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Bundespräsident Steinmeier soll die umstrittenen Pläne der Ampelregierung stoppen.
Das fordern Klimaschützer:innen in einem offenen Brief.
Klimaschützer:innen fordern Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier auf, der geplanten Reform des deutschen Klimaschutzgesetzes seine Unterschrift zu verweigern. „In Zeiten, in denen 11.000 Menschen in Libyen ertrinken, unsere Gemüseernten auf der iberischen Halbinsel vertrocknen und in Griechenland die Wälder brennen, ist es ein erschreckend falsches Signal, Klimaschutzgesetze abzuschwächen“, sagte Hans Beuter von der Gruppe Parents for Future, die den Aufruf in Form eines offenen Briefs initiiert hat.
„In Ihrer Weihnachtsansprache 2022 wiesen Sie auf die Dringlichkeit des Klimaschutzes hin“, heißt es dort. „Der Gesetzgeber reagiert allerdings immer noch nicht adäquat.“ Mitunterzeichnet haben mehrere Organisationen wie die Grandparents for Future, der Verkehrsclub Deutschland oder das Ökumenische Netzwerk Klimagerechtigkeit.
Die Ampelregierung will das Klimaschutzgesetz neu gestalten und dabei seinen bisherigen Kern streichen: feste, jahresgenaue CO2-Grenzwerte für die einzelnen Wirtschaftsbereiche, also etwa Verkehr, Energie oder Landwirtschaft. Stattdessen soll es nur eine Gesamtrechnung für ganz Deutschland geben.
Dann soll nicht mehr jede:r Minister:in persönlich für den Klimaschutz im thematisch passenden Bereich verantwortlich sein. Außerdem sind weniger verpflichtende Nachsteuerungen vorgesehen.
Am Mittwoch befasst sich der Ausschuss für Klimaschutz und Energie im Bundestag damit.
Klimaschützer:innen befürchten, dass es für Minister:innen einfacher wird, eigene klimapolitische Verfehlungen zu kaschieren.
„Wir sehen in der Novelle zum Klimaschutzgesetz einen Verfassungsbruch“, heißt es in dem offenen Brief.
Gesetze müssen in Deutschland vom Bundespräsidenten unterzeichnet werden. Dabei darf er nicht nach eigener politischer Präferenz entscheiden. Nur bei offenkundigen verfassungsrechtlichen Bedenken kann er ein Gesetz blockieren. In der Geschichte der Bundesrepublik ist das bisher nur acht Mal passiert.
Pressemitteilung Parents for Future Germany
Aufforderung zur Unterschrifts-Verweigerung unter 2. Novelle Klimaschutzgesetz - offener Brief an Bundespräsident Steinmeier
Parents for Future Deutschland fasste Anfang Oktober den Entschluss, der Abschwächung des Klimaschutzgesetzes (KSG) durch Aufhebung der Sektorenziele entgegenzutreten. In der Erwartung, dass der Bundestag der 2. Novelle des KSG in einer Klimaschutz abschwächenden Form zustimmen wird, appelliert die Gruppe an Bundespräsident Steinmeier, seine Unterschrift zu verweigern. Dann würde das Gesetz nicht in Kraft treten.
Deutschland hat 2015 völkerrechtlich bindend entschieden, alles zu tun, um die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen [1]. Dieses Versprechen wurde 2021 in einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG) in den Verfassungsrang gehoben und die Notwendigkeit wirksamer Maßnahmen rechtsverbindlich eingefordert [2]. Im Jahr 2022 hob das BVerfG die Bedeutung der Sektorenziele im KSG, in einem Nichtannahmebeschluss zu Verfassungsbeschwerden gegen Landesklimaschutzgesetze, hervor [3]. Mit der Novellierung ist nun eine Aufweichung der Sektorziele geplant. Dies führe, darüber ist sich ein Expertenkonsortium von 60 Professorinnen und Professoren für Völker- und Verfassungsrecht [4] sowie der Expertenrat für Klimafragen einig [5], zu einer Verlangsamung von Klimaschutz.
Das dürfe nicht passieren, da bereits jetzt klar sei - auch von der Regierung bestätigt -, dass die Ziele des Pariser Abkommens nicht mehr erreichbar seien. Die Regierung halte sich nicht an die Anforderungen des Urteils des BVerfG. Damit liege eine Verfassungswidrigkeit vor. Der offene Brief folgt eben dieser Argumentationslinie.
"In Zeiten, in denen 11.000 Menschen in Libyen ertrinken, unsere Gemüseernten auf der iberischen Halbinsel vertrocknen und in Griechenland die Wälder brennen, ist es ein erschreckend falsches Signal Klimaschutzgesetze abzuschwächen. Es braucht eine 180 Grad Wende. Wir brauchen wirksameren Klimaschutz und zwar jetzt.", so Hans Beuter, Mitautor des offenen Briefes.
Mittlerweile habe sich ein breites Bündnis hinter den Brief gestellt. Viele For Future Gruppierungen und auch Klima-NGO-Größen sowie Initiativen der christlichen Kirchengemeinden gehören bereits zu den Unterstützenden.
„Wir bitten den Bundespräsidenten nicht nur seine Unterschrift zu dem Rückschritt für Klimaschutz zu verweigern, sondern sich auch die gesellschaftliche Debatte zur notwendigen Transformation hin zur Klimaneutralität moderierend zu begleiten“, so Beuter weiter.
"Wenn der Bundespräsident seine Unterschrift unter ein Gesetz verweigert, ist das so etwas wie eine gesetzgeberische Notbremse. Genau die brauchen wir. Wir bedanken uns für die große Zustimmung vieler zivilgesellschaftlicher bundesweiter Organisationen, die sich unserem Appell angeschlossen haben. So haben wir jetzt die Möglichkeit zu verhindern, dass eine Klimaschutz-Verwässerung in Stein gemeißelt wird.", meint Falco Weichselbaum, der auch Mitglied im Koordinationsteam der Parents for Future ist.
Eine Übergabe an Bundespräsident Steinmeier in Berlin ist geplant.
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