Anmerkung: 2,4 Millionen Menschen sind nicht mehr von Armut bedroht, darunter 1,4 Millionen Kinder - das hört sich für mich wirklich gut an, selbst wenn viele noch mehr erwartet hatten.... Vorausgesetzt dass die Abschaffung des Soli nicht noch alles kippt!
Also dranbleiben und die Sache weiter gut verfolgen heißt die Devise der kommenden Jahre.
Süddeutsche Zeitung hier Von Alexander Hagelüken und Cerstin Gammelin (Text und Recherche), Jonas Jetzig (Grafiken), Stefan Dimitrov (Illustrationen) und Elisa von Grafenstein (Storytelling)
Was bedeuten die Pläne der neuen Regierung für jeden Bürger? Welche Wahlversprechen halten die Parteien wirklich ein? Und was heißt das für Arm und Reich? Das zeigt erstmals eine große Rechnung.
Ein Ergebnis: Menschen mit wenig Geld profitieren finanziell am meisten von der Ampel-Koalition.
..Am meisten dürften jene Menschen von der neuen Regierung haben, die am wenigsten haben: Bürger in Haushalten, die höchstens 20 000 Euro brutto im Jahr verdienen, also grob den aktuellen Mindestlohn bei Vollzeit.Sie können mit 700 Euro mehr im Jahr rechnen, bis zu sechs Prozent ihres Einkommens zusätzlich – mehr als jede andere Gruppe im Land. Das liegt etwa daran, dass Olaf Scholz als Kanzler, wie im Wahlkampf angekündigt, den Mindestlohn von 9,60 auf zwölf Euro die Stunde erhöhen will. Dadurch werden bis zu zehn Millionen Bürger besser bezahlt.
„Das Sonderplus für Menschen mit wenig Geld liegt auch an der Kindergrundsicherung, die die Ampel plant“, analysiert ZEW-Forscher Sebastian Siegloch. Dieses Konzept fasst verschiedene Zuschüsse für den Nachwuchs zusammen und erhöht sie. Das wird auch Teile der Mittelschicht besserstellen.
Wer 30 000 bis 80 000 Euro verdient, kann insgesamt über zusätzlich 1000 bis 1300 Euro im Jahr verfügen. Es gibt neben Kindergrundsicherung und Mindestlohn weitere Ampel-Vorhaben, die sich finanziell für den einzelnen Bürger beziffern lassen: Der höhere Sparerpauschbetrag etwa, oder die veränderte Abzugsmöglichkeit der Rentenbeiträge.
....Mindestlohn und Kindergrundsicherung, hier mit dem Modell der Grünen kalkuliert, sind jedoch die Pläne mit der größten Auswirkung. Beide zielen auf untere und mittlere Einkommen.
Damit ist klar: Für Topverdiener plant diese Regierung keine Wohltaten.
Ob ein Bürger finanziell direkt von der Ampel profitiert, hängt sehr davon ab, ob er Kinder hat - oder nicht. Kinderlose haben wenig zu erwarten
Eltern dagegen winkt gerade durch die Kindergrundsicherung ein ansehnliches Finanzplus. Insgesamt 2330 Euro jährlich im Schnitt für Alleinerziehende, 3010 Euro für Paare.
Die neue Regierung gibt also einen Anreiz, Nachwuchs in die Welt zu setzen, ohne den das deutsche Renten- und Gesundheitssystem zusammenbricht. Dieses Ergebnis hat viel mit der Position von SPD und Grünen zu tun.
Hätte die FDP ihr Wahlkampfversprechen durchgesetzt, massiv Steuern für Gutverdiener zu senken, wäre es anders ausgefallen. ....
„Die Ampel-Rechnungen zeigen: SPD und Grüne halten ihr Wahlversprechen, Geringverdiener und die Mittelschicht besserzustellen“, urteilt ZEW-Ökonom Florian Buhlmann.
Was die Ampel jetzt vorhat, unterscheidet sich aber deutlich von dem, was die FDP im Wahlkampf angekündigt hatte.Die FDP wollte vor allem Gutverdiener stärker entlasten als den Rest der Gesellschaft.
Eine Niederlage müssen aber auch Grüne und SPD verkraften. Sie haben weder einen höheren Spitzensteuersatz noch eine Vermögensteuer durchgesetzt.Dies hätte Topverdienern - wie hier die Wahlpläne der Grünen zeigen - bis zu sechs Prozent Einkommen genommen. Das hat die FDP verhindert.Die Liberalen mussten dafür ihre Ankündigung drastischer Steuersenkungen vor allem für Topverdiener kassieren, wie sie auch die Union geplant hatte.....Das hat Rot-Grün verhindert. Und der Wähler, der keine CDU/FDP-Regierung wollte.
Obwohl SPD und Grüne keine Steuererhöhungen für Gutverdiener durchsetzen konnten, reduzieren die Ampel-Pläne die zuletzt gewachsene Ungleichheit in Deutschland, so ZEW-Forscher Holger Stichnoth: „Und zwar gemessen am Ungleichheitsmaß Gini um vier Prozent, ähnlich wie nach den SPD-Wahlkampfplänen.“
Die Wahlpläne von FDP (und Union) dagegen hätten die Kluft zwischen Arm und Reich vergrößert. Konkret führen die Ampel-Pläne dazu, dass mindestens 2,4 Millionen Bürger nicht mehr von Armut bedroht sind. Dazu gehören 1,4 Millionen Kinder.
Die Kosten der vom ZEW berechneten Pläne fallen mit zehn Milliarden Euro moderat aus. Der höhere Mindestlohn spült gar Steuern und Sozialabgaben in die Staatskasse, aber nur, falls nicht viele Jobs verloren gehen. Markant ist beim Ampel-Finanzsaldo der Unterschied zu den FDP-Wahlplänen: Diese hätten ein Haushaltsloch von 80 bis 90 Milliarden Euro in die Staatskasse gerissen. Grüne und SPD wiederum hätten dem Haushalt sogar ein Plus eingebracht.
Wohl im Jahr 2022 entscheidet das Bundesverfassungsgericht über den Solidaritätszuschlag, den nur noch etwa die obersten zehn Prozent Topverdiener zahlen. Wird er abgeschafft, steht die Koalition vor unangenehmen Entscheidungen.
Klar ist: Die Regierung könnte den Soli in den Einkommensteuertarif integrieren. Dann steigt die Einkommensteuer für Topverdiener leicht, sie ständen genauso da wie vor dem Urteil.
Aber womöglich pocht die FDP darauf, Gutverdienern den finanziellen Vorteil zu lassen.
.."Den Soli einfach abzuschaffen und die Gutverdiener zu entlasten, wäre teuer – und die Ampel würde die Ungleichheit weniger senken als nach ihren bisherigen Plänen“, sagt ZEW-Verteilungsexperte Sebastian Siegloch.
Noch mehr kippt das Bild Richtung Topverdiener, wenn die Ampel bei der Kindergrundsicherung spart. .....Womöglich nimmt die Ampel bei der Kindergrundsicherung nicht das Grünen-Modell, sondern zum Beispiel das des Deutschen Gewerkschaftsbundes, mit dem die SPD im Wahlkampf sympathisierte. Es kostet elf Milliarden Euro weniger im Jahr als das Grünen-Modell.
Die Wirkungen wären durchschlagend. Topverdiener würden ohne Soli und bei einer niedrigeren Kindergrundsicherung auf einmal finanziell fast so stark entlastet wie viele Niedrigverdiener.......
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