgermeister, Kreisrat und Mitglied des Planungsausschußes und der
Verbandsversammlung umgesetzt werden, ohne gegen die Salemer
Gemeinderatsbeschlüsse zu handeln - unten komme ich darauf zurück.
Ein
Verhalten, wie Sie es derzeit bevorzugen, fördert die schon berechtigten
Kritiken an der gängigen Praxis und Bestrebungen Bürgermeister in Kreistagen
nicht mehr zu platzieren.
Sich ausschließlich auf das
freie Mandat zu berufen, trifft den Sachverhalt nicht vollumfänglich. Gerade
auch angesichts der Tragweite der richtungsweisenden Gemeinderatsbeschlüsse im
Zusammenhang mit der Regionalplanung, die einen Zeitraum abdecken soll, der
sich über 15 bis 20 Jahre erstreckt.
Reflexartig wird oft auf das
Recht des Bürgermeisters verwiesen. Sie hätten auch das Recht sich anders zu
entscheiden. Es würde dem Amt des Bürgermeisters sicher gerechter werden, sich
an dieser Stelle ein Stück weit zurückzunehmen, anstatt in anderer Funktion
gegen den Gemeinderatsbeschluß vorzugehen.
Sie könnten zeigen, "daß die Parole nicht
Konfrontation sondern Zusammenarbeit lauten sollte. Das entsprach und
entspricht dem Geist der Gemeindeordnung… " (Aus den
Erinnerungen von Manfred Rommel – ehemaliger Stuttgarter Oberbürgermeister).
Zumindest ein neutrales Verhalten in Verbindung mit einer Stimmenthaltung
stünde Ihnen als Bürgermeister, der alle Belange im Blick haben sollte, gut.
Wie schon erwähnt: die Bürger
von Salem wählen den Gemeinderat, im Vertrauen, das der Gemeinderat als solches
respektiert wird und dessen Entscheidungen umgesetzt werden.
Aus welchem Grund beharren Sie
auf ihre Sichtweise und fixieren sich auf die Einrichtung eines neuen Schwerpunktes
für Industrie und Wirtschaft zwischen Überlingen und Friedrichshafen: Salem als
Vorranggebiet für Industrie und Gewerbe? Dafür wollen Sie einen bedeutsamen
Grünzug opfern. Der Grünzug ist, dort wo er derzeit gesetzt ist, ein wirksames
Gegenmittel gegen die stattfindende Klimaveränderung. Ein verändertes Klima
trifft alle, vor allem aber gerade die Land- und Forstwirtschaft, für dessen
Bedürfnisse Sie auch stehen sollten. Natürlich spreche ich damit auch die
Gemeinderäte an, die sich immer wieder dafür stark machen, die Belange der
Landwirte im Blick zu haben.
Des weiteren forcieren Sie so
weiteren Straßenneubau. Dies obwohl diese Straßen parallel zum schon geplanten
Bundesstraßenaus- und Neubau entstehen würden. Landwirtschaft und
Forstwirtschaft, auf die wir für eine regionale Versorgung angewiesen sind,
sind auch hier die Leidtragenden. Zudem: die durch Straßen
zerrissenen/zerschnittenen Erholungs- und Urlaubsflächen, würden so weiter an
Attraktivität einbüßen. Gerade dem inländischen Tourismus, der mit Blick auf
die aktuellen Geschehnisse weiter an Bedeutung gewinnen sollte, und hoffentlich
wird, ist so kein Gefallen getan. Vorsichtig ausgedrückt.
Zudem ist es nicht damit
getan, Straßen neu zu bauen. Nach der Errichtung, folgt Instandhaltung welche
dauerhaft Kapazitäten verschlingt. Dies ist nur ein Beispiel, wie somit der
permanente Zwang vorangetrieben wird, weitere Gelder in Form von Steuern und
Abgaben zu generieren. Was zu Folge hat, ein permanentes Wachstum zu
propagieren und anzutreiben, welches in der Intensität nicht erforderlich wäre.
Angesichts der Herausforderungen die sich durch die Pandemie und den
Klimawandel in finanzieller Hinsicht abzeichnen, ist es angebracht gerade hier
umzudenken.
Seit Monaten ablaufende
Veränderungen zeigen auf, dass die vielfältigen Argumente gegen ein „weiter
so“ angebracht sind. Es wird erkenntlich und nachvollziehbar vor Augen
geführt, welche Umwälzungen stattfinden. Unter anderem beschleunigt durch die
Pandemie.
Hierzu nur einige
Beispiele:
Ø Die MTU richtet sich dahingehend ein, ihren Raumbedarf
massiv zu beschränken. Ziele: Büroflächen werden um ca. 40% reduziert –
dementsprechend einhergehend der Rückgang der entsprechenden Parkfläche.
Ø ZF Friedrichshafen zentralisiert ihren
Entwicklungsstandort in Friedrichshafen – der Standort in Kressbronn wird dazu
nach Friedrichshafen umgezogen und generiert freiwerdende Gewerbefläche.
Ø Raumbedarf für Prüfstände für die Erprobung von
Motoren, Getrieben, Maschinen können reduziert werden, aufgrund fortschreitender
Technik – wie digitalisierter Simulationen.
Ø Die Nachfrage nach Bürofläche (einhergehend mit
Parkplatzfläche) ist in Deutschland im Schnitt um 30% gesunken – in Stuttgart
um 56%.
Sie können davon ausgehen, dass
diese Umwälzungen grundsätzlich auf die Industrie und das Gewerbe zutreffen und
zutreffen werden.
Diese Veränderungen finden
nicht vorwiegend durch weniger Bedarf an Arbeitskapazität statt, sondern
aufgrund einer sich im Wandel befindenden Arbeitswelt. Beispielhaft sind die
oben genannten Auswirkungen von Homeoffice, was in weiterer Folge auch ein
erheblich reduzierten Pendelverkehr bedeutet.
Daraus ist erkennbar, wohin
die Reise geht – nicht ein Mehr an Industrie- und Gewerbeflächen, sowie
Straßenneubau ist erforderlich. Fördern der Digitalisierung und so
ressourcenschonende Techniken und Arbeitswelten antreiben ist sinnvoll.
Ich
kann nicht ganz nachvollziehen, wie sie aus meiner Nachricht schlussfolgern, dass
darin der Wunsch enthalten wäre, die Zuständen des19ten Jahrhunderts herbeizuführen. Da
Sie aber den geschichtlichen Hintergrund aufgreifen: die Richtlinien auf die Sie sich beziehen
basieren auf dem 20sten Jahrhundert. Reformieren/modernisieren wäre von Nöten, um so an
die Bedürfnisse der Zeit angepasst zu agieren – gerade im Hinblick auf mehr
Demokratie und einer politischen und gesellschaftlichen Entwicklung.
Auch hier ein Beispiel: Weshalb wird bei fehlender Anwesenheit von Gemeinderäten, wie beispielsweise durch Urlaub und Krankheit, nicht dafür gesorgt, dass die Stimmen auf eine andere Art und Weise gehört und erfasst werden? Etwa durch Vertreterregelungen oder der Einrichtung/ Ermöglichung einer Sitzungsteilnahme per Skype. So könnten sie ihren Auftrag der Bürgerschaft verbessert wahrnehmen. Stattdessen wird die Zusammensetzung des Gemeinderates durch fehlende Teilnahme verzerrt und die demokratisch gewählte Gewichtung/Verteilung unterlaufen. Somit entsteht kein korrektes Abbild des Wählerwillens.
Abschließend wünsche ich ihnen Energie, Zeit und Raum, ihre Ämter unter Einbindung aller relevanten Belange und Entwicklungen wahrzunehmen.
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