13.12.2022 Südkurier hier
Ein Interview mit Ministerin Geywitz
....Wie wollen Sie gegensteuern?
Auf viele Sachen hat man in der Tat wenig Einfluss. Aber wir müssen die Produktivität steigern durch Digitalisierung in den Bauämtern, durch serielle und modulare Bauweisen. Wenn wir also unser Ziel von 300 000 auf 400 000 erreichen wollen, dann müssen einfach pro Mann und Frau auf dem Bau mehr Wohnungen entstehen. Und auch wenn der Bauüberhang von rund 750 000 genehmigten, aber nicht gebauten Wohnungen zeigt, dass Bauland eben nicht das drängendste Problem ist, müssen wir trotzdem das mobilisieren, was geht und dem Flächensparziel nicht entgegensteht. Da geht viel durch Aufstockung und Lückenschluss.
Das Zauberwort für massenhaft mehr Wohnungen heißt serielles Bauen. Häuser eines Typs aus vorgefertigten Elementen werden in Serie auf die Grundstücke gepflanzt. Das klingt nach Großsiedlungen, wie sie ab den 1960er-Jahren entstanden sind. Braucht es wieder mehr solcher großen Projekte?
Beim seriellen Bauen sage ich immer wieder: Dieser Wohnungsbau ist schön und individualisierbar. Wir müssen endlich unser Bild vom Fertigbau ändern. Das mag nach einer Kleinigkeit aussehen, ist aber für die Akzeptanz in unseren Köpfen entscheidend. Und dann: Nein, es wird keine Satellitenstädte per Rationalisierungserlass geben. Das war mal. Heute macht man eine andere Städteentwicklung, würde nicht mehr auf der grünen Wiese eine homogene Bevölkerungsstruktur mit 20 000 Wohneinheiten hinsetzen und dann noch 100 Prozent sozialer Wohnungsbau. Das führt zu sozialen und städtebaulichen Missständen. Wir haben jetzt die große Aufgabe, industrielle Vorproduktion zu nutzen und gleichzeitig in bestehenden Siedlungen nachzuverdichten. Wir müssen auch in die Lücken-Bebauung gehen, weil der Flächenverbrauch nicht mehr so hoch sein darf, wie das früher der Fall war.
Was sind die nächsten Schritte?
Alle Beteiligten werden sich jetzt mit den Empfehlungen, den 187 Maßnahmen, auseinandersetzen, die wir im Bündnis bezahlbarer Wohnraum für die nächsten Jahre festgelegt haben. Wir als Bund sind für das Baugesetzbuch zuständig, da machen wir nächstes Jahr eine große Novelle. Wichtig werden hier der Klimaschutz und die Digitalisierung. Das Baugesetzbuch muss jetzt eiligst in die Gegenwart geholt werden. Das klingt jetzt nicht nach einem Partykracher, ist aber ungemein wichtig für die Zukunft.
Von Klimaschützern gibt es ja Stimmen, die fordern, möglichst gar keine neuen Flächen mehr zu bebauen. Ist das nicht utopisch angesichts des Bedarfs?
Wenn man sich anschaut, dass die Bevölkerung wächst, ist klar, dass wir mehr Wohnraum brauchen. Wir müssen natürlich schauen, wie man das flächensparend macht. Weniger in die Breite, sondern mehr in die Höhe gehen. Das kann auch mit einer Qualitätssteigerung verbunden sein. Wenn Sie jetzt in einem vier- oder fünfstöckigen Mehrfamilienhaus ohne Fahrstuhl leben und dann kommen noch mal drei Etagen drauf und dann haben alle einen Fahrstuhl. Gar nicht zu bauen oder der Verweis, dass ja in Frankfurt an der Oder was leer steht, hilft einem Menschen, der in Augsburg eine Wohnung sucht, nun wirklich nicht.
Sie hatten einmal mit einer Aussage für Aufregung gesorgt, die so aufgefasst wurde, als wäre für Sie die Zeit des Einfamilienhauses vorbei. Für viele Menschen ist der Traum vom eigenen Haus aber ein sehr lebendiger...
Ich habe gesagt, es ist ökonomisch und ökologisch unsinnig, wenn jede Generation neben den einzelnen Häusern der Vorgängergeneration ihre eigenen baut. Früher war das ganz normal, dass man in sein Elternhaus gezogen ist. Dann hat man noch mit der Schwiegermutter zusammengelebt, und dann hat man das als Familie für die eigenen Bedürfnisse umgebaut. Kaum jemand wäre auf die Idee gekommen, das Elternhaus leer stehen zu lassen und auf der Wiese daneben ein neues Haus zu bauen. Das Problem ist, dass dieser Kreislauf, dieses Vererben der Häuser über die Generationen hinweg, nicht mehr funktioniert. Die allermeisten von uns leben nicht mehr in dem Dorf ihrer Eltern. Und wenn man selber ein Haus will, denkt man als Erstes natürlich an ein neues Haus.
...während junge Familien keine ausreichend große und trotzdem bezahlbare Wohnung finden. Gerade der soziale Wohnungsbau kommt nicht voran. Mehr Wohnungen fallen aus der Sozialbindung heraus, als neu hinzukommen. Sie wollten 100 000 haben, die sind nirgends in Sicht. Warum?
Das ist schnell erklärt. In den vergangenen Jahren hatten wir für den sozialen Wohnungsbau wenig Geld zur Verfügung, etwa eine Milliarde pro Jahr. Gleichzeitig hatten wir eine hochattraktive Förderung für effiziente Wohngebäude, für die man anschließend so viel Miete nehmen konnte, wie man wollte. Das war die besagte Förderung von Peter Altmaier. Und dann wundern sich jetzt alle, warum die Projektentwickler gesagt haben, ich mache keine Sozialwohnungen. Wir haben jetzt für einen ganz starken Aufwuchs der Mittel des sozialen Wohnungsbaus gesorgt. Wir sind jetzt nächstes Jahr bei 2,5 Milliarden Euro, dann geht es auf drei, dann auf dreieinhalb Milliarden, sodass wir insgesamt bis 2026 den Ländern 14,5 Milliarden zur Verfügung stellen. Und ein zweites Element kommt hinzu: Die Wohngemeinnützigkeit, an der wir gerade arbeiten. Das wird ein Steuermodell, wo dauerhaft Sozialwohnungen preisgebunden gehalten werden....
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