Samstag, 25. Dezember 2021

Verteilungskampf ums Grundwasser - Der große Durst

Deutschlandfunk hier Von Tom Schimmeck

2,2 Milliarden Menschen weltweit, darunter 450 Millionen Kinder, haben keinen regelmäßigen Zugang zu sauberem Wasser. Deutschland ist im globalen Vergleich mit üppigen Wasservorkommen gesegnet. Trotzdem wird Wasser auch hier zunehmend zur umkämpften Ressource – auch weil ein Drittel der Grundwasserkörper stark verschmutzt sind.

links: Fakten über Wasser (Deutschlandradio / Andrea Kampmann)

Kein sauberes Wasser, das können wir uns kaum vorstellen. Und dennoch: 2,2 Milliarden Menschen weltweit haben keinen regelmäßigen Zugang zu sauberem Wasser. Rund 785 Millionen Menschen haben noch nicht einmal eine Grundversorgung mit Trinkwasser. Betroffen sind vor allem Menschen oder Familien in den ärmeren Regionen der Welt – und dort vor allem in den ländlichen Gebieten.

Dabei sind mehr als zwei Drittel der Erde von Wasser bedeckt, allerdings sind nur weniger als drei Prozent davon trinkbar. Und dieses Trinkwasser ist zudem sehr ungleich verteilt. Besonders in Afrika, Lateinamerika und Asien herrscht vielerorts dramatische Wasserknappheit. Schätzungsweise 3,6 Milliarden Menschen leben heute in Gebieten, die mindestens einen Monat pro Jahr extrem wasserarm sind. Laut einer aktuellen Untersuchung von UNICEF leben weltweit mehr als 1,42 Milliarden Menschen in Gebieten mit insgesamt hoher oder extrem hoher Wasserunsicherheit, darunter 450 Millionen Kinder.....


„Wasser ist die Grundlage allen Lebens. Es ist überlebenswichtig – für uns Menschen und für die Natur…“ Per Video erklärt das Bundesumweltministerium die neue „nationale Wasserstrategie“ hier
Es geht um die Auswirkungen des Klimawandels – mehr Trockenheit und Hitze, aber auch Unwetter, der Hochwasserschutz, die Aufrechterhaltung der Binnenschifffahrt oder der Zustand der oft überalterten Trinkwasser- und Kanalnetze.

„1991 verbrauchte jeder Deutsche pro Tag noch 144 Liter Wasser, 2016 waren es noch 123 Liter.“ Gegenwärtig nutzt allein die Energieversorgung mehr als die Hälfte des in Deutschland entnommenen Wassers, meist zu Kühlzwecken. Die Prognose: Der Ausstieg aus Kohle- und Atomstrom wird den Wasserverbrauch rapide senken.

„Durch den Umbau des Energiesystems wird eine deutliche Reduzierung der Kühlwasserentnahmen um 50 bis 60 Prozent bis 2030 und 70 bis 85 Prozent bis 2050 erwartet.“
Im globalen Vergleich ist Deutschland eine hydroklimatische Insel der Seligen. Wasser ist reichlich da: „Auf 188 Milliarden Kubikmetern pro Jahr beläuft sich in Deutschland das potenzielle Wasserdargebot.“......

Grundwasser und Konzerne

„In der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie steht ganz klar, dass Wasser keine übliche Handelsware ist, sondern ein ererbtes Produkt, das geschützt und verteidigt werden muss. Und dann kann es unseres Erachtens nicht sein, dass hier dieses wertvolle Tiefengrundwasser, noch dazu zu einem Spottpreis, einem internationalen Konzern zum Verkauf überlassen wird“, sagt Karsten Riggert, Aktivist der Initiative „Unser Wasser“ im Städtchen Lüneburg.
Die Bürgerinitiative hat mit einem speziellen Problem zu kämpfen: Der Weltkonzern Coca-Cola pumpt hier aus zwei Brunnen bis zu 350.000 Kubikmeter Grundwasser pro Jahr ab.

Der Verbraucher greife begierig zu, heißt es in der E-Mail: „Deshalb planen wir, einen wasserrechtlichen Antrag für die Entnahme von Wasser an einem zusätzlichen dritten Brunnen im Landkreis Lüneburg einzureichen. Dieser ist wichtig, damit wir bei Nachfragespitzen im Sommer eine stabilere Wasserversorgung haben und auch zukünftig weiter wachsen können.“ Coca-Cola plant, seinen Grundwasserkonsum zu verdoppeln. „Coca-Cola erschließt einen dritten Brunnen in Lüneburg“, verkündet ein Firmenvideo.

„Bis zum Ende des letzten Jahres zahlte Coca-Cola für einen Kubikmeter 9 Cent.“ Also 0,009 Cent pro Liter, rechnet Marianne Temmesfeld von „Unser Wasser“ vor. „Ab Januar 2021 18 Cent pro Kubikmeter. Verkauft hat Coca-Cola das Wasser für das etwa 9000-fache. Wobei das natürlich jetzt Rohdaten sind und man ehrlicherweise sagen muss: Selbst wenn es nur 4.500-mal so viel ist, ist es ein gigantischer Profit, den Coca-Cola hier macht. Wobei man noch so nebenbei sagen muss, dass die Gewinne ja bisher nicht hier versteuert wurden, sondern wer weiß auf welchen winzigen Inseln in irgendwelchen Meeren der Welt.

Die Aktivisten von „Unser Wasser“
haben sich mit Initiativen in Frankreich vernetzt, die gegen Grundwasserentnahmen von Konzernen wie Nestlé und Danone angehen. Nestlé pumpt sein Vittel-Wasser in den Vogesen aus der Tiefe. Danone, Eigentümer der Weltmarke Volvic, befüllt in 15 Produktionslinien im Département Puy-de-Dôme bis zu 7 Millionen Flaschen pro Tag. Wasser ist ein Milliardengeschäft.
Die französische Nationalversammlung setzte im Februar 2021 eine „Untersuchungskommission zur Kontrolle der Wasserressourcen durch Privatinteressen und deren Folgen“ ein. Dort kamen Firmenvertreter zu Wort, aber auch Experten, die über Besitzverhältnisse und Eingriffsmöglichkeiten der Öffentlichkeit sprachen. Etwa die Rechtsprofessorin Aurore Chaigneau von der Universität Paris-Nanterre, die transparentere Strukturen und eine Rückkehr des Staates beim Management des Gemeingutes Wasser verlangt......

Deutschland hat ein Nitratproblem

Rundfunkbericht 1953: „Das Grundwasser ist hier leider verunreinigt, weil man jahrzehntelang den Abbrand, Abfälle, Schwefelsäure, Ferrit und alles möglich abgekippt hat.“ Ein Bericht von 1953 aus Karlsruhe. Auch in Deutschland sind Verknappung und Verschmutzung des Grundwassers schon seit Jahrzehnten ein Thema. „Wir müssen vermuten, dass es zurückzuführen ist auf eine relativ starke Düngung der landwirtschaftlich genutzten Flächen.“

Anfang der 80er wuchs das grüne Bewusstsein. Man fand Phenol, chlorierte Kohlenwasserstoffe, Herbizide, Pestizide und immer mehr Nitrat im Grundwasser. Seit 1981 schreibt eine EU-Richtlinie vor, den Nitratgehalt von 90 auf 50 Milligramm pro Liter abzusenken. Das ist in Deutschland vielerorts bis heute nicht erreicht. Im Sommer 2021 rügte die EU-Kommission erneut die deutsche Düngeverordnung.

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„Wer zu viel Wasser an einer Stelle fördert, der senkt den Grundwasserspiegel flächendeckend ab“, sagt Gerhard Schierhorn, der Wasserexperte aus dem Heidedorf Hanstedt. „Und genau das ist in der Nordheide passiert: Auf ungefähr 700 Quadratkilometern hat sich der Grundwasserspiegel um zehn Zentimeter bis zu einem, bis zu zwei Metern abgesenkt. Das ist nicht überall problematisch. Aber da, wo die Landschaftsökosysteme, die Vegetation sich auf hohe Grundwasserstände eingestellt hat, da ist eine Grundwasserabsenkung immer kritisch.“
Moore fallen trocken, Flüsse führen kein Wasser mehr. Ihre Zuläufe rund um Hanstedt sind plötzlich verschwunden. „Das bedeutet, dass durch diese Kumulationswirkung von Klimawandel und Grundwasserentnahme viele Zuläufe, viele kleine Bäche, jetzt dauerhaft trocken sind.“

Ein Drittel der Grundwasserkörper in Deutschland sind stark belastet

Doch warum können Behörden das Abpumpen des Gemeinguts Wasser nicht einfach untersagen? „Die Genehmigung von Grundwasserentnahmen ist sozusagen gar nicht verhinderbar. Jeder, der einen Bedarf an Wasser hat, so wie hier die Stadt Hamburg, der kann einen Antrag stellen. Der muss nur nachweisen, dass der Bedarf da ist.“
Selbst im Grundwasserparadies Deutschland spitzen sich also die Verhältnisse zu. Dietrich Borchardt vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung konstatiert: „Mindestens ein Drittel der Grundwasserkörper in Deutschland sind heutzutage so belastet, dass sie nur mit großem Aufwand, wenn überhaupt, zu Trinkwasser genutzt werden können.
Auf der Forderungsliste der Experten zur Rettung des Grundwassers stehen: Das Entsiegeln von Flächen, die Renaturierung von Bächen, nachhaltigere Anbaumethoden, eine bessere Regelung der Wassernutzung, eine effizientere Ausfilterung von Chemikalien. Und: Viel mehr Forschung.

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