hier Merkur Artikel von Patrick Mayer • 28.11.23
Söders Riesen-Plan realistisch? Experte gibt Einschätzung zum Bodensee-Trinkwasser ab
Kann der Bodensee bayerische Trinkwasser-Bedenken lindern? Mit dieser Frage setzt sich die Landesregierung von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) auseinander. Nicht nur der trockene Sommer 2023 hat gezeigt: Der Osten und der Norden des Freistaates machen Sorgen in puncto Trinkwasser.
Trinkwasser in Bayern: Franken und Oberpfalz machen Sorgen
Die Landespolitik will sicherstellen, dass die Versorgung auch in ferner Zukunft gewährleistet ist, ohne dass es regional zu Engpässen kommt. Konkret geht es dabei um die wasserärmeren Regionen in Franken und in der Oberpfalz. Ganz im Südwesten des Bundeslandes hat Bayern zwischen Lindau und Nonnenhorn indes einen zwölf Kilometer breiten Abschnitt am Bodensee.
Und genau aus dieser Tatsache leitet Söders Kabinett aus CSU und Freien Wählern einen Anspruch auf das kühle Nass ab. „Der Bodensee ist auch bayerisch. Das ist nicht nur Baden-Württemberg, deshalb ist das auch unser Gewässer“, hatte Regierungschef Söder laut Schwäbische Zeitung im Juni dazu erklärt. Zur Einordnung: Am Bodensee gibt es bereits etliche Wasserwerke.
Allein die Bodensee-Wasserversorgung (BWV) versorgt zum Beispiel vier Millionen Verbraucher in 320 baden-württembergischen Städten und Gemeinden. Auch Städte wie St. Gallen auf der Schweizer oder Friedrichshafen auf der schwäbischen Seite haben eigene Wasserwerke. Nach Informationen von IPPEN.MEDIA laufen nun Gespräche zwischen den Umweltministerien in Stuttgart und München, um die rechtlichen Rahmenbedingungen abzuklopfen. Damit klar wäre, was Bayern einbringen müsste, um ebenfalls den Bodensee anzapfen zu dürfen. Doch: Was sagen jene, die das Volumen des Wasserreservoirs am besten kennen? Reicht das Trinkwasser auch für Teile des Freistaates?
„Die Bodensee-Wasserversorgung darf aufgrund internationaler Vereinbarungen bis zu 670.000 Kubikmeter täglich aus dem See entnehmen. Und dies bei der schier unfassbaren Wassermenge von 48 Milliarden Kubikmetern Inhalt“, erklärt Diplom-Geologe Christoph Jeromin Merkur.de von IPPEN.MEDIA: „Die Entnahme der BWV entspricht dabei circa ein Prozent des Zuflusses aus dem Alpenrhein.“ 75 Prozent des entnommenen Wassers entfällt seiner Kenntnis nach auf die BWV.
Bodensee: Schmelzwasser kommt über den Alpenrhein aus der Schweiz
Der Alpenrhein ist wiederum der Abschnitt des Flusses Rhein auf der Schweizer Seite, über den Schmelzwasser aus den Alpen in das 536 Quadratkilometer große Binnengewässer gelangt. „Der Alpenrhein liefert mit Abstand das meiste Wasser. Insgesamt 11,5 Milliarden Kubikmeter Wasser fließen jährlich in den Bodensee. Auf den Pegelstand des Bodensees hat die Entnahme von Trinkwasser keinen messbaren Einfluss. Die Sonne trinkt weitaus mehr. Im Mittel ist die Verdunstung doppelt so hoch“, erzählt Jeromin, der der Technische Geschäftsleiter der BWV ist.
Der Bodensee ist ein Condominium
Das heißt, dass die hoheitlichen Aufgaben von den Anrainerstaaten Deutschland, Österreich und der Schweiz gemeinsam wahrgenommen werden. Aus diesem Grund wurde die Wasserentnahme aus dem Bodensee durch ein Übereinkommen der Bundesrepublik Deutschland, der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 30.04.1966 geregelt. Laut heute geltenden Entnahmerechten dürfen die Wasserwerke aller Länder gemeinsam täglich 670.000 Kubikmeter Wasser pro Tag abzapfen. 75 Prozent davon entfallen auf die baden-württembergische Bodensee-Wasserversorgung.
Bodensee-Trinkwasser: Die Schweiz und Österreich reden mit
Insgesamt könne festgehalten werden, „dass die Wasserentnahme durch die Trinkwasserversorger am Bodensee zu keinen relevanten negativen Auswirkungen im See führt. Bilanziell würde die angedachte Mehrentnahme keine Rolle spielen“, erklärt der Wissenschaftler. Doch so einfach ist es dennoch nicht. Die rechtlichen Hürden sind enorm, weil die Schweizer sowie die Österreicher mitreden und ein möglicher Einstieg der Bayern am Bodensee erstmal auf bundesstaatlicher Ebene geklärt werden müsste. Heißt: zwischen der Bundesrepublik Deutschland, der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft.
„Die BWV ist nur einer von mehreren Nutzern des Bodensees. Dabei schöpfen wir derzeit die genehmigten Entnahmerechte komplett aus. Wenn wir in Zukunft mehr Menschen versorgen wollen, zum Beispiel im bayerischen Franken, brauchen wir mehr Wasser-Entnahmerechte“, erklärte kürzlich der BWV-Vorsitzende Michael Beck Merkur.de von IPPEN.MEDIA: „Das ist ein internationales Verfahren. Wir müssen uns mit der Schweizer und mit der österreichischen Seite abstimmen.“
Noch sind es nur Planspiele des Freistaates. 2021 hatten das bayerische Umweltministerium, das Landesamt für Umwelt und die bayerischen Fernwasserversorger das Projekt „SüSWasser“ angestoßen, um zu ermitteln, wo die Trinkwasserreserven in den kommenden Jahrzehnten knapp werden könnten. Laut BR24 geht ein Ingenieurbüro dieser Frage nach. Bis Ende 2024 sollen Maßnahmen entschieden werden. Das Bodensee-Szenario würde den Bau einer gigantischen Wasserleitung diagonal durch Bayern bedeuten.
Bodensee-Trinkwasser: Kapazitäten würden für Bayern wohl reichen
Jeromin versichert derweil, dass der Bodensee auch noch in Jahrzehnten ausreichend Trinkwasser liefern wird. „Die Jahressumme der Niederschläge auf der Alpen-Nordseite und somit im Wassereinzugsgebiet des Bodensees wird in etwa gleich bleiben. Die zusätzlich zufließende Menge durch schmelzende Gletscher zeigt nur geringfügige Auswirkungen auf den Gesamtzufluss. Schwankungen im Wasserstand sind ein natürlicher Vorgang im Bodensee und haben keine Auswirkungen auf die Trinkwasserversorgung“, erzählt der Geologe: „Nach den heutigen Erkenntnissen werden wir auch in Zukunft genügend Wasser im Bodensee haben.“ (pm)
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