Donnerstag, 16. November 2023

Studie: Naturbelassene Wälder könnten sehr viel mehr CO₂ aufnehmen, aber ...

Es ist natürlich ziemlich schade, dass die natürliche CO2 Speicherung  im Boden so lange Zeiten in Anspruch nimmt...... Und dennoch: man denke nur an die Methode in der regenerativen Landwirtschaft, mehr CO2 im Boden zu binden, um die Böden wieder fruchtbarer zu machen. Wir haben ja auch bei der Bodenfruchtbarkeit mit enormen Problemen zu kämpfen. Ich denke wir können es uns nicht leisten, darauf zu verzichten.

RND hier 14.11.2023,

Degradierte Wälder restaurieren: Ein naturbelassener Wald kann mehr CO₂ aufnehmen, wie eine Studie zeigt.

Der CO₂-Gehalt in der Atmosphäre muss sich massiv verringern – und das möglichst schnell. Wälder könnten neuen Berechnungen zufolge beträchtliche Mengen des Treibhausgases speichern. Doch Experten warnen vor falschen Hoffnungen.

Wälder mit großer Biodiversität haben ein erhebliches Potenzial, Kohlenstoff zu binden und damit die Konzentration des Treibhausgases Kohlendioxid (CO₂) in der Atmosphäre zu verringern. Das ist das Ergebnis einer internationalen Studie unter Leitung von Thomas Crowther von der Schweizer ETH Zürich. Wie die Forschungsgruppe im Fachblatt „Nature“ zeigt, könnten durch die Aufforstung geeigneter Flächen und Instandsetzung bestehender degradierter Wälder 226 Milliarden Tonnen Kohlenstoff zusätzlich gebunden werden. Zur Einordnung: Laut „Global Carbon Budget 2022″ entsprachen die globalen fossilen CO₂-Emissionen im vergangenen Jahr zehn Milliarden Tonnen Kohlenstoff. Unabhängige Experten nennen die Ergebnisse robust, warnen aber vor falschen Schlüssen.

Schon 2019 hatte eine ähnliche Studie von Crowthers Arbeitsgruppe für Aufsehen gesorgt: Diese hatte das Potenzial der Kohlenstoffbindung durch Aufforstung auf 205 Milliarden Tonnen beziffert – eine Schätzung, die von anderen Forschenden als viel zu hoch kritisiert wurde. Ein internationales Team unter Leitung des Crowther Labs suchte daher nun nach Wegen, die Unsicherheiten des Werts zu verringern. Für die neue Arbeit kombinierte die Gruppe Daten von Messungen der Biomasse am Boden mit Satellitenaufnahmen, um den in Wäldern gebundenen Kohlenstoff zu bestimmen.

Das Forschungsteam berücksichtigte dabei neben den Bäumen auch Wurzelsysteme, Totholz und Böden und schätzte dann auf Grundlage verschiedener Modellierungen, dass Wälder weltweit 328 Milliarden mehr Tonnen Kohlenstoff speichern könnten, als es derzeit der Fall sei. 102 Milliarden Tonnen davon würden jedoch auf Flächen entfallen, auf denen Menschen siedeln oder auf denen sie Ackerbau und Viehzucht betreiben.

Wiederherstellung degradierter Wälder

Wenn man diese Flächen abzieht, kommt man auf die Flächen, die 226 Milliarden Tonnen Kohlenstoff aufnehmen könnten. 39 Prozent dieses Potenzials entfalle auf die Aufforstung entwaldeter, aber ungenutzter Flächen. Der mit 61 Prozent deutlich größere Anteil des Potenzials entfalle auf die Wiederherstellung sogenannter degradierter Wälder, indem die Menschen sie zu ihrer natürlichen Vielfalt zurückkehren lassen. „Wiederherstellung bedeutet, den Wohlstandsfluss auf Millionen lokaler Gemeinschaften, indigener Bevölkerungsgruppen und Landwirte zu lenken, die die Artenvielfalt auf der ganzen Welt fördern“, erklärt Crowther in einer Mitteilung. Nur wenn eine gesunde Biodiversität die bevorzugte Wahl der lokalen Gemeinschaften werde, könne als Nebenprodukt eine langfristige Kohlenstoffbindung erzielt werden.

Für Florian Zabel vom Department für Geografie der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) sind die Ergebnisse der Studie robust und liegen insgesamt in ähnlicher Größenordnung wie andere Studien. Dennoch gebe es nach wie vor große Unsicherheiten, vor allem, was die Kohlenstoffspeicher in den Tropen angehe.

Klimawandelfolgen nicht berücksichtigt

„Ein Defizit der Studie ist, dass die Folgen des Klimawandels nicht berücksichtigt werden – zum Beispiel eine Zunahme von Dürren und Waldbränden durch höhere Temperaturen, aber auch ein mögliches stärkeres Pflanzenwachstum durch CO₂-Düngung“, erläutert Zabel weiter. Ebenso werde nicht berücksichtigt, dass der Druck auf Land durch eine steigende Lebensmittelnachfrage zukünftig steigen könnte – insbesondere durch einen höheren Fleischkonsum – und somit geringere Flächen für die vorgeschlagenen Maßnahmen zur Verfügung stehen als gedacht.

Deutschland sucht den Superwald

Für Christian Körner von der Universität Basel vernachlässigt die Studie grundsätzlich, dass Wälder dynamische Systeme seien, die sich nicht nur durch menschliche Einflüsse, sondern auch in unberührter Natur im ständigen Wechsel zwischen langsamen Aufbau und plötzlichem Zusammenbruch befänden, sei es durch Feuer, Windbruch oder Insekten: „Wälder, die dauerhaft einen maximalen ‚Idealspeicher‘ aufweisen, wie hier angenommen, gibt es nicht.“

Zudem würde der Zielkonflikt zwischen Speichern und Nutzen ignoriert. „Wenn man eine Gigatonne Kohlenstoff in Waldbiomasse festlegt, kann man diese Gigatonne Kohlenstoff nicht gleichzeitig zur Substitution von fossilen Rohstoffen einsetzen. Wie jedes Kind verstehen kann, kann man auf einem Stück Land Wald nur einmal installieren, hingegen kann man bei nachhaltigem Management den Wald theoretisch ewig nutzen“, erklärt Körner.

Effekt würde erst langfristig eintreten

Aufforstung von brachliegendem, waldfähigem Land sei ökologisch absolut wünschenswert, die Wirkung als Kohlenstoffspeicher folge dabei aber sehr stark verzögert: „Mit den hier berechneten, maximal möglichen Vorräten ist, unabhängig von der Flächengröße, wohl erst in 100 bis 200 Jahren zu rechnen, wenn man sofort überall gleichzeitig beginnen würde.

Auch Markus Reichstein vom Max-Planck-Institut für Biogeochemie weist auf den zeitlichen Aspekt hin: „Dies ist natürlich eine entscheidende Größe, wenn es darum geht, in den nächsten Jahrzehnten den Klimawandel zu bekämpfen.“ Insofern suggeriere das Kohlenstoffpotenzial der Studie mehr, als in begrenzter Zeit möglich sei. „Gerade im Boden ist der Kohlenstoffgewinn langsam“, so Reichstein. Zusammen mit anderen in der Studie außer Acht gelassenen Problemen bedeute dies, dass das Potenzial zur Kohlenstoffspeicherung vermutlich nicht ausgeschöpft werden könne: „Dennoch kann die Restaurierung von degradierten Wäldern Teil eines Klimaschutzportfolios sein.“

Für Florian Zabel verdeutlicht die Arbeit bei allen Defiziten den potenziellen Beitrag der Erhaltung, Wiederherstellung und nachhaltigen Bewirtschaftung von Wäldern zur Bindung von Kohlenstoff aus der Atmosphäre. „Für die Einschätzung der Studienergebnisse ist allerdings wichtig, dass dies langfristig kein Ersatz für die Minderung von Treibhausgasemissionen sein kann“, unterstreicht der Geograf. Auch Studienleiter Crowther hebt hervor, dass das Kohlenstoffspeicherpotenzial der Wälder nicht als Ausrede genommen werden dürfe, bei der angestrebten Reduzierung des CO₂-Ausstoßes nachzulassen: „Wir brauchen die Natur für das Klima, und wir brauchen Klimaschutz für die Natur!“

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen