diese Diskussion kennt mittlerweile jeder am Weltgeschehen einigermaßen interessierte Mensch auch aus dem eigenen Freundeskreis: Ist die Erde für die Menschheit nur über Gesundschrumpfen zu retten – oder könnte es auch mit grünem Wachstum gelingen? Müssen wir unser Verhalten ändern, oder einfach nur das, was wir konsumieren, neu erfinden? Und inwieweit schließen sich diese beiden Pole – Verzicht oder neues, grünes Wachstum – tatsächlich aus?
In Montréal findet derzeit der UN-Biodiversitätsgipfel COP15 statt, aktuelle Einordnungen und Analysen meiner Kolleginnen Tina Baier und Thomas Krumenacker zu dieser wichtigen Konferenz finden Sie gesammelt an dieser Stelle. Am Rande des Treffens hat sich auch die Diskussion ums Wachstum unter den Ranghöchsten wiederholt. UN-Generalsekretär António Guterres hielt gleich zu Beginn der COP fest, dass die Menschheit „mit unbändigem Appetit auf ungebremstes und ungleiches Wirtschaftswachstum“ zu einer „Massenvernichtungswaffe“ für die Artenvielfalt der Erde geworden sei. Hingegen sagte Elisabeth Maruma Mrema, Exekutivsekretärin der UN-Biodiversitätskonvention, auf einer Pressekonferenz des Gipfels am vergangenen Montag, dass sie nicht glaube, dass es einen Konflikt zwischen Wirtschaftswachstum und der Erhaltung der biologischen Vielfalt gebe.
Aber vielleicht liegt genau in einer solchen Frage schon ein Teil des Problems. Darf so eine grundsätzliche Frage nach dem richtigen Weg in die Zukunft wirklich eine Glaubensfrage sein, zumal von der Chefin einer Biodiversitätskonferenz?
Vielleicht steckt hinter Mremas Aussage aber auch eher diplomatischer Realismus als „Glaube“. Denn in Montréal wird auch das Dilemma eines schon lange schwelenden globalen Konflikts verhandelt, für den es immer dringlicher Lösungen braucht: Wie geht man damit um, dass reiche Länder, deren Wohlstand auf jahrzehntelangem Ausreizen des Wachstumsimperativs basiert, nun im Sinne des Klima- und Artenschutzes darauf drängen, dass andere, ärmere Länder auf dieses Wachstum verzichten? Also auf das, was die reichen Länder jahrhundertelang getan haben – obwohl es von deren Wohlstandssockel aus viel komfortabler wäre, das Wachstum einzuschränken (wovon sie leider allesamt ebenfalls noch weit entfernt sind)?
Je ambitionierter die Schutzziele für die Natur ausfallen, desto stärker betreffen die damit einhergehenden Beschränkungen am Ende eben auch die wirtschaftliche Entwicklung der Länder, die ihre Natur noch nicht großflächig ausgebeutet haben. Müsste man diesen Ländern (neben finanziellen Ausgleichsmechanismen, um die auf der COP ebenfalls gerungen wird), nicht wenigstens auch die Möglichkeiten vom „grünen Wachstum“ zugestehen?
Einfach ist die Diskussion nicht, weder im Freundeskreis, noch auf einer Biodiversitätskonferenz. Und am Ende wird es bei aller Ausschließlichkeit auf den ersten Blick ja eben doch auf einen kleinteiligen, mühseligen, viel zu langwierigen, aber im besten Falle gemeinsam irgendwie tragfähigen Lösungsweg in der Mitte hinaus laufen. Das soll nicht beschwichtigend klingen, denn es kann gut sein, dass das Massenaussterben mit so einem Mittelweg nicht mehr zu stoppen ist. Aber ein gemeinsam beschlossener Weg wäre immerhin: ein gemeinsam beschlossener Weg. |
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