Montag, 13. Dezember 2021

Baumbesetzer lösen Polizeieinsatz aus - war die öffentliche Sicherheit gefährdet?

Schwäbische Zeitung  hier Von Simon Federer

Klimaaktivisten haben am Samstag für etwa zwei Stunden Bäume in der Ravensburger Innenstadt besetzt und Banner aufgehängt, um gegen die aus ihrer Sicht zu langsame Umsetzung der Ravensburger Klimaziele zu protestieren. Während viele Passanten die Aktion begrüßen, sieht die Polizei die öffentliche Sicherheit gefährdet. (???)

Charlie Kiehne besetzt einen Baum auf dem Marienplatz vor der „Nordsee“. Passanten beobachten sie und ihre Banner neugierig. „Super“ finden die Aktion Franziska Baur und Viktor Steinke aus Aulendorf, die zum Einkaufen nach Ravensburg gekommen sind und ihre Lebensmittel am liebsten regional einkaufen.

Ein älterer Herr sagt, leider könne er wegen seiner zwei künstlichen Hüften nicht selbst auf einen Baum steigen. Manchmal gibt es auch kritische Stimmen und Pöbeleien. Ein Mann ruft Charlie Kiehne zu: „Was soll der Quatsch?“ Er könne sich nicht vorstellen, was das Klettern auf Bäume bewirken soll.

Die Aktivisten möchten mit ihrer Aktion zum Nachdenken anregen und die Menschen nicht bei ihrem Weihnachtsbummel stören, so der 55-jährige Familienvater Martin Lang.

Er ist die Linde vor dem Waaghaus hinaufgeklettert, an der Weihnachtssterne hängen. Im munteren Markttreiben spielt ein Junge „Schneeflöckchen, Weißröckchen“ auf der Trompete. Die Atmosphäre ist friedlich.

Dann tritt die Polizei auf den Plan. Um die Linde herum ist polizeiliches Absperrband angebracht. Es ist unter anderem am Miniatur-Spitalturm der im Juni eingeweihten Bronze-Stadtansicht befestigt. Gegenüber den Aktivisten geben die Polizisten vor Ort an, die öffentliche Ordnung und Sicherheit sei durch eventuell herunterfallende Äste gefährdet.

Klaus Schulz sitzt auf einem Baum an der Ecke Karlstraße/Schussenstraße. Der Jurist verteidigt Samuel Bosch, der unter anderem wegen Verstößen gegen das Versammlungsgesetz kürzlich vom Amtsgericht Ravensburg zu 40 Sozialstunden verurteilt wurde.

Da die Aktivisten einzeln auf Bäume klettern, handele es sich um keine öffentliche Versammlung, die vorher angemeldet werden müsste, so Schulz. Wie bei einem privaten Treffen zu Hause könne auf einem Baum niemand ohne Weiteres hinzustoßen. Die Bäume sind laut Schulz sicher, es könne nichts herunterfallen. „Außerdem steht bei mir niemand unter dem Baum, der verletzt werden könnte.“

Als ein Polizeiwagen vorbeifährt, kommt es zu einem Wortgefecht zwischen Schulz und einem Beamten. Die Polizei hatte vier Klimaschützer daran gehindert, Bäume zu besteigen, unter anderem Wolfgang Ertel, Professor für künstliche Intelligenz an der Hochschule Ravensburg-Weingarten. Außerdem beschlagnahmte die Polizei Kletterausrüstung und erteilte Platzverweise. „Das hält keiner Überprüfung stand“, ruft Schulz erregt vom Baum herunter.

Für Aktivistin Hannah Schak (21) steht fest: Wenn die Polizei Kletterausrüstung beschlagnahmt, macht das den Klimaschützern nichts aus, denn sie hätten noch viele Seile auf Lager. „Wir machen so lange Stress, bis die Stadt handelt.“

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