Sonntag, 26. November 2023

Vor der COP28 liefert Denkfabrik Mutmacher-Studie

Das können wir alle dringend brauchen: mehr Klima-Optimismus vor der COP 28, jetzt geht`s um  sehr viel.

hier  Frankfurter Rundschau  Stand:26.11.2023  Von: Bernhard Pötter

Fünf Gründe für mehr Klima-Optimismus

Globaler Meinungswandel, ehrgeizigere Klimaziele, Druck zu mehr grünen Investments und der überraschende Erfolg der Erneuerbaren machen kurz vor der COP28 Hoffnung, meinen Experten.

Kurz vor Beginn der COP28 hat der Thinktank New Climate Institute einen Mutmacher für die Klimapolitik vorgelegt. Eine neue Studie zeigt Fortschritte und Erfolge im internationalen Klimaschutz. Vor dem Hintergrund von „vielfältigen Krisen, steigenden geopolitischen Spannungen und zunehmenden Desinformationskampagnen ist es wichtig, nicht nur auf die Lücken hinzuweisen, wo etwas nicht passiert ist, sondern auch, was im letzten Jahrzehnt erreicht wurde“, heißt es in dem Rückblick. Er trägt den Titel: „Fünf größere Veränderungen seit dem Pariser Abkommen, die Hoffnung auf einen gerechten Paris-konformen Übergang machen“. Die Studie liegt Table.Media exklusiv vor.

Hoffnung vor der COP28: Positive Veränderung ist möglich

Der Text weist auf wissenschaftliche Daten zum Fortschritte im Klimaschutz hin – ohne zu verschweigen, dass allgemein die Schritte deutlich zu langsam und zu zaghaft sind, um die Pariser Klimaziele zu erfüllen. Gemeint ist die Studie als Mutmacher für eine Konferenz, auf der wichtige Weichenstellungen anstehen: „Ein näherer Blick auf den Fortschritt wird wichtige Einblicke in die Dynamik des Wandels gewähren, auf denen wir aufbauen können“, heißt es. Die Informationen könnten auch „die Zielstrebigkeit der Klima-Community fördern, um sich für die nächste und unzweifelhaft schwierige Dekade vorzubereiten.“ Der Fokus liege „ausdrücklich auf den positiven Veränderungen“. Der Bericht erkenne an, dass diese „nicht ausreichen, uns dorthin zu bringen, wo wir sein müssen. Aber sie erinnern uns daran, dass noch nicht alles verloren ist.“

Das New Climate Institute begleitet die internationale Klima- und Nachhaltigkeitspolitik mit Datenanalysen und Hintergründen. Die unabhängigen Experten finanzieren ihre Arbeit über Projektaufträge. In Kooperation mit dem Thinktank „Climate Analytics“ liefern sie etwa mit dem „Climate Action Tracker“ regelmäßige Updates zur globalen und nationalen Klimapolitik.

In ihrem aktuellen Bericht beschreiben die Experten Fortschritte in fünf Bereichen:

Öffentliches Bewusstsein und Aktionen der Zivilgesellschaft

Visionen, Ziele, Maßnahmen

Investoren und Wirtschaft

Energieversorgung

Elektrifizierung und Industrie

Öffentliches Bewusstsein fürs Klima: in Medien und Gerichten


Die Forschenden sehen folgende Fortschritte:

Fortschritt 1: Im öffentlichen Bewusstsein habe die Klimakrise anders als vor einigen Jahren inzwischen einen „zentralen“ Platz, heißt es. Menschen fühlten sich von der Krise direkt stärker betroffen. Die Berichterstattung der Medien zeige das weltweit – selbst wenn auch Fake News bei diesem Thema zunähmen. Fortschritte bei den Attributionswissenschaften (die kausale Faktoren für spezifische Klimaveränderungen untersuchen, d. Red.) machten Gerichtsprozesse für Klimaschutz möglich. Zusätzlich sei die Klimabewegung gewachsen und mache auch mit zivilem Ungehorsam (Extinction Rebellion, Letzte Generation) Druck. „Zumindest prinzipiell scheinen die Menschen bereit, beim Klimaschutz zu handeln, selbst wenn es sie finanziell belastet“, so das Fazit.

Fortschritt 2: Auch bei politischen Visionen und Zielen sehen die Forscher Fortschritte: Anders als noch vor einigen Jahren würde inzwischen die Vorstellung akzeptiert, dass die gesamte Wirtschaft sich auf Netto-Null-Emissionen zubewegen müsse. „90 Prozent der globalen Wirtschaft unterliegen einem Netto-Null-Ziel“, heißt es. Die Vision einer „voll dekarbonisierten“ Welt werde offiziell angestrebt, ein globaler Ausstieg aus den fossilen Energien werde ernsthaft diskutiert – und bei den Berechnungen für das Temperaturziel für 2100 sei die Welt seit 2015 um ein ganzes Grad vorangekommen: Inzwischen führten die Planungen der Welt zu einer Erwärmung von 2,7 Grad, im Vergleich zu den prognostizierten 3,6 bis 3,9 Grad zu Zeiten des Pariser Abkommens. Die optimistischsten Schätzungen gehen sogar davon aus, dass 1,7 Grad möglich wären.

Wirtschaft erkennt Klimakrise an: „Jeder Investor fühlt den Druck“

Fortschritt 3: Hoffnung gebe auch die Entwicklung in der Wirtschaft, so der Bericht: Allgemein seien dort Klimawandel und Klimapolitik inzwischen als „Bedrohung für Geschäftsmodelle und Investitionen“ anerkannt. Auch die Chancen für grüne Jobs und einen Umbau der Industriestruktur würden viel deutlicher erkannt als noch vor wenigen Jahren. In der Finanzwelt sei das Thema angekommen, weil fossile Infrastrukturen davon bedroht seien, als gestrandete Investments zu enden. „Jeder Investor und jedes Geschäftsfeld fühlt den Druck, beim Klima zu handeln“, heißt es. Außerdem habe die Geschäftswelt erkannt, welche juristischen Risiken durch Klimaprozesse drohten. Viele Unternehmen bereiteten Klimapläne vor – allerdings gäbe es dabei auch viel Greenwashing, so der Bericht.

Fortschritt 4: Bei der Energieversorgung sei es ein gutes Zeichen, dass „erneuerbare Energien der neue Normalfall“ seien, die in vielen Teilen der Welt wettbewerbsfähig sind. Der Ausstieg aus den Fossilen – vor wenigen Jahren noch nicht diskutiert – sei inzwischen eine Frage des „wann, nicht des ob“. Hoffnung gebe auch, dass in der Vergangenheit Wachstum und Kostenreduktion bei Erneuerbaren und Batterien häufig stärker gewesen seien als in Prognosen erwartet.

Klimaschutz: „Das Unmögliche denken und neue Allianzen finden“

Fortschritt 5: Schließlich sei es ein gutes Signal, wie schnell Verkehr und Industrie auf Elektrifizierung umstellten. Bei Elektroautos und Wärmepumpen gebe es weltweit einen Boom – aber auch in den Industrien, in denen CO₂-Reduktionen schwer zu erreichen seien, wie etwa beim Stahl. Anders als zuvor „versteckten“ sich diese Branchen mit großem CO₂-Rucksack nicht mehr hinter der Energiebranche, die zuerst dekarbonisieren solle – sondern suchten selbst nach Wegen.

Zusammenfassend heißt es in dem Bericht: „Im letzten Jahrzehnt haben sich viele Dinge in die richtige Richtung bewegt“. Allerdings beschleunige sich auch die Klimakrise immer mehr und bedrohe den erreichten Fortschritt: „Wir müssen uns also schneller bewegen.“

Positiv betrachtet heiße das: „Wandel ist möglich und kann unerwartet passieren – angestoßen durch neue Akteure (die globale Jugend) und neue Strategien (Klimaklagen), die Regierungen und Unternehmen zum Handeln drängen.“ All das gebe Hoffnung, dass die Grenze des Pariser Abkommens von 1,5 Grad Erderhitzung „noch erreichbar ist“, so das New Climate Institute. Aber der Wandel müsse „überall passieren, zur gleichen Zeit und sehr schnell, in manchen Bereichen sehr viel schneller als heute realistisch erscheint.“ Dafür müsse man „das Unmögliche denken, neue Allianzen finden und die ganze Gesellschaft hinter dieser Aufgabe versammeln.“

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