hier DW Gero Rueter 28.06.20232
Balkon-Solaranlagen werden immer beliebter. Eigenen Strom erzeugen kann Geld sparen und sogar Spaß machen. Aber rechnen sich die Anlagen für alle? Und was sollte man beachten?
In Deutschland boomt die Installationen sogenannter Stecker-Solaranlagen. Die Zahl der angemeldeten Kleinanlagen hat sich nach Angaben der Bundesnetzagentur im ersten Quartal dieses Jahren im Vergleich zum Vorjahreszeitraum mehr als versiebenfacht.
"Der Markt ist gigantisch", bis 2030 könnten es "in Deutschland 12 Millionen Stecker-Solaranlagen geben", so Stecker-Solarexperte Christian Ofenheusle gegenüber der DW. Er betreibt die Infoseite MachDeinenStrom.de . Wenn der Boom anhält, könnte jede vierte Wohnung in Deutschland in sieben Jahren eine eigene Stecker-Solaranlage haben.
Auch in China werden kleinen Solaranlagen immer beliebter, so etwa in der Millionenmetropole Hangzhou. Dort werden sie besonders oft in großen Mietshäusern eingebaut, erklärt Hans-Josef Fell von der Energy Watch Group.
In Italien wirbt inzwischen der größte Stromversorger Enel für diese Form der eigenen Stromproduktion. Auch in anderen europäischen Ländern wie Polen, Frankreich, die Niederlande, GB, Österreich, Schweiz und Ungarn beobachtet Ofenheusle "ein großes Interesse" für die Technik, und Initiativen für die unbürokratische Installation.
Wie funktionieren Solarmodule für die Steckdose?
Die kleinen Solaranlagen haben meist ein bis drei Photovoltaik-Module. Sie hängen an Balkonen, der Hauswand oder werden auf der Terrasse, im Garten oder einem Dach installiert.
Das Besondere: Auch Mieter können so selbst Solarstrom produzieren. Und sie können die Mini-Anlagen ohne Handwerker selbst anschließen.
Der Gleichstrom aus dem Solarmodul wird dabei zu einer kleinen Box geleitet, dort mit einem Wechselrichter in netzüblichen Wechselstrom verwandelt, und kann dann mittels einer Steckdose ins Hausnetz eingespeist werden. Der so erzeugte Strom wird zum größten Teil in der Wohnung direkt verbraucht und senkt die Stromkosten. Der überschüssige Strom fließt ins öffentliche Netz.
Wie viel Strom erzeugt ein Balkon-Solarmodul?
Solarmodule erzeugen bei direktem Sonnenlicht besonders viel Strom, darum sind sie in sonnenreichen Gebieten sowie im Frühjahr und Sommer besonders produktiv.
In sehr sonnenreichen Regionen, also vor allem in Afrika, im Nahen Osten, Australien, Teilen von China, Lateinamerika und USA, kann ein 400-Watt-Modul bis zu 800 Kilowattstunden Strom pro Jahr erzeugen. In Deutschland und anderswo in Mitteleuropa ist es etwa halb so viel, hier gibt es weniger Sonnenstunden. Optimal ist es die Module dann Richtung Süden und in einem entsprechenden Winkel auszurichten (siehe Grafik).
Ohne die Schräge ist der Ertrag geringer: Bei einem senkrecht aufgehängten 400 Watt Modul an einer Südfassade oder einem Südbalkon in Deutschland sind es im Schnitt rund 260 kWh Strom jährlich, hängt das Modul im Osten oder Westen können immerhin noch etwa 190 kWh pro Jahr erzeugt werden.
Reicht ein Balkon-Modul für den Strombedarf zu Hause?
In den Industrieländern ist der Stromverbrauch der Bürger hoch. Ein Balkonmodul kann darum nur einen Teil des Strombedarfs zu Hause decken. Ein Vier-Personen-Haushalt in Deutschland verbraucht im Schnitt rund 4000 kWh im Jahr, bei einer Person sind etwa 1500 kWh.
Ein gut ausgerichtetes 400 Watt-Modul kann im Frühjahr und Sommer im Schnitt etwa 320 Watt erzeugen, bei leichter Bewölkung sind es halb so viel, und bei starken Wolken nur rund 50 Watt.
Im Herbst und Winter werden bei Sonnenschein nur rund 160 Watt erzeugt, bei starker Bewölkung können es nur 20 Watt sein.
Auch im dunklen Winter reicht der Strom also etwa für einen Internet-Router, der verbraucht rund 10 Watt. Und fast immer kann ein Balkonmodul genug Strom für einen kleinen Kühlschrank (80 Watt) und einen Laptop (40 bis 100 Watt) liefern.
Für den Betrieb eines sehr leistungsstarken PC mit zwei Monitoren (bis 900 Watt), einer Wärmepumpe mit etwa 1000 bis 2500 Watt Strombedarf, eines Wasserkochers (600 bis 2000 Watt), oder einer Waschmaschine (etwa 2000 Watt) reicht der Strom von einem Balkonmodul jedoch nicht. Dazu müssen mehr Module installiert werden.
Was kosten Stecker-Solaranlagen?
Stecker-Solaranlagen mit ein bis drei Modulen kosten im deutschen Onlinefachhandel zwischen 400 und 1200 Euro. Die Kosten amortisieren sich bei einem Strompreis von 30 bis 50 Cent pro kWh in sechs bis neun Jahren, sagt Thomas Seltmann vom Bundesverband Solarwirtschaft in Berlin.
Danach ist der selbsterzeugte Strom kostenlos - und das noch mindestens zehn Jahre lang. Denn Solarmodule halten heute im Schnitt über 25 Jahre, Wechselrichter bis 15 Jahre.
Wie sicher sind Stecker-Solarmodule?
"Grundsätzlich sind Stecker-Solargeräte sehr sicher, bisher sind keine Schäden bekannt geworden", so Seltmann.
Er empfiehlt jedoch, solche Anlagen im Fachhandel oder Onlinefachhandel zu kaufen. Dort sind laut Seltmann die Komponenten aufeinander abgestimmt, es gibt Installationsanleitungen und Beratung. Vorm Kauf beim Discounter rät Seltmann ab, zudem seien die Preise dort nicht wirklich günstiger.
Immer mehr Länder erlauben die Installation von Stecker-Solargeräten, in der EU sind es 25 von 27 Mitgliedsstaaten. Nur in Belgien und Ungarn sind Balkonanlagen derzeit noch nicht erlaubt.
Die Einspeisung von bis zu 800 Watt Solarstrom über die Steckdose in die Wohnung gilt als technisch unbedenklich. Denn Stromleitungen sind ausgelegt für einen Stromfluss von bis zu 3500 Watt, darum hat auch der Fachverband der Elektrotechnik und Elektronik (VDE) keine Bedenken bei der Installation.
Als Ergänzung zur Energiewende will die Bundesregierung die Installation von Solar-Steckergeräten jetzt stark vereinfachen, und künftig ist in Deutschland die Einspeisung von 800 Watt Solarstrom statt bisher 600 Watt ins Wohnungsnetz voraussichtlich erlaubt.
Um Wind und Wetter stand zu halten, sollten die Module an Balkon und Wänden allerdings gut gesichert und mit Dübeln verankert sein.
Balkonmodule: Mehr Spaß und eigene Lösungen für die Energiewende?
Experten der Solarbranche sind sich einig, dass die Stecker-Solargeräte nur einen Teil des künftigen Strombedarfs decken können. Gleichzeitg werden auch immer mehr größere Solaranlagen auf möglichst vielen Dächern und große Solarparks gebraucht.
Doch die Balkonmodule haben noch andere Vorteile. So könnten Menschen "Spaß an der eigenen Solstromerzeugung" bekommen, Erfahrungen sammeln und dann auch an anderer Stelle die klimafreundliche Energieversorgung vorantreiben, findet Leo Ganz vom internationalen Marktforschungsunternehmen EUPD in Bonn. "Diese Balkonsolaranlagen sind superwichtig, um Leute zu mobilisieren für die Energiewende." Menschen bräuchten eine Identifikation und Zugang zu den Lösungen der Energiewende und deswegen seien diese Kleinanlagen "ein politisch sehr starkes Signal."
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