Der Standard hier 5. Dezember 2022
Biodiversität
UN-Artenschutzkonferenz
Montreal soll "Paris" der Biodiversität werden und Abkommen liefern: 30 Prozent der Landes- und Meeresflächen sollen bis 2030 geschützt sein
Am Mittwoch beginnt in Kanada die 15. UN-Artenschutzkonferenz CBD15. Veranstaltungsort Montreal soll das Pendant zu Paris werden, und wie dort 2015 der Klimavertrag aus den Verhandlungen hervor ging, soll nun ein Rahmenabkommen der weltweiten Artenvernichtung einen Riegel vorschieben. Bleibt zu hoffen, dass eine solche Vereinbarung mehr Wirkung zeigt.
Eines der Ziele der bis 19. Dezember dauernden Weltbiodiversitätskonferenz ist es, dass 30 Prozent der Flächen an Land und im Meer bis 2030 unter Schutz stehen, dafür sind möglichst klar definierte Artenschutzziele für die Vertragsstaaten nötig. Letztendlich wird es aber auch bei der Artenschutzkonferenz wie bei den Klimaschutzkonferenzen um die Finanzierung dieser Vorhaben gehen. Was in einem Fall die Klimaschutzziele ("Nationally Determined Contributions", NDCs) sind, sind beim Erhalt der Biodiversität die nationalen Strategien- und Aktionspläne (NBSAP) der Vertragsstaaten, also die jeweiligen Biodiversitätsstrategien.
Warten auf Österreichs Biodiversitätsstrategie
Auch Österreich hat auf Basis der EU-Vorgaben eine solche Strategie erstellt, der nächste Schritt ist jedoch noch ausständig. Vor einer Woche wurde die Regierung in einem Offenen Brief des Österreichische Biodiversitätsrats, der Kommission für interdisziplinäre ökologische Studien (KIÖS) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften aufgefordert, die Strategie noch vor dem Beginn der CBD15 in einem Ministerrat zu beschließen. (Die Abkürzung CBD steht für "Convention on Biological Diversity", Deutsch: Konvention über biologische Vielfalt bzw. Biodiversität).
Auf jeden Fall wird Österreich mit einer Delegation des Umweltministeriums nach Kanada reisen und Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) wie zuvor bei der UN-Klimakonferenz in Ägypten in der zweiten Woche teilnehmen. Gewessler sieht in einem Statement keine einfachen Vorzeichen: Die EU stehe zwar für ambitionierte Ziele, die nun auch global verankert werden sollen, "aber es gibt eben auch viele Bremser – die weiterhin die rücksichtslose Ausbeutung unserer Natur vorantreiben. Und dabei zukunftsvergessen die eigene Lebensgrundlage zerstören. Das sind schwierige Voraussetzungen für eine Einigung", lautet ihre Einschätzung.
Artenschwund in Österreich
Dabei trifft die Biodiversitätskrise Österreich genauso wie den Rest der Welt, wie der Wiener Biologe Nikolaus Szucsich betont: "Das betrifft etwa den Rückgang an Insekten und bei Vögeln in der Kulturlandschaft." Von der Konferenz erhofft er sich verpflichtende Schritte, von der Politik und Gesellschaft, dass sie mehr nach wissenschaftlicher Evidenz statt wirtschaftlichen Interessen handelt.
Keines der Ziele der Vorgängerkonferenz (Aichi, 2010) wurde erreicht, erklärte Szucsich, der am Naturhistorischen Museum (NHM) Wien arbeitet: "Bei der Konferenz in Montreal muss daher eine stärkere Verbindlichkeit erreicht werden als bis jetzt."
Unter anderem will man auch eine Verringerung der umweltschädlichen Subventionen erreichen. "Eigentlich müsste man hier einen kompletten Stopp fordern", so der Biologe. Schließlich sollten die Biodiversitätsagenden in allen Sektoren Einzug finden und nicht nur in den jeweiligen Ressorts eingekapselt werden.
Keine Ausreden mehr
"Hier hat der Österreichische Biodiversitätsrat gerade eben gefordert, dass es unbedingt eines Ministerratsbeschlusses zur Nationalen Biodiversitätsstrategie 2030+ bedarf", sagte er: "Das heißt, dass diese Strategie von der ganzen Regierung getragen werden muss." Hier drohe man in Österreich an einem der CBD-Ziele zu scheitern.
Ein solches Scheitern würde es auch bedeuten, wenn etwa der Schutz von 30 Prozent Fläche und die Pestizid-Verringerung hierzulande nicht von allen Sektoren mitgetragen werden, meint er: "Selbst wenn es zu einer Einigung in Kanada kommt, sind also bei uns die Gesellschaft und Politik gefragt, die Ziele auch wirklich umzusetzen und nicht jede mögliche Ausrede zu suchen, warum es bei uns nicht geht."
Derzeit würde die Politik kaum auf wissenschaftliche Empfehlungen Rücksicht nehmen, und die Gesellschaft nur mäßig evidenzbasiert entscheiden, erklärte Szucsich: "Die Wissenschaft kann keine Umweltprobleme lösen, sie dient nur als Grundlage, um Entscheidungen zu treffen." So rette etwa das genaueste Monitoring keine Arten, sondern unterstütze nur fundierte Handlungsentscheidungen, die den Artenverlust stoppen sollen. (red, APA, 5.12.2022)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen