Schwäbische Zeitung SZ-RV 9.11.2023 Von Philipp Richter
Bald könnte es erste Klagen aus dem Schussental wegen des neuen Regionalplans für die Region Bodensee-Oberschwaben geben. Die Gemeinderäte in Baienfurt und in Baindt entscheiden derzeit über ein mögliches Normenkontrollverfahren am Verwaltungsgerichtshof in Mannheim. Hintergrund ist der umstrittene Neuaufschluss einer elf Hektar großen Kiesgrube im Altdorfer Wald bei Grund in der Gemeinde Vogt.Baienfurts Bürgermeister Günter A. Binder hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass er unter Umständen auch den Rechtsweg beschreiten würde, wenn es entsprechende Aussichten gebe, um gegen das vorgesehene Kiesabbaugebiet vorzugehen. Schließlich bezieht der Zweckverband Wasserversorgung Baienfurt-Baindt, von dem Binder auch der Vorsitzende ist, sein Wasser aus den Quellen bei Weißenbronnen. Diese Quellen befinden in der Nähe des vorgesehenen Kiesabbaugebiets. Weil die 12.500 Einwohner zählenden Schussentalgemeinden Baienfurt und Baindt befürchteten, eine neue Grube könnte das Trinkwasser gefährden, gaben sie im Dezember 2017 ein Gutachten bei Hydrogeologe Hermann Schad in Wangen in Auftrag.
Das Gutachten kam zu dem Ergebnis, dass das Wasserschutzgebiet zu klein bemessen ist, die Quellen deutlich mehr Menschen versorgen könnten als bisher angenommen, dass der Waldburger Rücken geologisch höchst komplex ist, das Wasserreservoir durch den Altdorfer Wald und die Kiesschichten bestens geschützt ist und der vorgesehene Abbau im Einzugbereich der Quelle läge. Deswegen sprach Schad die Empfehlung aus, auf Kiesabbau in diesem Gebiet zu verzichten.
Doch das potenzielle Kiesabbaugebiet bliebt im Regionalplan, der letztlich im September dieses Jahres - nach einer längeren Bearbeitungszeit als veranschlagt - genehmigt wurde. Schon nach der Genehmigung durch das Ministerium für Landesentwicklung und Wohnen in Stuttgart kündigte Baienfurts Bürgermeister Binder Gespräche mit dem Gutachter Hermann Schad und dem Rechtsanwalt Reinhard Heer an, der die Interessen des Zweckverbandes Wasserversorgung vertritt.
Das Ergebnis der Gespräche ist nun klar: Die Baienfurter Verwaltung schlägt dem Gemeinderat vor, juristische Schritte zu gehen. „Wir sind der Meinung, dass bei der Regionalplanung Aspekte der Geologie und der Hydrogeologie nicht ausreichend berücksichtigt worden sind. Wir halten den Klageweg für absolut lohnenswert“, sagt Binder. Es gehe hier auch um die Abwägung, die der Regionalverband zu treffen hatte. Aus Sicht der Gemeinden Baienfurt und Baindt wurde die Wasserversorgung nicht ausreichend berücksichtigt, um letztlich den Kiesabbau durch das Unternehmen „Meichle und Mohr“ zu ermöglichen, das bereits die entsprechenden Flächen vom Land Baden-Württemberg gepachtet hat.
Ein weiterer Punkt ist das, was Binder als Kehrtwende des Regionalverbandes bezeichnet: Im alten Regionalplan war das Gebiet der Kiesgrube für Forstwirtschaft vorgesehen, Kiesabbau war hingegen ausgeschlossen. Jetzt soll dieses Gebiet zum Vorranggebiet für Kiesabbau werden. Damals wie heute musste diese Entscheidung begründet werden. „Und wir möchten wissen, ob man bei der Abwägung zu den richtigen Ergebnissen zum Stand 2023 gekommen ist“, so Binder. Beim Normenkontrollverfahren geht es laut Binder also um die inhaltliche Prüfung des Regionalplans.
Auch Simone Rürup, Bürgermeisterin von Baindt, sieht diese „Kehrtwende“ kritisch. Die Geologie des Waldburger Rückens sei außergewöhnlich, und die Wasserschutzgebiete seien zu klein, sagt sie. Außerdem müsste der Altdorfer Wald ihrer Ansicht nach zu einem großen Trinkwasservorkommen erklärt werden.
Der Gemeinderat Baindt hat sich am Dienstagabend bereits entschieden und einstimmig für eine Klage ausgesprochen. Ein entsprechendes Votum ist auch in Baienfurt bei der Gemeinderatssitzung am 14. November um 18 Uhr zu erwarten. Der Zweckverband Wasserversorgung Baienfurt-Baindt tagt am 22. November.
Wenn die Gremien von Baienfurt und Baindt dem Rechtsweg zugestimmt haben, wird Rechtsanwalt Reinhard Heer beim zuständigen Verwaltungsgerichtshof (VGH) in Mannheim - wie es juristisch korrekt heißt - einen Antrag stellen. Dieser Antrag entspricht jedoch dem Wesen einer Klage. Danach muss der Antrag begründet werden, es folgt ein Schriftwechsel zwischen den Klägern (Zweckverband Wasservorsorgung und Gemeinden) und den Beklagten (Regionalverband). „Wenn die Argumente erschöpfend ausgetauscht sind, folgt eine mündliche Verhandlung“, sagt VGH-Sprecher Manfred Frank. Bis es zu einer Entscheidung kommt, kann es je nach Umfang und Auslastung des zuständigen Senats laut Einschätzung des VGH zwischen einem und zwei Jahre dauern.
Es ist nicht erste Klage wegen Unmut über den Regionalplan. Ende Oktober hat sich bereits der Ikowa-Zweckverband für eine Klage gegen das Land Baden-Württemberg entschieden, weil dieses das vorgesehene interkommunale Gewerbegebiet Waltershofen (Ikowa) bei Wangen gestrichen hatte. Im Allgäu sieht man aber den dringenden Bedarf für eine solche Gewerbefläche und hält daran fest.
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