So ganz nüchtern sind die Fakten langsam nicht mehr zu ertragen - warum also nicht mal einen Kabarettisten zu Wort kommen lassen?
Süddeutsche Zeitung hier 17. November 2023, Gastkommentar von Martin Puntigam
Erderhitzung: Wäre jemand bereit, sich stechen zu lassen? Der Speichel der Einsamen Sternzecke könnte dem Planeten helfen.
Eigentlich ist die Klimakrise recht leicht zu lösen - indem man die Menschen so umbaut, dass sie klein, dick und allergisch gegen Fleisch sind. Dass darauf noch keiner gekommen ist.
Martin Puntigam ist Kabarettist in Wien. Zurzeit sind er und sein Ensemble "Science Busters" mit ihrem Programm "Planet B" unterwegs (an diesem Samstag im Münchner Theater Leo 17).
"Völlig bekloppt!"', hat der deutsche Bundeskanzler unlängst geurteilt. Aber erstaunlicherweise nicht über die Politik seines Verkehrsministers oder dessen Vorgängern, sondern über Klimaaktivistinnen, die eigentlich vor allem darauf bestehen, dass sich die Regierung an die Gesetze hält. Sein Finanzminister hat, als er es noch nicht war, Klimaaktivisten beschieden, sie mögen den Klimaschutz den Profis überlassen. Und damit bizarrerweise auch solche wie sich selbst gemeint. Der österreichische Bundeskanzler denunziert Klimaaktivismus als Untergangsirrsinn, indem er den Schmarrn eines Klimawandelverharmlosers zitiert, und sein Innenminister posaunt hinaus: Wissenschaft ist das eine, Fakten sind das andere.
Was also tun nach dem mit Abstand heißesten Sommer seit Aufzeichnungsbeginn, mit all seinen apokalyptischen Tragödien? Aktuell sind diesbezüglich sogar der Papst, der UN-Generalsekretär und Arnold Schwarzenegger deutlich moderner als so gut wie alle Regierungschefs Mitteleuropas. Ganz ehrlich: Mit dem Großteil des diensthabenden Personals wird die Klimakatastrophe nicht zu verhindern sein. Denn erstens sind die eingangs genannten nicht einmal die schlimmsten. Das geht noch deutlich inkompetenter. Die vielen rechtsradikalen oder rechtspopulistischen Parteien, die überall in die Regierungen drängen oder bereits drinnen sitzen, sind noch gar nicht mitgerechnet.
Warum Politiker manchmal beklopptes Zeug sagen
Zweitens ist Unzulänglichkeit in Fragen des Klimaschutzes kein Alleinstellungsmerkmal der Politik. In den Chefredaktionen vieler Medienhäuser und Verlage, in Vorstandsetagen zahlloser Firmen und Interessenvertretungen schaut es keinen Deut besser aus. Und drittens gehört es zur Jobbeschreibung von Politikerinnen und Politikern, wiedergewählt zu werden. Und wenn sie es schaffen, für das bekloppte Zeug zur Klimakrise von vielen Menschen gewählt werden, die ihrerseits möglichst wenig an ihrem eigenen Leben ändern wollen, dann sagen sie so Zeug verständlicherweise auch.
Wenn also die Menschen nicht bereit sind, ihr Leben an die Maßnahmen gegen die Klimakrise anzupassen, muss man eben die Menschen selber an die Klimakrise anpassen. Genetisch optimieren. Als Wissenschaftskabarettkapazunder vom Dienst habe ich deshalb im Austausch mit wissenschaftlichen Fachkräften einen Vier-Punkte-Plan ausgearbeitet zur Rettung der Menschheit. Gern geschehen.
1. Lebensmittelallergie gegen Fleisch fördern. Im Speichel der Einsamen Sternzecke befindet sich das Kohlehydrat Alpha-Gal. Wird man von der Zecke gestochen, gelangt es in die Blutbahn, und unser Immunsystem geht mit voller Härte dagegen vor. Allerdings kommt Alpha-Gal nicht nur in der Spucke der Zecken vor, sondern auch in rotem Fleisch. Ein Stich kann zu Fleischallergie führen. Als Beilage zu Steak oder Stelze werden etwa Juckreiz, Hautausschlag, Atemprobleme, zugeschwollene Augen, Verdauungsstörungen, Kopfschmerzen serviert. Klingt unangenehm, ist aber langfristig ein Segen fürs Klima.
2. Menschen kleiner machen. Körpergröße korreliert mit dem ökologischen Fußabdruck. Wären wir kleiner, könnte man: mehr von uns in ein Flugzeug stopfen, in kleineren Häusern wohnen und kleinere Autos fahren. Wie kriegt man uns klein? Mit Präimplantationsdiagnostik. Irgendwann kommen dann nur noch weniger große Menschen auf die Welt. Wäre eine wissenschaftlich elegante Lösung, aber auch kompliziert. Einfacher ginge die medikamentöse Verkleinerung, indem man das Wachstumshormon Somatotropin an seiner Funktion hindert. Zur richtigen Zeit in der richtigen Dosis verabreicht, könnten diese Medikamente Menschen schön klein und klimafreundlich halten.
Der kleine, dicke Sautrottel
3. Menschen dicker machen. Grundsätzlich wäre dicker zu werden eine der leichtesten Übungen. Um allerdings ökologisch sinnvoll in die Breite zu gehen, müsste man jene Arten von Gewebe auf das Notwendigste reduzieren, die die meiste Energie verbrauchen: Muskulatur und Gehirn. Der kleine, dicke Sautrottel wäre somit Klimaheld. Klingt nach einem hohen Preis für die Menschheit, aber es lohnt sich. Denn die Wetterextreme werden zunehmen, und klein und dick bedeutet einen niedrigeren Schwerpunkt, also mehr Standfestigkeit im Wirbelsturm. Außerdem hat Fett eine geringere Dichte als Wasser, und so schwimmt man auf der Flutwelle eher obenauf. Und weil man ohnedies nicht mehr der Schlaueste ist, fürchtet man nicht die Flutkatastrophe, sondern jubelt über eine Freifahrt auf der Wasserrutsche.
Klein, dick, blöd und allergisch gegen Fleisch, das meiste ist geschafft; aber irgendwas essen müssen wir als halbdebile Winzlinge ja trotzdem.
4. Lichtnahrung testen. "Lichtfaster" glauben, sie könnten sämtliche Energie einfach aus Licht beziehen. Was damit bei der Verdauung geschieht, weiß man nicht. Vielleicht kommt es als Welle oral in den Körper hinein und schießt hinten als Teilchen wieder heraus. Über ausverkauftes Klopapier während einer Pandemie können Lichtfaster nur lachen. Klingt blöd? Ja, und ist es auch. Wer es ernsthaft ausprobiert, lernt den korrekten Terminus technicus dafür kennen: verhungern. Aber alles, was den Naturgesetzen nicht widerspricht, ist zumindest theoretisch machbar. Zum Beispiel uns selber so umzubauen, dass wir Photosynthese beherrschen. Wie Pflanzen. Dazu müsste man unter anderem alle Strukturen und Signalwege in unseren Körperzellen so umbauen, dass wir unter Verwendung von Chlorophyll das CO2 mithilfe von Wasser und Sonnenenergie in Kohlenhydrate und Sauerstoff umwandeln können. Und zusätzlich bräuchten wir allerdings noch gigantisch große Ohren, um ausreichend Energie zu generieren. Wir würden endlich nicht mehr nur auf großem Fuß leben, sondern auf großem Ohr.
Passt nicht? Dann ein Blick auf die Alternativen
Soweit der genetische Vier-Punkte-Plan zur Rettung der Menschheit. Leicht ist die Art der Optimierung natürlich nicht. Aber die Klimakatastrophe wird auch kein Spaziergang. Und gewaltige grüne Ohren am Kopf eines kleinen, adipösen Körpers sind vermutlich besser als Hitzetod, Verhungern, auf der Flucht oder in einer Innenstadt ertrinken, unter einer Mure ersticken, in Verteilungskriegen zugrunde gehen, sterben, weil lebenswichtige Medikamente in der Lieferkette hängenbleiben oder was uns in den kommenden Jahrzehnten sonst noch alles ins Haus steht. Und das nehmen viele von uns ja auch ohne Weiteres in Kauf. Und halten sich dabei noch für Klimaschutzprofis, Klima-Aktivismus für völlig bekloppt und Untergangsirrsinn und Wissenschaft für das Gegenteil von Fakten. Und da sind menschenfreundliche Erdinger Demokratiezurückholer noch gar nicht eingepreist.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen