Dienstag, 14. November 2023

Bau von Mini-AKW gestoppt – weil Solar und Wind günstiger sind

Frankfurter Rundschau hier Stand:13.11.2023,Der Kommentar.Von: Joachim Wille

Mini-AKW - Nein danke

Das Ende von sogenannten Mini-AKW in den USA aus Kostengründen zeigt erneut, dass Atomenergie keine Investition in die Zukunft ist. 

Atomkraft kann das Klima retten. Verfechter dieser Energieform werden nicht müde, das zu proklamieren. Ein Problem sind aber, neben der ungelösten Entsorgung, vor allem die Kosten. Neubauten der bisher üblichen Groß-Reaktoren entpuppten sich als Bauzeit- und Milliarden-Gräber, siehe Frankreich, Finnland, Großbritannien. Daher sollten es die sogenannten Mini-Reaktoren richten, kleinere Einheiten, im Werk vorgefertigt und in Serie ausgeliefert.

Doch bisher war auch hier trotz vieler Jahre an Entwicklung kein Durchbruch zu vermelden, und nun wird aus den USA ein gewaltiger Rückschlag gemeldet. Trotz staatlicher Unterstützung schaffte es das AKW-Unternehmen Nuscale nicht, Reaktoren zu konzipieren, die Strom zu konkurrenzfähigen Preisen liefern. Das Projekt, in Idaho sechs Mini-AKW zu bauen, wird beerdigt.

Regierungen und Stromkonzerne, die immer noch auf die Kernspaltung als Klimaretterin setzen, müssen umdenken. Erneuerbare Energien inklusive der nötigen Speicher und Energieeffizienz sind billiger als die überkommene Nuklearoption – und risikoärmer.


Spiegel hier Von Philip Bethge 14.11.2023

Auftraggeber stimmen für Abbruch

Kleine Atomkraftwerke sollten auf der ganzen Welt eine Renaissance der Nuklearenergie einläuten. Ein Vorzeigeprojekt in den USA ist nun gescheitert, weil die Baukosten viel zu hoch sind. Ist es das Aus für die ganze Branche?

Atomkraft, nein danke: In den USA ist ein Hoffnungsprojekt der Nuklearbranche zum Bau von Mini-Kernreaktoren (Small Modular Reactors, SMR) geplatzt, aus wirtschaftlichen Gründen.

Das zwischen dem US-Unternehmen NuScale und dem Energieverbund UAMPS (Utah Associated Municipal Power Systems) vereinbarte Projekt sollte ab 2027 insgesamt 720 Megawatt sauberen Strom aus Kleinreaktoren bereitstellen, zu einem Preis von 55 Dollar pro Megawattstunde. Befürworter der Atomkraft hatten gehofft, dass das vom US-Energieministerium (DOE) subventionierte Vorzeigeprojekt die marode US-Atomindustrie wiederbeleben könnte.

Dreimal so teuer wie Solar- und Windenergie

Doch die Kosten des Kraftwerks, das im US-Bundesstaat Idaho errichtet werden sollte, hatten sich zuletzt auf 9,3 Milliarden Dollar mehr als verdoppelt. Demnach würde der Strom aus dem NuScale-Kraftwerk 89 Dollar pro Megawattstunde kosten, etwa dreimal so viel wie Strom aus Wind- oder Solarenergie.

Die Stromkunden der UAMPS zogen nun die Reißleine. 26 der 50 UAMPS-Mitglieder, die das Projekt unterzeichnet hatten, stimmten für dessen Abbruch.

»Wir sehen immer noch eine Zukunft für neue Kernkraftwerke«, sagte Mason Baker, Vorstandschef von UAMPS, dem Fachmagazin Science , »aber in naher Zukunft werden wir uns auf den Ausbau unserer Windkraftkapazitäten, die Nutzung von Solarenergie und auf Batterien konzentrieren.«

Letzte Chance Energiezwerg

SMRs stehen wie kein anderer Reaktortyp für die Hoffnung auf eine Renaissance der Atomkraft. Die Mini-Meiler haben eine geringere Leistung als gängige AKW. Sicherer und kostengünstiger als die von Betonkuppeln überwölbten Riesen sollen die Klein-Reaktoren sein, zudem flexibel in der Stromproduktion und damit kompatibel mit erneuerbaren Energien und modernen Stromnetzen.

Weltweit arbeiten mindestens 40 Firmen und Forschungsinstitute an kleinen Reaktoren. Seit dreieinhalb Jahren versorgt Russland mit seinem schwimmenden Atomkraftwerk »Akademik Lomonossow« eine Region im Nordosten des Landes mit Strom. Chinas Nuklearfirma CNNC baut im südchinesischen Chang Jiang das Modell ACP100 mit 125 Megawatt Leistung. In Großbritannien arbeitet Rolls-Royce an einem Klein-Reaktor mit bis zu 470 Megawatt Leistung, der rund eine Million Haushalte mit Strom versorgen könnte

Für die Branche gelten die Energiezwerge als die vielleicht letzte Chance, ihre Zukunftsfähigkeit unter Beweis zu stellen. Bislang hatten die Reaktor-Werber Erfolg: Großbritannien und Frankreich kündigten an, den AKW-Bestand mit Kleinkraftwerken aufzupeppen.

Der französische Präsident Emmanuel Macron sagte erst im vergangenen Jahr in seinem Innovationspaket »France 2030« eine Milliarde Euro für solche Anlagen zu. Auch in Ländern wie Polen, Tschechien, Ungarn oder Rumänien wachsen die Begehrlichkeiten. Die Osteuropäer suchen nach Optionen, ihre klimaschädlichen Kohlemeiler zu ersetzen.

Reaktor-Zigarren im Abklingbecken

Mit dem wirtschaftlichen Aus des UAMPS-Projekts steht nun jedoch das ganze Konzept der SMR erneut infrage. Dabei galt NuScale eigentlich als besonders aussichtsreiches Start-up in der alten, neuen Branche. Die Firma baut auf technisch Bewährtes und entwickelt einen konventionellen Druckwasserreaktor mit 77 Megawatt Leistung, der in eine Stahlhülle von nur 23 Meter Länge und viereinhalb Meter Durchmesser verpackt wird und als Kühlmittel Wasser verwendet. Als einziger Mini-Meiler verfügt die Reaktor-Zigarre sogar bereits über eine Genehmigung der US-Regierung.

Mehrere solcher Module wollten die Ingenieure in Idaho zu einer Anlage vereinen. Dabei sollten die Klein-Reaktoren senkrecht in ein großes Wasserbecken gestellt werden, das an ein Hallenbad erinnert und bei möglichen Unfällen gleichsam direkt als Abklingbecken dienen kann.

Die NuScale-Reaktoren hätten keine Pumpen und kaum bewegliche Teile, warb das Unternehmen. Die Stahlhüllen könnten dem Druck besser standhalten als eine Betonkuppel und seien leichter zu konstruieren. Komplett vorgefertigt sollten die Atomröhren aus einer Fabrik rollen.

Zu gut, um wahr zu sein?

Das Konzept erschien bestechend. Scheitern die Reaktoren nun ganz profan am Geld? Wirtschaftliche Skaleneffekte sprachen von Anfang an dagegen, dass SMR billigeren Strom produzieren könnten als die heutigen Gigawatt-Riesen. Die Absage des UAMPS-Projekts sei nun ein »absoluter Beweis« dafür, dass »die Behauptung, SMR würden billiger sein, falsch ist«, sagte David Schlissel vom »Institute for Energy Economics and Financial Analysis« dem Branchendienst E&E News. »Wenn es zu gut klingt, um wahr zu sein, ist es das wahrscheinlich auch«, so Schlissel.

Derzeit liegen die Kosten für herkömmlichen Atomstrom bei 11 bis 17 Cent pro Kilowattstunde. Firmen wie Rolls-Royce oder NuScale versprachen für ihre neuen Mini-Reaktoren einen Strompreis von rund 6 Cent, fast vergleichbar mit heutigen Windkraftanlagen an Land. Dieses Versprechen erscheint nun tatsächlich maßlos optimistisch.

Verzögerungen und Kostenüberschreitungen

Auch bei den Mini-Meilern komme es zu »Verzögerungen und Kostenüberschreitungen«, warnte der World Nuclear Industry Status Report bereits vor zwei Jahren – wohl nicht das einzige Problem der Anlagen. Die NuScale-Konstrukteure hätten überschätzt, wie viel sie mit einem abgespeckten Design einsparen könnten, so der Atomkraftexperte Edwin Lyman von der Union of Concerned Scientists. »Sie haben nie bewiesen, dass man diesen Nachteil bei den Skaleneffekten durch andere Faktoren kompensieren kann.«

NuScales Aktienkurs brach mit dem Projektende um mehr als 30 Prozent ein. Firmenchef John Hopkins gab sich dennoch weiterhin optimistisch. Versorgungsunternehmen, Regierungen und Industrieunternehmen könnten sich weiterhin auf die »modulare Kleinreaktortechnologie verlassen«, so der CEO.

Im Fall des UAMP-Projekts hätten sich 80 Prozent der Mitglieder zu einer Abnahme des Stroms verpflichten müssen, um es wirtschaftlich zu machen. »Das war einfach nicht erreichbar«, sagte Hopkins in einer Telefonkonferenz: »Sobald man auf einem toten Pferd sitzt, steigt man schnell ab. Und genau da sind wir jetzt.« 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen