Handelsblatt hier Artikel von Reuters
Wer seine Produktion klimafreundlich macht, kann jährlich Geld vom Staat dafür bekommen. Eine Richtlinie des Wirtschaftsministers legt nun erste Regeln fest.
Wirtschaftsminister Robert Habeck will mit einem milliardenschweren Förder-Konzept nach der Energie- nun auch die grüne Industrie-Wende voranbringen. So sollen zunächst energieintensive Branchen wie Stahl-, Chemie- oder Zement ihre Produktion klimafreundlich umstellen, wie der Entwurf einer Richtlinie zeigt, die der Nachrichtenagentur Reuters am Mittwoch vorlag.
Auf Basis der Richtlinie werden Klimaschutzverträge mit der Industrie geschlossen: Wer seine Produktion klimafreundlich macht, bekommt mit einem 15-jährigen Vertrag zwischen Staat und Betrieb sowohl Geld für Investitionen als auch jährlich Mittel für die teurere, grüne Produktion. Dabei geht es in erster Linie um den Einsatz von Wasserstoff, der Kokskohle, Öl oder Erdgas verdrängen soll.
„Klimaschutzverträge führen somit nicht nur zu einer Emissionsreduzierung der geförderten Industrie“, heißt es in Habecks Richtlinie. „Sie setzen auch einen Anreiz, dass die hierfür erforderlichen Technologien und Infrastrukturen schon jetzt in Deutschland entwickelt und umgesetzt werden.“
Die Verträge sollen Kern der Industrie-Transformation als auch des Hochlaufs einer Wasserstoff-Produktion sein. Anders als etwa Autos im Verkehr oder Wärmepumpen im Gebäudesektor kann die Industrie ihre Prozesse häufig nicht direkt auf grünen Strom umstellen.
Daher gilt Wasserstoff als Mittel der Wahl etwa in der Stahl- und Chemie-Industrie. Experten des Thinktanks „Agora“ hatten berechnet, dass die deutsche Stahlindustrie im günstigsten Fall mit rund acht Milliarden Euro an Hilfen klimaneutral werden könne.
Klimaschutz-Verträge werden ausgeschrieben
Die Verträge sollen der Richtlinie zufolge ausgeschrieben werden: Wer die geringsten Hilfen verlangt, am meisten Treibhausgas einspart und am wenigsten Energie verbraucht erhält den Zuschlag. Dabei können über den Vertrag auch Mittel zurück an den Staat fließen.
Da die herkömmliche Produktion etwa durch den steigenden Preis von nötigen CO2-Verschmutzungsrechten über die Jahre immer teurer wird, werden Rückzahlungen fällig: „Sofern im Laufe der Vertragslaufzeit der effektive CO2-Preis den im Klimaschutzvertrag festgelegten Vertragspreis übersteigt, endet die staatliche Förderung nicht nur, sie kehrt sich um in eine Zahlungspflicht der Unternehmen an den Staat“, heißt es so in der Richtlinie. „Dies senkt die Belastung des staatlichen Haushalts.“
Mit berücksichtigt wird in den Verträgen, dass klimafreundliche Produkte einen höheren Preis erzielen können. Dieser Mehrerlös der Unternehmen wird der Richtlinie zufolge in den Verträgen zu 70 Prozent abgeschöpft.
Wasserstoff darf unter Auflage mit Erdgas erzeugt werden
Wenn Strom im Rahmen der Produktion verwendet wird, muss dieser aus erneuerbaren Quellen wie Wind oder Sonne stammen. Beim Wasserstoff wird dagegen erlaubt, dass er etwa mit Hilfe von Erdgas erzeugt wird. Bedingung: Das anfallende CO2 muss abgeschieden und sicher gespeichert werden. Diese sogenannte CCS-Technik (Carbon Capture and Storage) ist in Deutschland bislang verboten.
Besonders die Grünen und auch Habeck selbst hatten gegen CCS in vergangenen Jahren protestiert. Im Klimaschutzprogramm hatte das Wirtschaftsministerium dagegen bereits den Weg für „blauen“ Wasserstoff geöffnet.
Dies muss nicht zwangsläufig bedeuten, dass das CO2 in Deutschland in ehemalige Erdgas-Lagerstätten gepresst wird. Länder wie die Niederlande oder Norwegen wollen daraus ein Geschäftsmodell machen und auch CO2 aus Deutschland aufnehmen. „Blauer“ Wasserstoff gilt für eine Übergangszeit als einzig machbarer Weg für die Industrie zum Ziel der Klimaneutralität.
Die Industrie ist für etwa ein Viertel der deutschen Treibhausgas-Emissionen verantwortlich – an der Spitze stehen Stahl-, Chemie- und Zementindustrie. Deutschland will bis 2045 klimaneutral sein. Bis dahin soll also unterm Strich kein Treibhausgas mehr in die Atmosphäre geblasen werden. Der Entwurf Habecks wird derzeit mit anderen Ressorts abgestimmt. Habeck hatte erste Verträge für Anfang 2023 angekündigt.
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