Spiegel hier Susanne Götze und Jörg Römer 30.11.2023,
Deutschland sagt 100 Millionen Dollar zu
Die Emirate haben als Gastgeber des Uno-Klimagipfels mit Deutschland einen Überraschungscoup gelandet. Sie wollen Millionen für den umstrittenen Fonds für arme Länder bereitstellen. Die Allianz könnte den schwierigen Verhandlungen nützen.
Die Klimakonferenz in Dubai hat mit einer Überraschung begonnen. Deutschland und die Gastgebernation, die Vereinigten Arabischen Emirate, verkündeten auf dem Treffen, den Katastrophenfonds für arme Länder ankurbeln zu wollen. Dafür sollen insgesamt 200 Millionen Dollar bereitgestellt werden. Deutschland will die Hälfte der Summe finanzieren. Die Emirate sind damit das erste Entwicklungs- und Ölland, das eine derartige Ankündigung macht.
»Deutschland und die Vereinigten Arabischen Emirate gehen gemeinsam voran. Zugleich rufen wir gemeinsam alle Länder auf, die willens und in der Lage sind, ebenfalls zum neuen Fonds gegen Klimaschäden beizutragen«, sagte Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze kurz nach der Eröffnung der Konferenz. Der Beschluss sei ein »wertvolles Signal«, dass die Weltgemeinschaft auch in schwierigen Zeiten zu globalen Verständigungen in der Lage sei, so die Ministerin.
Konkret geht es um den sogenannten Loss and Damage Fonds (L&D). Mit dem Geld sollen Nationen, die besonders stark von den Folgen des Klimawandels betroffen sind, unterstützt und entschädigt werden. Denn schon jetzt verursacht die Erderwärmung hohe Verluste und Schäden, beispielsweise durch extreme Wetterlagen wie Überschwemmungen, Stürme oder Dürren.
Das führt oft in ärmeren Ländern zu Katastrophen, die verhältnismäßig wenig an der Entstehung der Klimakrise beteiligt waren, weil sie selbst nicht so viel klimaschädliches Kohlendioxid (CO₂) oder andere Substanzen emittieren wie Industriestaaten. Seit Jahren fordern kleine Inselstaaten wie die Malediven, Kiribati oder Tuvalu und Entwicklungsländer deshalb auf den Klimakonferenzen, dass sich die Industrieländer als Hauptverursacher der Erderwärmung an diesen Kosten beteiligen.
Ungewöhnliche Allianz
Nur: Bisher ist der L&D-Fonds kaum ins Rollen geraten, auf der COP27 im ägyptischen Scharm el-Scheich konnten sich die Delegierten der fast 200 Staaten zumindest auf ein grundsätzliches Finanzierungsmodell einigen. Demnach soll der Fonds bei der Weltbank angesiedelt werden. Damit der Geldtopf überhaupt starten kann, ist eine Mindestsumme von 200 Millionen Euro nötig. Die haben Deutschland und VAE nun geliefert. Dazu kam es, weil Jochen Flasbarth, ein langjähriger deutscher Klima-Unterhändler und Staatssekretär im Bundesentwicklungsministerium, seit Oktober mit dem COP-Präsidenten Sultan Al Jaber im Hintergrund verhandelte, heißt es aus Ministeriumskreisen. Unterstützt habe Jennifer Morgan , Klima-Sonderbeauftrage des Auswärtigen Amtes.
Die beiden hätten sich mehrmals getroffen und den Deal schließlich telefonisch finalisiert. Bis zur letzten Minute sei aber unklar gewesen, ob dieser überhaupt klappt: Denn bei der Eröffnung mussten die rund 200 Länder den Fonds noch mal offiziell annehmen. Ohne diese Abstimmung wären auch die Zusagen nichts wert gewesen.
Experten sehen in dem Vorstoß von Deutschland und den VAE eine strategische Allianz zwischen einem Industrie- und einem Entwicklungsland. Man wolle eine Brücke zwischen den klassischen Geberländern und den neuen, nicht-traditionellen Gebern bauen, betonte auch Ministerin Schulze. Denn viele Länder, die vor 30 Jahren noch Entwicklungsländer waren, könnten es sich inzwischen leisten, ihren Teil der Verantwortung für die weltweiten Klimaschäden zu tragen.
Beobachter vermuten, dass damit auch Länder wie China, Saudi-Arabien oder die USA unter Druck gesetzt werden sollen. »Es setzt die anderen großen Verursacher der Klimakrise unter Druck, in den Fonds einzuzahlen«, erklärt Sabine Minninger, Klimaexpertin von Brot für die Welt, die den Gipfel in Dubai verfolgt. »Jetzt haben die anderen Länder keine Ausrede mehr, sich vor einer finanziellen Ankündigung zu drücken.« Die Zusage der VAE sei sensationell und ein »Präzedenzfall«. Zum ersten Mal übernehme damit ein Entwicklungsland Verantwortung für die Klimakrise.
Alte Weltordnung aufgebrochen
Tatsächlich sind die Emirate offiziell noch als Entwicklungsland gelabelt, ebenso Staaten wie Saudi-Arabien. Sie sind in der Gruppe der G77 organisiert, die auf Uno-Klimakonferenzen sogenannte Verhandlungsallianzen bilden. Die Einteilung zwischen den Ländern ist vielen Experten zufolge veraltet und stammt noch aus dem Jahr 1992, der Gründung der Klimarahmenkonvention.
Damals wurden die Länder in Industrie- und Entwicklungsländer eingeteilt. Die Zusage von VAE durchbricht diese Logik erstmals – denn die Realitäten haben sich seitdem drastisch verändert. China ist mittlerweile der größte Emittent, und auch die Golfstaaten sind prosperierende Länder mit einem enorm hohen CO₂-Ausstoß pro Kopf.
Der überraschende Schritt der VAE könnte deshalb positive Folgen für die gesamten Verhandlungen haben – weit über den Hilfsfonds für arme Länder hinaus. Die »alte Weltordnung« verhinderte bisher, dass auch Länder mit einer enormen CO₂-Bilanz wie China (rund ein Viertel der globalen Treibhausgasemissionen) oder mittlerweile auch Indien und Brasilien beim Klimaschutz und bei den Hilfen für arme Länder verantwortlich fühlen.
Das ist auch die Hoffnung der deutschen Delegation: »Dieser Einigungswille gleich zu Beginn der Konferenz schafft Vertrauen. Ich bin zuversichtlich, dass auf dieser Basis weitere Fortschritte folgen werden«, hofft auch die Bundesentwicklungsministerin.
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