Mittwoch, 22. November 2023

Was bedeutet das eigentlich: Der Green Deal

Aus dem Webinar von Europe calling: Die Anfangsstatements von Sven Giegold und Louisa Neubauer erschienen mir sehr vielsagend, daher habe ich sie auch schriftlich festgehalten. Bei Sven Giegold erschien mir die Beschreibung der 4 Säulen wissenswert. Bei Louisa Neubauer fand ich die Einschätzung der aktuellen Lage besonders interessant.

das ganze Webinar kann hier  auf YouTube verfolgt werden

Ich habe versucht, das Wesentliche verständlich schriftlich festzuhalten. Es ist nicht an allen Stellen Wort für Wort abgebildet, aber zumindest sinngemäß dargestellt.


Sven Giegold: Der Green Deal  war ein Riesen- Erfolg in letzten 4 Jahren (3:00)

Der Green Deal ist entstanden weil sich die Klimakrise zugespitzt hat und weil die fff weltweit Druck erzeugt haben. Einerseits der Druck der Realität - andererseits der Druck, der in der Öffentlichkeit entstanden ist, hat ermöglicht, dass EU den Green Deal als Wirtschaftsleitstrategie verankert hat.


4 Säulen des Green Deal  (von Anfang an in ursprüngl. Kommunikation)



  • Klimaschutz: hier sehr großes passiert, die meisten gesetzgeberischen Veränderungen, Stichworte dazu: Ausweisung des  europ. Emissionshandels, des marktwirtschaftl. basierten Klimaschutzes, Europ. Klimasozialfonds, Verdopplung der Emissionsreduktionspfade, die Erneuerbaren Energierichtlinie, das Verbrenner-Aus,ganz aktuell  die Methan-Verordnung (wir reden hier über 60x Tempolimit, das strahlt international aus)
    es gehört aber auch zur Wahrheit: wir sind noch nicht auf 1,5° Pfad

  • Biodiversität: mit dem Nature restoration law wurde ein wichtiger Schritt gemacht, aber die Agrarpolitik war von Anfang an als Hauptverursacher des Artensterbens, zumindest in Europa, aus dem Blickfeld des Green Deals auf die 2. Reihe geschoben.
    Und das bleibt eine große Zukunftsaufgabe, wie man die europ. Agrarpolitik und die Art wie wir uns ernähren, Landwirtschaft betreiben, mit den Zielen des Green Deals vereinen kann. Das ist leider bisher nicht geschehen. So ist es bisher nicht gelungen die Pestizide so zu regulieren und einzugrenzen, wie das nötig ist, damit es auf unseren Wiesen irgendwann wieder summt…

  • Kreislaufwirtschaft: da haben wir Fortschritte gemacht. Da liegt ein ganz wichtiger Baustein noch in der Legislativen Schlussphase, nämlich ein Gesetz was bisher weitgehend übersehen worden  ist: nämlich europaweit Regeln für das Produktdesign von Produkten festzulegen. Nicht nur wie bisher: im Wesentlichen für die Energieeffizienz sondern in Zukunft auch für die Reparierbarkeit und Recyclingfähigkeit. Dieses europ. Rahmenwerk (Sustainable product = nachhaltige Produkte-Verordnung) das wird nochmal ein richtig wichtiger Meilenstein, weil dort Europa für all die Produkte, die relevant sind aus ökolog. Sicht, Regeln geben wird, wie sie gestaltet werden müssen. Das wird den Unternehmen, die ökologisch Vorreiter sind , häufig in Europa auch aktiv sind, einen Vorteil geben und andere Produkte, die dem nicht ensprechen, den Marktzugang entsprechend erschweren. Da liegt eine Riesen-Chance und dieses Gesetz muss mögl. Noch unter spanischer Präsidentschaft beschlossen werden…

  • Zero Pollution Ziel - Ende von Verschmutzung (Plastikverschmutzung., chemische Verschmutzung, Giftstoffe u.ä.): wo bisher am Wenigsten geschaffen worden ist. Das Thema ist leider nicht von der gleichen Priorität von der Kommission verfolgt worden.

 

Zusammenfassend: während wir in der Vergangenheit Dtl. bei vielen ökologischen Anstrengungen, gerade auch beim Klimaschutz in der Bremserrolle in Brüssel gesehen haben, haben wir mit dazu beigetragen, dass es jetzt häufiger so ist, dass der Rat avancierte Positionen hat und unsere lieben Kolleg:innen im Europaparlament Mühe haben mitzuhalten…

Es ist so dass der Rat zu einem Ort geworden ist, bei dem Ziele des Klimaschutzes vorangetrieben werden….. Ob das so bleiben wird ist nicht klar: Die Frage ist, ob der Green Deal nach der Europawahl noch die gleiche Rolle spielen wird, die er jetzt spielt…

 

Louisa Neubauer: Was machen wir mit der politischen Kommunikation?  (13:00)

Die ökologische Bilanz ist natürlich desaströs: wir sind nicht auf dem 1,5° Pfad.
Europa ist nicht da wo man als der privilegierte Star und wohltätigste Kontinent der Welt sein müsste, die Biodiversität auf diesem Kontinent und auch in der EU ist in einem miserablen Zustand….das ist die ökolog. Ausgangsgrundlage in der wir uns jetzt treffen…..dass wir noch nicht rausgefunden haben, wie man politisch die Ökologie rein holt. Das ist bisher immer noch offen.

Und vielleicht wenn man sich einmal das politische Konzept des Green Deals ankuckt, stellt man fest, dass einer der großen Klima- und ökolog. Hebel auf diesem Kontinent nicht richtig, zumindest nicht wirksam, angegangen werden konnte, das wäre die Landwirtschaft…..

…Weg von der rein politischen Bilanz hin zu der politische Ökologie, in der wir uns hier treffen. Wenn wir über die Bilanz vom Green Deal sprechen, …was ich mich Frage: Was ist unsere Perspektive? Wie stellen wir uns das vor? Wie soll das weiter gehen?

Gerade jetzt stellt man fest: das Projekt konnte an ganz vielen Stellen on paper Erfolge erzielen und droht mit der nächsten europ. Wahl in Teilen zu scheitern. Und das wirft eine Grundsatzfrage auf: Denn wenn man es geschafft hat Wirtschaft und Ökologie irgendwie ein bisschen zu versöhnen…wenn man es geschafft hat eine europ. Mehrheit zu bilden, dann muss man sich fragen warum droht der Verlust dieser Mehrheit? Was läuft da schief? Das ist eine der großen Fragen, die aktuell im Raum stehen.

  1. Ich glaube es lohnt sich, wenn wir über das Projekt des Green Deal sprechen und zunächst mal anzuerkennen, dass es nicht vom Himmel gefallen ist, dass es erkämpft wurde, das ist wichtig, um verstehen zu können, dass man da in Zukunft weitermachen kann.
    Es war nicht ein politisches Gesamtprojekt, das man aus der Schublade gezogen hat und dann hat man dafür Leute gewonnen….es war harte Arbeit und es wurde auf der Straße miterkämpft….von einer Zivilgesellschaft.

  2. Es ist ein entscheidender Teil des Green Deal, dass es einerseits einen klaren Wirtschaftsfokus hat - es hat diesen scheinbaren Dualismus von Wirtschaft und Ökologie aufgehoben  und ….  auch den Dualismus zwischen Sozialem und Klima konnte angegangen werden. Auch das ist hilfreich.

Nun glaub ich dass es 2 große Probleme gibt, vielleicht müssen wir da auch von Fehlern sprechen, die gemacht wurden. Das bezieht sich nicht nur auf die europ. Klimapolitik, das kann man auch sehr gut auf Dtl. Übertragen.
.. Haben wir es als "ökolog. Öffentlichkeit" verpaßt, uns authentisch von einer technischen Machbarkeit hin zu einer Gesellschaftlichen Machbarkeit in unseren Konzepten zu bewegen…. …am Anfang von fff… waren wir sehr darauf fixiert nachzuweisen, warum unsere Konzepte technisch aufgehen, warum die fananzierbar sind…..

Was wir zumindest nicht zu Ende gedacht haben: dass wir erstaunlich schnell die finanztechnischen Fragen lösen können, aber gerade jetzt drohen zu scheitern. Nicht an finanztechnischen Umsetzungsfragen sondern an Gesellschaftlichen Umsetzungsfragen. Wie gewinnt man Menschen für ein Projekt, bei dem zumindest in einer Transformationsphase, in der wir jetzt gerade sind, die allermeisten meinen, sie würden vor allem davon verlieren. Das ist ja diese undankbare Umsetzungsphase, in der wir gerade sind. Wir bauen Gesellschaft um, wir bauen noch ein bißchen Kontinent um, und d.h. für einen Augenblick fühlen sich alle als wären sie mitten auf der Baustelle…alle stehn sich im Weg oder im Stau, von Effizienz oder Geschmeidigkeit und ökolog. Utopie ist noch nicht richtig was in Sicht, es entstehen vor allem Transaktionskosten: emotional, gewohnheitsmäßig, politisch.

..Dann  so oft eine Erklärung: na ja wir müssten die gesetzlichen Machbarkeiten, Möglichkeiten, Träume erkämpfen, indem wir beweisen können, dass was funktioniert. Und da stehen wir jetzt vor dem europ. Green Deal,… wir stellen fest: eigentlich müsste der ja für sich sprechen, aber scheinbar erreicht man damit die Menschen nicht ausreichend. 

Die Öffentlichkeit ist nicht so streitlustig wie wir es vor 5 Jahren waren.
Die ökolog. Öffentlichkeit ist genauso kritisch, wie sie es vor 5 Jahren war, obwohl sich die Politik total verändert hat. Und das wirft den 2. Fehler auf..

Wenn wir von ökolog. Transformationsprozessen beim Green Deal sprechen, dann ist in meinen Augen die Art und Weise, wie wir über das Sprechen, was wir machen, ziemlich genauso wichtig wie das was wir machen. Das Sprechen über die Veränderung, das als Geschichten erzählen, das kommunizieren, das Einbinden, das Vermitteln, das Zuhören, das … das ist ein elementarer Bestandteil. 

Wir stellen fest, dass in Umfragen zur Wahl nächstes Jahr…-.auch unter jungen Menschen - Klima kein Thema ist, zumindest kein relevantes Top Thema, die Enttäuschung gegenüber der EU groß ist, das Gefühl nicht gehört zu werden, nicht mitgenommen zu werden, ebenso groß. 

Letztendlich stellen wir fest: wir können diese ganzen klugen Konzepte haben, und wir können auch ein (? ) haben, der zeigt wie man es umsetzen kann. Wenn wir es aber nicht schaffen, einerseits neben technischen Konzepten  gesellschaftliche Umsetzungskonzepte für Mehrheiten, für Stimmung, für Überzeugung zu erarbeiten, auf der anderen Seite eben die Geschichten zu erzählen, die Macht und Druck aufbauen, dann kann`s düster aussehen. Das ist die Aufgabe für das nächste halbe Jahr, hier aufholen, was wir aufholen können. Ich finde es eine dramatische Lage Europaperspektivisch - wenn wir uns die Lage, nicht wenn wir uns die Bilanz anschauen.

Wir stellen gerade fest wie groß der Gegenwind der Rechten ist. Und ich würde einmal in Raum stellen, dass dieser Gegenwind exakt genauso groß wäre, wenn der Green Deal nur halb so radikal wäre. Und das ist in meinen Augen eine entscheidende Lehrstelle darüber, dass es sich im Zweifel immer doppelt lohnt für das Radikalste der möglichen Ziele zu kämpfen, denn der Gegenwind wird derselbe sein. Ob wir für Ziel A oder Ziel B einstehen. Und das ist auch etwas , das wir gut mitnehmen können, für die nächste Zeit.  (22:27)

 

Hier ist noch eine Grafik von Jutta Paulus, die  die Ziele des Green  Deal darstellt



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