SALEM: Experte rät zu schnellem Handeln hier
Verantwortlich handle die Gemeinde, wenn sie 10 000 Kilowattstunden regenerativen Strom pro Kopf erzeuge, erklärte Bene Müller (Singen), dafür müsste auf zwei Prozent der Gemeindefläche Photovoltaik entstehen – und sie müsse schnell handeln. Die hohe Sonneneinstrahlung in der Region sei ein Geschenk des Himmels. Der Vorstand der Firma Solarkomplex war vom Gemeinderat als Experte eingeladen, um über regenerative Energien zu referieren.
„Verantwortlich handeln wir, wenn wir auf Salemer Gemarkung
10 000 Kilowattstunden regenerativen Strom pro Kopf erzeugen.“
Bene Müller, Singen, Vorstand der Firma Solarcomplex, Experte für erneuerbare Energien
Bene Müller rät zu schnellem Handeln
Mit ein paar Solaranlagen wird es nicht getan sein: In diesem Bewusstsein bat die Salemer Gemeindeverwaltung mit Bene Müller einen Fachmann in den Gemeinderat, um über den Ausbau erneuerbarer Energien zu referieren. „Sie sind seit Jahren ein Frontkämpfer, was die Umsetzung von Photovoltaik-Anlagen angeht“, stellte Bürgermeister Manfred Härle den Vertreter der Firma Solarcomplex aus Singen vor. Diese habe seit ihrer Gründung im Jahr 2000 neben unzähligen Dachanlagen auch knapp 20 Solarparks realisiert. Bene Müller betonte jedoch, dass sein Vortrag keinen vertrieblichen Hintergrund habe: „Ich möchte Ihnen nichts verkaufen, wir sind ausgelastet.“
Stromlücke wächst rasant
Das Vorstandsmitglied machte dem Gremium allerdings deutlich, dass schnell gehandelt werden müsse: „Elektrizität wird Leitenergie, der Strombedarf wird sich bis 2050 verdoppeln.“ Da Baden-Württemberg immer mehr Strom importiere – ab 2023 über die Hälfte des Gesamtbedarfs –, wachse die Stromlücke: „Das ist hochproblematisch, was die Versorgungssicherheit angeht, denn bei einer Strommangellage schaut jeder erst einmal nach sich selbst“, warnte Müller. Auch angesichts verrückt spielender Börsenstrompreise riet er zum Ausbau regenerativer Energien. Dafür gebe es grundsätzlich vier Möglichkeiten, jedoch sei das Potenzial von Wasserkraft, Biogas und Windkraft überschaubar. „Wir müssen auf die Möglichkeit setzen, die wir noch haben, und das ist die Photovoltaik“, meinte er.
Solaranlagen günstiger geworden
Zum einen bezeichnete Müller das Ausmaß der Sonneneinstrahlung in der Region als ein „Geschenk des Himmels, das man annehmen sollte, zum anderen seien Solaranlagen in den vergangenen zwei Jahrzehnten um den Faktor zehn günstiger geworden. Dabei dürften sich Gegenden mit einer hohen Flächenkonkurrenz nicht herausnehmen: „Wir müssen endlich mal aufhören mit der Heidiland-Diskussion“, sagte der Referent mit Verweis auf große Stromverbraucher wie Flughäfen, Kliniken und Universitäten, die allen Einwohnern nützten. Seine Herleitung sehe daher vor, den Gesamtbedarf Baden-Württembergs durch die Einwohnerzahl zu teilen. „Verantwortlich handeln wir, wenn wir auf Salemer Gemarkung 10 000 Kilowattstunden regenerativen Strom pro Kopf erzeugen“, errechnete er anhand des geschätzten Bedarfs für das Jahr 2040. Das entspreche etwa zwei Prozent der Fläche, was für Salem rund 124 Hektar bedeute.
Bene Müller wies darauf hin, dass die Gemeinden steuern könnten, wo die Solarparks hinkommen: „Natürlich sollte man Flächen suchen, die ökologisch oder landwirtschaftlich nicht besonders hochwertig sind“, empfahl er. Daraus könnte dann sogar ein ökologischer Mehrwert entstehen, da auf Solarparkflächen artenreiche Magerwiesen entständen, die sich auch mit Beweidung vertrügen. Außerdem riet der Vorstandssprecher dazu, Eigentumsflächen vor Pachtflächen auszuweisen. „Immer mehr Gemeinden investieren selbst in Solarparks“, merkte er an, als sich Ulrike Lenski (GoL) nach der Möglichkeit von Bürgergenossenschaften erkundigte. Der Vorteil sei laut Müller, dass das von der Gemeinde erwirtschaftete Geld an alle fließe und nicht nur an Menschen, die Geld für eine Genossenschaft übrig hätten. „Ich will nichts dagegen sagen, aber Sie brauchen für 25 Jahre die Leute, die es machen, sonst können Sie es gleich vergessen.“
Der Bürgermeister erkundigte sich im Hinblick auf den steigenden Strombedarf nach der Netzinfrastruktur, woraufhin Müller bestätigte, dass der Ausbau der Netze parallel ablaufen müsse. Einer Kopplung mit der Wärmeplanung, wie sie Petra Karg (GoL) anregte, erteilte er jedoch eine Absage: „Die Idee ist naheliegend, aber der Planungs- und Koordinationsaufwand ist so enorm, dass man das in der Praxis nicht hinkriegt.“ Agrisolaranlagen, wie sie Klaus Hoher (FDP) beispielsweise über Obstplantagen vorschlug, bewertete der Fachmann je nach Bauart unterschiedlich: „Bei niedrigen Anlagen bin ich zuversichtlich, dass das kommt.“ In Reihen passe das gut und optisch ändere sich im Vergleich mit Hagelnetzen nicht viel, außerdem werde so das Obst vor Sonnenbrand geschützt.
Erst erzeugen, dann speichern
Ulrich König von den Freien Demokraten wollte wissen, wie man noch ohne ausreichende Speichermöglichkeiten durch trübe Wintertage komme. Bene Müller entgegnete,
dass es noch nichts zu speichern gebe und daher zunächst die Erzeugung ausgebaut werden müsse: „Man muss der Realität ins Auge schauen, dass wir beim Ausbau zu den Schlusslichtern gehören“, machte der Solarexperte deutlich. „Wir müssen einen sinnvollen Mix der Energien entwickeln, dann müssen wir weniger speichern“, ergänzte er mit Verweis auf Wind- und Solarstrom, die schwerpunktmäßig in unterschiedlichen Regionen und zu unterschiedlichen Zeiten erzeugt würden. „Da sollte man mutig und entschlossen rangehen“, schloss er, „wir müssen in die Puschen kommen und anfangen“.Solaratlas
Für den Bodenseekreis gibt es online einen Solaratlas. Privatpersonen können über diesen das Photovoltaik-Potenzial ihres Daches ermitteln. Durch die Eingabe von Straße und Hausnummer lässt sich das jeweilige Gebäude ausfindig machen. Die Einfärbung der Dachfläche in der Karte zeige direkt eine potenzielle Eignung. Mit Klick auf die Dachfläche erfahre man zusätzlich, wie viel Energie man durch eine Photovoltaikanlage gewinnen könne, schreibt die Energieagentur Ravensburg. Darüber hinaus erhalten die Nutzer Informationen zu Investitionskosten und Wirtschaftlichkeit. Laut Energieagentur produktneutral. Der Atlas wurde von Landkreis und Energieagentur entwickelt. (san) Der Solaratlas im Internet: https:// solaratlas-bsk.smartgeomatics.de
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