Standard hier 14. November 2023
Wäre die Betonproduktion ein Staat, wäre er der drittgrößte CO2-Emittent der Welt. Österreichische Unternehmen suchen nun nach Alternativen zum klimaschädlichen Baustoff
Beton ist der mit Abstand meistverwendete Baustoff der Welt – rund 30 Milliarden Tonnen werden Jahr für Jahr davon verbaut. Dabei trägt die Betonproduktion maßgeblich zum Klimawandel bei: In den vergangenen 20 Jahren haben sich die Emissionen der Branche auf 2,9 Milliarden Tonnen CO2 pro Jahr mehr als verdoppelt. Das sind rund acht Prozent der globalen CO2-Emissionen und mehr Treibhausgase, als die EU oder Indien ausstoßen. In Österreich sucht ein Forschungskonsortium aus zehn Unternehmen nun nach Lösungen, um den Baustoff nachhaltiger zu machen.
"Dass Beton nicht die beste Klimabilanz hat, ist uns bewusst", sagte Strabag-CEO Klemens Haselsteiner bei einer Pressekonferenz am Dienstag in Wien, bei der die Forschungsergebnisse vorgestellt wurden. Damit auch die Baubranche klimaneutral werden kann, sei es zentral, den Anteil von Zement im Beton zu reduzieren, sagte der Bauunternehmer. Dieser macht rund zehn bis 15 Prozent von Beton aus und ist für den Großteil der Klimaauswirkungen verantwortlich.
In einem Forschungsprojekt wurde untersucht, wie sich Beton mit weniger klimaschädlichem Zement erzeugen lässt.
Unvermeidliche Emissionen bei Zementproduktion
Die Zementproduktion gilt im Vergleich zu anderen Sektoren besonders schwierig zu dekarbonisieren. Beim sogenannten Kalkbrennen reagiert Calciumcarbonat unter hohen Temperaturen zu Calciumoxid, einem der Hauptbestandteile von Zement. Zwar lässt sich die Klimabilanz verbessern, wenn etwa die Öfen effizienter und mit erneuerbarer Energie betrieben werden – das CO2, das im Zuge des chemischen Prozesses entsteht, lässt sich aber höchstens auffangen, nicht aber verhindern.
Bereits im Jahr 2021 untersuchte das Konsortium im Vorgängerprojekt RCC (Reduced Carbon Concrete), wie sich der Anteil von Zement im Beton senken lässt. Im Vergleich zu konventionellem Beton hätten diese RCC-Betone zwar einen geringeren CO2-Fußabdruck, würden aber länger zum Aushärten benötigen, erläutert Projektleiter Thomas Romm. Das ist oft unpraktikabel und führt zu längeren Bauzeiten sowie höheren Kosten, da das Schalungsmaterial länger auf der Baustelle bleiben muss.
In Fokus des aktuellen Projekts stand deshalb eine spezielle Schalung, die sich beheizen lässt, um den Beton schneller hart werden zu lassen. Zwar verbrauche diese Heizung zusätzlich Energie und verursache so Treibhausgase, sagt Romm. Die Bilanz sei aber trotzdem positiv, da nur rund zehn Prozent der Emissionen, die der Baustoff verursacht, auf die Heizung entfallen. Selbst im Winter, wenn die Schalung stärker beheizt werden muss, sei der neue RCC2+-Beton, immer noch um 67 Prozent klimafreundlicher als Standardbeton. Im Sommer seien es sogar 80 Prozent.
Beton mit Holzkohle
Ein Teil der CO2-Ersparnis kommt zustande, indem dem Beton technischer Kohlenstoff hinzugefügt wird. Dieser entsteht, indem pflanzliche Abfälle, etwa Altholz, unter Ausschluss von Sauerstoff über Stunden erhitzt werden und so verkohlen. Im Gegensatz zur Verbrennung bleibt der im Holz gebundene Kohlenstoff dabei in der Biomasse gebunden. Diese Holzkohle wird auch beim Carbon-Farming verwendet, wo sie zur CO2-Speicherung in den Boden eingearbeitet wird.
Beim Beton des Typs RCC2+ wird diese Kohle in die Masse eingearbeitet. Dabei bleibe das CO2 – rund drei Kilogramm pro Kilogramm Holzkohle – einerseits für eine lange Zeit gespeichert, andererseits würden sich die technischen Eigenschaften des Betons verbessern, sagt Romm.
Die Firma Doka, welche für das Projekt die beheizbare Schalung entwickelte, will aus dem Prototyp bis 2025 ein Serienprodukt machen. Bei einem Neubauprojekt in der Leystraße in Wien-Brigittenau soll der neue Beton bereits eingesetzt werden. Langfristig soll der Preis für den RCC2+-Beton bei rund fünf bis zehn Prozent über den Normalkosten liegen.
In Auftrag gegeben wurde das Forschungsprojekt vom Klimaschutzministerium und von der Stadt Wien. Die bei der Präsentation ebenfalls anwesende Klimaschutzministerin Leonore Gewessler betonte, dass Alternativen zum konventionellen Beton dringend notwendig seien. Denn auch wenn man künftig stärker überlegen müsse, "warum, was und wo" gebaut werde, sei auch das Wie entscheidend. "Weil wir werden auch nach 2040 noch sanieren müssen", sagte Gewessler in Hinblick auf das Zieljahr, bis zu dem Österreich klimaneutral sein wollte. Zudem spiele Beton auch bei der Energiewende eine Rolle – etwa bei der Bauteilaktivierung, bei der Betonelemente Hitze für die spätere Verwendung speichern.
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