das Klima-Event des Jahres hat begonnen: Heute, Donnerstag, startet die 28. Weltklimakonferenz (COP28) in Dubai. In den kommenden zwei Wochen verhandeln dort Delegierte praktisch aller Staaten der Welt über den Schutz des Weltklimas. Mehr als 70.000 Menschen werden in der Ölmetropole am Persischen Golf erwartet. Doch worum geht es dieses Mal eigentlich?
Die wichtigsten Punkte:
Globale Bestandsaufnahme. Bei der Klimakonferenz in Paris 2015 einigte sich die Weltgemeinschaft nicht nur auf das Ziel, die Erde um nicht mehr als zwei, besser 1,5 Grad aufzuheizen, sondern verständigte sich auch auf ein Format, um die Bemühungen auf den Weg dorthin zu überprüfen. Im sogenannten „Global Stocktake“, der globalen Bestandsaufnahme, setzen sich Vertreterinnen und Vertreter der Staaten ab diesem Jahr alle fünf Jahre zusammen, um zu reflektieren, ob die aktuelle Klimapolitik mit dem 1,5-Grad-Ziel vereinbar ist. Dass sie das nicht ist, ist natürlich allen klar – aber die Hoffnung, dass die Staaten nach dieser Art offiziellen Eingeständnis ihre Klimaziele nachbessern, lebt.
Geld. Die vergangene Klimakonferenz im ägyptischen Sharm El-Sheikh war vor allem von einem Thema geprägt: Geld für „Loss and Damage“, Schäden und Verluste. Darunter werden Kosten subsumiert, die der Klimawandel anrichtet und künftig anrichten wird – also Ernteausfälle oder Naturkatastrophen. Betroffen sind vor allem Gebiete, die diese horrenden Kosten, die wohl in die Billionen gehen, schwieriger stemmen können als Industrieländer. Letztere sollen dort einzahlen – weshalb sich unter anderem die EU in Ägypten querstellte. Am Ende gab es doch noch eine grundsätzliche Einigung auf einen Geldtopf für Schäden und Verluste. Doch wie der genau aussieht, soll erst dieses Jahr verhandelt werden.
Besser als Schaden zu ersetzen ist natürlich, ihn gar nicht erst eintreten zu lassen, etwa durch Anpassungsmaßnahmen oder – noch besser – ausreichenden Klimaschutz, der extreme Wetterereignisse verhindert. Weil auch das Geld kostet, gibt es seit 2010 den Green Climate Fund, der Projekte in Entwicklungsländern finanziert, die Emissionen mindern oder zur Anpassung beitragen. Nun ist der Topf (wahrscheinlich) mit den 100 Milliarden an jährlichem Budget ausgestattet, das die Industrieländer eigentlich bereits für 2020 zugesagt haben. Dieses Geld ist bloß ein Tropfen auf dem immer heißer werdenden Stein – denn die UN schätzt, dass die Entwicklungsländer bis 2030 jedes Jahr mindestens 200 Milliarden US-Dollar brauchen, um sich an die Auswirkungen des Klimawandels anzupassen. Von Klimaschutzmaßnahmen reden wir da noch gar nicht. In Dubai werden jedenfalls neue Zusagen für den Green Climate Fund erwartet.
Saubere Energie. Schon im Vorfeld der Konferenz sollen sich die USA, die EU und die Vereinigte Arabische Emirate darauf verständigt haben, die erneuerbaren Energien bis 2030 zu verdreifachen. Da sich inzwischen mehr als 60 Staaten dieser Initiative angeschlossen haben sollen, stehen die Chancen nicht schlecht, dass dieses Ziel am Ende auch im Abschlussdokument steht. Auch China, das die Erneuerbaren gerade massiv ausbaut, kann diesem Plan etwas abgewinnen. Für das Klima wäre das zweifellos ein Gewinn, doch eines darf man nicht vergessen: Derzeit werden nur rund acht Prozent der Energie aus erneuerbaren Quellen gewonnen – selbst wenn sich die Menge verdreifacht, ist der längste Weg zur grünen Energiezukunft also noch zu gehen.
Schmutzige Energie. Mindestens genauso wichtig wie der Ausbau erneuerbarer Energie ist deshalb, auf fossile Energie möglichst schnell zu verzichten. Obwohl Kohle, Öl und Gas die Hauptverursacher des Klimawandels sind, wurden die fossilen Energieträger erst auf der 26. Klimakonferenz in Glasgow vergangenes Jahr namentlich in einer Abschlusserklärung erwähnt. Damals einigte man sich auf eine schrittweise Reduktion von „unverminderter“ Kohleverbrennung – wobei selbst Fachleute etwas ratlos sind, was damit genau gemeint ist. Staaten wie Indien oder China, die das Wort „unabated“ damals in letzter Sekunde in den Text reklamierten, meinen damit aber sehr wahrscheinlich Kohlenstoffabscheidung und -speicherung – eine Technik, die noch kaum erprobt ist. Vergangenes Jahr wurde die Formulierung jedenfalls mehr oder weniger eins zu eins in den neuen Abschlusstext kopiert.
Die EU will nun, dass die „unverminderte“ Verbrennung aller fossilen Brennstoffe (nicht nur Kohle) ausläuft (und nicht nur schrittweise reduziert wird), was für viele Entwicklungsländer und auch China nicht infrage kommt. Die USA blieben bei diesem Thema bisher vage. Auch bei der diesjährigen Klimakonferenz dürfte der Ausstieg aus fossilen Brennstoffen also wieder das Thema sein, bei dem die dicksten Bretter zu bohren sind. Dass es in Dubai zu einem Bekenntnis zum kompletten Phase-out aller fossilen Energien kommt, ist eher unwahrscheinlich.
Kritisch sehen viele auch, dass der Präsident der COP28, Sultan Ahmed Al Jaber, Chef des staatlichen Ölkonzerns Adnoc (übrigens der zweitgrößte OMV-Eigentümer) ist. Dokumente, welche der BBC zugespielt wurden, legen nahe, dass Al Jaber seine Rolle auch dafür nutzen wolle, neue Öl- und Gasdeals zu besiegeln. Alles falsch, sagte der COP-Präsident zu den Leaks.
Die Erwartungen sind also wieder einmal niedrig. Viele fragen sich deshalb, was das ganze Theater mit den Klimakonferenzen eigentlich soll – schließlich steigen die Emissionen trotz über dreißig Jahren Klimadiplomatie immer weiter. Was bringen die Klimakonferenzen also? Das haben wir Helmut Hojesky gefragt. Er war bis letztes Jahr als österreichischer Delegationsleiter auf jedem einzelnen Klimagipfel. Er sagt: „Obwohl es mühsam ist, ist es immer noch das Beste, was möglich ist“. Wahrscheinlich stünde die Welt ohne Klimakonferenzen und Pariser Abkommen heute noch schlechter da. Das ganze Gespräch könnt ihr ab Freitag in unserem Klima-Podcast hören – hier könnt ihr uns vorsorglich auf Spotify abonnieren.
Staaten beschäftigt aber nicht nur das Klima, sondern auch etliche Konflikte – wie derzeit in der Ukraine oder im Gaza-Streifen. Wie kann man sich eigentlich eine Situation vorstellen, in der die ukrainische Delegation mit der russischen und jene arabischer Staaten mit israelischen Delegierten verhandeln müssen? Weniger aufgeladen als erwartet – bei der COP geht es wirklich um die Sache, sagt Hojesky.
Zumindest meistens. Denn geopolitischen Spannungen ist es zuzuschreiben, dass es noch kein Gastgeberland für die COP29 im Jahr 2024 gibt. Bulgarien hatte sich um die Ausrichtung bemüht, doch Russland hindert sämtliche osteuropäische EU-Staaten an der Bewerbung. Armenien und Aserbaidschan haben ebenfalls angeboten, die nächste Konferenz auszurichten – doch die beiden verfeindeten Staaten blockieren sich gegenseitig.
Doch nun liegt erst einmal die aktuelle Klimakonferenz vor uns. Was dort verhandelt, präsentiert, beschlossen wird und was nicht, erfahrt ihr natürlich wie immer im STANDARD. Meine Kollegin Alicia Prager wird außerdem aus Dubai von der COP28 berichten.
Gute Lektüre wünscht
Philip Pramer
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