| Das, was die EU-Kommission
          vor wenigen Tagen vorgelegt hat, ist ein echt guter Schritt. Der
          zweite Teil des »Fit for 55«-Pakets enthält
          viele Punkte, die bürokratisch-unaufregend klingen mögen, die aber
          entscheidend sind, um die europäischen Klimaziele zu erreichen:
          klimaneutral bis 2050, 55 Prozent weniger Treibhausgase bis 2030 –
          daher der Name des Maßnahmenpakets. Den ersten Teil hatte die
          Kommission am 14. Juli vorgelegt. Was sind die wichtigsten
          Punkte aus Teil Zwei? Eine Auswahl: 
           Ein Fokus der Maßnahmen liegt
               auf Gebäuden mit hohem Energieverbrauch – ich hatte Sie ja
               gewarnt, es klingt dröge, ist aber wichtig. Denn: Gebäude sind
               für rund 40 Prozent des Energieverbrauchs in der EU
               verantwortlich, und damit für mehr als ein Drittel der
               ausgestoßenen Treibhausgase. Dass sich das ändern sollte, erklärte
               auch die EU-Energiekommissarin Kadri Simson bei der Vorstellung
               der Maßnahmen am Mittwoch: Mehr als 85 Prozent der heutigen
               Gebäude »stehen auch noch 2050, wenn Europa klimaneutral sein
               muss«. Die 15 Prozent des Gebäudebestands mit der schlechtesten
               Klimabilanz in jedem Mitgliedsland sollen also saniert werden müssen. Ab dem Ende
               dieses Jahrzehnts müssten alle Neubauten klimaneutral sein. 
           Eine zweite Säule der Maßnahmen, die
               die Kommission vorgestellt hat, ist der Umgang mit fossilem Gas.
               Die Europäische Union will neue Öl- und Erdgaspipelines künftig
               nicht mehr mit eigenen Mitteln fördern. Statt in Erdgas solle in
               emissionsarme Gase wie Wasserstoff investiert werden. Vor allem
               in Sektoren wie der Schifffahrt oder der Industrie, wo viel
               fossiler Brennstoff eingesetzt wird, kann das einen gewichtigen
               Unterschied machen.Und: Öl-, Gas- und Kohleindustrieunternehmen sollen
               sich mehr ins Zeug legen müssen, um Methanemissionen aus ihren
               Anlagen zu vermeiden. Außerdem soll es ihnen nur noch eingeschränkt
               erlaubt sein, überschüssiges Gas einfach zu verbrennen. Durch
               diese Maßnahme verspricht sich die
               Kommission, die Emissionen in den betroffenen
               Sektoren um 80 Prozent zu senken.Die Land- und Forstwirtschaft soll
               finanziell dabei unterstützt werden, mehr CO₂ im Boden und in
               Pflanzen zu speichern. Bis 2030 sollen so nach Wunsch und Willen
               der EU-Kommission 42 Millionen Tonnen CO₂ in natürlichen
               CO₂-Senken gebunden werden. Wahnsinnig viel ist
               das nicht: Diese Summe entspricht ungefähr sechs Prozent der
               Gesamtmenge an Treibhausgasen, die 2020 in Deutschland
               freigesetzt wurden.Die Kommission hat außerdem einen
               Gesetzesvorschlag vorgestellt, mit dem Vergehen an der Umwelt
               und der Natur – wie illegaler Holzhandel und illegale
               Wasserentnahme – härter bestraft werden können. Künftig sollen
               bis zu zehn Jahre Haft drohen. »Überfällig« oder »Heuchelei?« Und wie ist das zu
          bewerten? Die Richtlinie zur
          Gebäudesanierung sei ein »überfälliger« Schritt, hieß es zum Beispiel
          von der Deutschen Umwelthilfe, doch die Maßnahmen im Gas-Sektor seien »ein frühes
          Weihnachtsgeschenk an die Gasindustrie«. Das Netzwerk Friends of
          the Earth Europe sprach von einem »wichtigen Schritt« bei den
          Mindeststandards für die Energieeffizienz, aber von »Heuchelei«
          angesichts eines Gaspakets, das keinen Ausstieg aus fossilen
          Brennstoffen vorsehe. Gut – und »überfällig« –
          sei es, sagte der Präsident des Umweltdachverbands Deutscher Naturschutzring,
          dass die Methanemissionen im Energiesektor erstmals reguliert würden.
          Nicht gut sei hingegen, dass es keine Minderungsverpflichtung für
          Methanemissionen außerhalb Europas gebe. Einen »Erfolg« nannte
          der Chef des Nabu die
          verbindlichen Standards für Gebäude. Aber: »Fraglich bleibt, ob das
          Ambitionsniveau hier ausreichend ist.« Ambitionen kann man immer vermissen Nun kann man als
          Umweltverband schlecht sagen: Die Arbeit ist getan! Dann schafft man
          sich schließlich selbst ab. Und klar, Ambitionen kann man immer
          vermissen. Vieles, was die EU-Kommission vorgeschlagen hat, könnte
          weiter gehen. Und »vorgeschlagen« ist schon das nächste Problem:
          Umgesetzt werden müssen die Maßnahmen auch erst noch. Trotzdem: Es gab schon
          schlechtere Nachrichten in diesem Jahr. Die EU hat das Problem der
          Klimakrise als umfassendes, Sektoren übergreifendes erkannt und zeigt
          Lösungen auf, zumindest für ein paar Problemteile. Für eine
          supranationale Behörde ist das nicht so verkehrt. Und damit möchte ich mich
          für dieses Jahr verabschieden: Der SPIEGEL-Klimanewsletter geht in
          die Weihnachtspause. Die nächste Ausgabe senden wir Ihnen gern im
          neuen Jahr zu. Dann gibt es bestimmt auch
          wieder einen Anlass, sich aufregen. | 
        
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